Missionskonzept
Hochauflösendes Radar
Die systematische Untersuchung global wirkender dynamischer Prozesse auf der Erdoberfläche erfordert einen Sensor, der in kurzen zeitlichen Abständen zuverlässig die gesamte Erde in ausreichender Qualität und Auflösung abbilden kann. Derzeit ist Radar mit synthetischer Apertur die einzige Sensortechnologie, die die großflächige Aufnahme von hochaufgelösten Bilddaten bei Tag und Nacht sowie unabhängig von den Wetterbedingungen ermöglicht. Die Wetterunabhängigkeit ist beispielsweise für die Beobachtung der tropischen Regenwälder, die sehr häufig von dichten Wolken bedeckt sind, von fundamentaler Bedeutung. Für die Erzeugung vieler höherwertiger Informationsprodukte ist es erforderlich, dass die Bildaufnahme mit einem phasenkohärenten und hochauflösenden Radarsystem erfolgt. Erst durch die kohärente Verknüpfung von komplexen Radarbildern können Waldhöhen und deren vertikale Struktur ohne Lücken global vermessen, Deformationen der Erdoberfläche mit einer Genauigkeit im Millimeterbereich großflächig beobachtet und langsame Gletscherbewegungen und deren jahreszeitliche Schwankungen systematisch erfasst werden.
Warum L-Band ?
Die Auswahl der Frequenz beeinflusst maßgeblich die Radarabbildung und den damit verbundenen Informationsgewinn. Mehrere nationale und internationale Veröffentlichungen sowie Studien mit maßgeblicher Beteiligung von deutschen Wissenschaftlern belegen, dass der Frequenzbereich im L-Band das größte Potenzial für wissenschaftliche Anwendungen im Bereich Erde und Umwelt aufweist. L-Band entspricht einer Wellenlänge von 24 cm und zeichnet sich im Gegensatz zum kurzwelligen C- und X-Band (5.6 und 3.1 cm Wellenlänge) durch eine hohe Eindringtiefe bei Volumenstreuern wie Vegetation, Eis, trockenem Boden und Sand aus. Erst durch die Verwendung langwelliger L-Band-Signale ist es möglich, dichte Vegetation bis zum Boden zu durchdringen und damit deren vertikale Struktur zu vermessen. Ein weiterer essentieller Vorteil der Verwendung von langwelligen Radarsignalen ist die stark verbesserte zeitliche Kohärenz für die Messung von Erd-Deformationen und Gletscherbewegungen. Damit erlaubt Tandem-L globale Bewegungsmessungen der Erdoberfläche in cm- bis mm-Genauigkeit über sehr lange Zeiträume hinweg.
Einpass-Interferometrie mit Formation aus zwei Satelliten
Die dreidimensionale Abbildung der Erdoberfläche und die tomographische Erfassung von 3D-Strukturen erfordert die simultane Bildaufnahme aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln. Der optimale Abstand zwischen den Aufnahmepositionen variiert dabei von ca. 1 km bis über 10 km. Eine variable Basislinie in dieser Größenordnung wird am besten von einem Paar in enger Formation fliegenden Radarsatelliten bereitgestellt. Eine Tandem-Formation ist nicht nur Grundvoraussetzung für die globale Messung von Waldhöhen und vertikalen Strukturprofilen, sondern sie bildet auch die Basis für eine Vielzahl weiterer innovativer Anwendungen, wie z.B.
- Erstellung von digitalen Höhenmodellen sowohl mit als auch ohne Einfluss der Vegetation.
- Beobachtung von dreidimensionalen Eisstrukturen und deren raumzeitliche Veränderung.
- Messung von Meeresströmungen und Wellenhöhen.
- Erkennung von Boden- und Hanginstabilitäten.
- Beobachtung von Feuchtgebieten und Wasserstandmessungen unter der Vegetation.
- Bestimmung von Meereisdicken.
- Überwachung von Deichen.
- Erkennung von Waldschäden.
- Beobachtung von morphologischen Veränderungen in auftauenden Permafrostgebieten.
- etc.
SAR Instrument
Eine besondere Herausforderung für die Tandem-L-Mission ist die Entwicklung von zwei leistungsfähigen und zugleich kostengünstigen SAR-Satelliten, mit denen die hohen Nutzer-anforderungen erfüllt werden können. Hierzu wird neben dem innovativen Missionskonzept eine neue Technologie für die SAR-Instrumente benötigt, um der Forderung nach großer Streifenbreite, kurzer Wiederholrate, hoher Auflösung und vollpolarimetrischem Betrieb gerecht zu werden. Die entscheidende Innovation liegt bei Tandem-L in der Verwendung einer großen, entfaltbaren Reflektorantenne, die von einem Feed-Array mit mehreren parallelen Digitalkanälen angesteuert wird. Diese technologische Revolution kombiniert die Vorteile der digitalen Strahlformung (Digital Beamforming) mit der hohen Empfindlichkeit einer im Vergleich zu herkömmlichen SAR-Instrumenten riesigen Aperturfläche, wie sie durch den entfaltbaren Reflektor zur Verfügung gestellt wird. Die digitale Antennensynthese mit der Technologie des Digital Beamforming steigert die Flexibilität in der Radarabbildung enorm und ermöglicht äußerst leistungsfähige Betriebsmodi, die optimal an die unterschiedlichen Anforderungen des 3D-Strukturmodus sowie des Deformationsmodus angepasst werden können. Beispielsweise ermöglicht der Einsatz neuester SAR-Betriebsmoden, bei denen die Bilder mit variabler Pulswiederholrate und mehreren Antennenkeulen parallel aufgenommen werden, die