Wireless Compose 2
Wireless Compose-2 (WICO2) ist die Fortsetzung des erfolgreichen ISS Experiments Wireless Compose, einem Drahtlos-Kommunikationsnetzwerk zum effizienten Auslesen von Sensoren und zur Lokalisation von Objekten innerhalb der ISS. Durch die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Präkursor wird bei Wireless Compose-2 ein optimiertes System entwickelt, das kleiner, stromsparender und genauer messen soll. Zudem wird Wireless Compose-2 die Möglichkeiten solcher Sensor-Netzwerke erweitern, indem es eine Experimentalplattform zur Verfügung stellt, um weitere wissenschaftliche Teilexperimente anzubinden und durchzuführen, wie u.a. das BEAT-Experiment (Ballistocardiography for Extraterrestrial Applications and long-term missions).
Ein weiteres Teilexperiment, das bei Wireless Compose-2 zum Einsatz kommt, ist ein speziell für Raumfahrtanwendungen entwickeltes Smart-Shirt "SmartTex", das die Sensorik für die Ballistokardiographie-Messung aus dem "BEAT"-Experiment integriert. Dadurch können BCG Mesungen an einem Astronauten durchführt werden, um wichtige Herzparameter, wie den relativen Blutdruck sowie Details zur Kontraktionsrate und zu Öffnungs- / Schließzeiten der Herzklappen zu messen, die normalerweise nur über Sonographie oder Computertomographie zugänglich sind. Das Smartshirt wird dabei von Hohenstein Laboratories GmbH & Co. KG entwickelt und zur Verfügung gestellt, das bereits im ISS Experiment Space-Tex 1 & 2 zum Einsatz kam. Die Ballistokardiographie-Messung wird in Kooperation mit dem Raumfahrtunternehmen DSI Aerospace Technologie GmbH durchgeführt, die die Hardware zur Verfügung stellen und die Messungen wissenschaftlich begleiten und auswerten. Medizinisch begleitet wird das Experiment durch die Medizinische Fakultät der Universität Bielefeld.
WICO2 wird zudem Sensoren für die Lichtanalyse sowie verbesserte Testschaltungen zur Erfassung detaillierterer Informationen über die Lichtquellen bereitstellen. Darüber hinaus wird eine Lokalisierungstechnologie auf Basis von IR-UWB demonstriert, um Genauigkeiten unter 10 cm zu erreichen, mit der frei fliegende Objekte und unterstützende Systeme wie CIMON-Nachfolger präzise gesteuert und navigiert werden können. Wireless Compose-2 ist ein update-fähiges und anpassungsfähiges Netzwerk und bietet damit eine Infrastruktur für zukünftige wissenschaftliche und medizinische Experimente.
Welche Funk-Technologie wird verwendet?
Die eingesetzte Technologie basiert auf dem Impulse Radio – Ultrawideband (IR-UWB). Durch die ausgesendeten Impulse wird das zu übertragende Signal auf 500MHz Bandbreite gespreizt. Gegenüber einem konventionellen Wireless Sensor Network (WSN) im 2.45 GHz Bereich wird dadurch die spektrale Leistungsdichte sehr niedrig gehalten, so dass andere funksensible Systeme nicht gestört werden und die eigene Kommunikation auch unanfälliger für externe Störungen ist. Zudem ist die Technologie nahezu immun gegenüber Mehrweg-Interferenzen, was sie insbesondere für die Anwendungen innerhalb geschlossener Räumlichkeiten, wie z.B. eines ISS-Moduls qualifiziert. Ein weiteres Feature ist die Messung von Laufzeiten der ausgesendeten Pulse, um eine Entfernungsmessung durchzuführen. Diese kann bei mehreren Knoten dann zu einer Positionsbestimmung genutzt können.
Wissenschaftliches Ziel
Das wichtigste wissenschaftliche Ziel des Experiments ist die Bereitstellung einer flexiblen und anpassbaren drahtlosen Netzwerkinfrastruktur zur Durchführung von Experimenten mit geringem Stromverbrauch, geringem Gewicht und drahtloser Datenübertragung auf der ISS. Für die Demonstration wird Wireless Compose-2 mehrere Teilexperimente durchführen, während der Schwerpunkt auf dem wissenschaftlichen und medizinischen BEAT-Experiment liegt, das die BCG-Erfassung und die Auswirkungen der Weltraumumgebung auf das Herz-Kreislauf-System bewertet und demonstriert. Auch hier wird ein neu entwickeltes Smart-Shirt "SmartTex" eingesetzt, um die Sensoren bequem am Körper zu integrieren.
Darüber hinaus wird Wireless Compose-2 eine neu entwickelte IR-UWB-Hardware demonstrieren, um präzise Lokalisierungsanwendungen zu ermöglichen und das Energy Harvesting Potenzial auf der ISS zu analysieren.
Die Ziele können wie folgt zusammengefasst werden:
- Betrieb eines drahtlosen Netzwerks zur Sensorüberwachung oder allgemeinen Datenübertragung basierend auf IR-UWB
- Aufzeichnung der Signalqualität des IR-UWB-basierten Netzwerks
Durchführung des BEAT-Experiments zur Überwachung und Erfassung der BCG-Daten eines Astronauten
- Signalpegel: Beobachtung der Variation von BCG-Signalen über einen langen Zeitraum im Weltraum
- Herz: Mapping von BCG-Signalen mit den Herz-Kreislauf-System des Astronauten
- Anwendungsebene: Machbarkeitsstudie von BCG als Gesundheitsüberwachung für Langzeitmissionen
- Machbarkeit von SmartTex, einem Smart-Shirt mit integrierten Sensoren zur Demonstration eines textilintegrierten Body-Area-Netzwerks unter micro-g
- Demonstration der IR-UWB-Entfernungsmessung, um eine Genauigkeit von weniger als 1 cm zu erreichen
- Untersuchung der Parameter der Lichtquellen zur Verbesserung der Energiegewinnungsfähigkeiten
Da Wireless Compose-2 auch die Möglichkeit von Software-Updates bietet, führt dies zu einer höheren Flexibilität und Anpassungsfähigkeit für zukünftige Anwendungen. Daher wird die Basis-Station von WICO2 nach allen BCG-Sitzungen für die Wiederverwendung in zukünftigen Experimenten auf der ISS verbleiben, die auf der bereitgestellten drahtlosen Netzwerkinfrastruktur beruhen.
Experimentendurchführung
Die WICO Experiment-Hardware besteht aus 4 drahtlosen Modulen, sowie einer Zentraleinheit, die über USB mit Strom versorgt wird:
- 2 Anchor-Motes: Diese Einheiten sind an festgelegten Positionen innerhalb des Columbus-Moduls befestigt. Mit ihnen werden Ranging-Messungen und Analysedaten zur Verfügung gestellt.
- 1 Energy Harvesting-Mote: Diese mobile Einheit beinhaltet Solarzellen und untersucht die Möglichkeit Energie aus den internen Lichtquellen des Columbus-Moduls zu gewinnen, um damit elektronische Komponenten zu versorgen.
- 1 Comm-Module sowie SmartShirt mit integrierten Sensoren: Das Smartshirt wird für die BCG-Messung eingesetzt und es ist mit dem Comm-Modul verbunden, das die Daten zum Netzwerk weiterleitet.
- 1 Base Station: Sie ist die Zentraleinheit, die mehrere Aufgaben übernimmt: Netzwerkverwaltung, Sammlung angefallener Daten und Speicherung dieser auf eine SD Karte. So werden die wissenschaftlichen Daten zum Bodensegment übertragen. Die Base Station wird über ein USB Kabel permanent mit Strom versorgt.
Das Experiment besteht aus 2 Betriebsmodi, in denen verschiedene Teilaspekte untersucht werden:
- Normal Mode: Im Normal Mode werden Ranging sowie energy Harvesting Analysedaten erzeugt und kontinuierlich zur Base Station gesendet.
- BCG Mode: Im BCG Mode findet eine BCG Session statt, in der eine Ballistokardiographie-Messung am Astronauten vorgenommen wird. Diese dauert in der Regel 10min.
Weshalb die ISS?
Die ISS wurde speziell als Testumgebung ausgewählt, um die Fähigkeiten eines WSN für zukünftige und Post-ISS-Aktivitäten zu demonstrieren. Die Auswertung des Experiments wird dazu beitragen, mögliche Anwendungen der Technologie für unbemannte und bemannte Raumflüge zu analysieren und Hindernisse und Einschränkungen für den Betrieb in sehr spezifischen Umgebungen abzuleiten, die mit den ISS-Modulen vergleichbar sind. Dazu gehören auch Satelliten, die im Institut für Raumfahrtsysteme entwickelt werden und von dieser drahtlosen Technologie profitieren werden.
Es werden neue, innovative Technologien für die Überwachung kritischer Gesundheitsparameter eines Astronauten ermöglicht und ein neues Konzept für die Navigation frei fliegender Objekte mit einer Auflösung von weniger als 10 cm in einer geschlossenen Mikrogravitationsumgebung evaluiert. Darüber hinaus bietet die permanente Mikro-G-Umgebung für das BEAT-Teilexperiment eine perfekte Voraussetzung für Ballistokardiographie-Messungen. Die direkte Integration in ein Smart-Shirt zeigt die Möglichkeit, BCG zur ganzheitlichen Gesundheitsüberwachung von Astronauten im Alltag einzusetzen. Der erstmalige Einsatz dieser MEMS-Technologie auf der ISS bietet somit die perfekte Umgebung, um unter sehr harschen Bedingungen diese Technologien zu testen und zu demonstrieren, um daraus dann später einen Technologietransfer auch in andere Bereiche abzuleiten.
Mission | Teil der Cosmic Kiss – Matthias Maurer – Mission |
WICO Betriebszeitraum (ISS) | Jan 22 – Juli 2022 |
Launch | Dec 2021, SpX-24 |
Rückkehr | Voraussichtlich SpX, Dragon |
Wissenschaftliche Begleiter | M. Drobczyk, C. Strowik, A. Lübken |
Unterstützt durch | DLR Raumfahrtmanagement |
USOC | EAC-DLR |
Kooperationspartner | DSI Aerospace Technologie GmbH (BEAT) Universität Bielefeld (medizinische Expertise für BEAT) Hohenstein Laboratories GmbH & Co. KG (SmartTex) |
Zukünftige Anwendungen
Das praktische BEAT-Experiment wird auch sehr wichtige physiologische Daten über die kardiovaskulären Parameter des Menschen und seine Veränderung während eines langen Zeitraums in Null-g erfassen. Somit sind die gesammelten Daten von hohem Interesse, z.B. für weitere wissenschaftliche Untersuchungen vor Ort, für zukünftige Gesundheitsüberwachungssysteme im Weltraum und einen möglichen Technologietransfer in terrestrischen Anwendungen. Denn die ballistokardiographische Messung ist nicht nur im medizinischen oder sport-medizinischen Bereich interessant, sondern darüber hinaus in dieser Form auch als ein stetiger Wegbegleiter im Rahmen von Fitnessarmbändern und Uhren einsetzbar und somit massentauglich, um wichtige Herzparameter auch bei gesunden Menschen zu jeder Zeit überwachen und abrufen zu können. Durch den Einsatz vielversprechender Algorithmen können dabei Sensoren eingesetzt werden, die das Produkt für den Endanwender günstig machen und als Wearables nutzbar wären.
Zudem ist aber auch die Kombination mit einem Smartshirt im medizinischen sowie sport-medizinischen Bereich interessant, da diese genauere Daten liefert, um wichtige Vitalfuntionen zu überwachen, die normalerweise nur mit teuren Geräten oder Messungen wie z.B. einer Computertomographie möglich wären. Auch ist das einzusetzende Netzwerk, das auf Ultrawideband basiert und Lokalisation von Objekten ermöglicht, auch überall dort einsetzbar, wo keine oder gestörte GPS-Signale empfangen werden, wie z.B. in großen Lagerhallen, Untertagebau und anderen relevanten Indoor-Anwendungen, so dass auch hier großes Potential zum Technologietransfer, nicht nur in der Raumfahrt, besteht.
Referierte Publikationen:
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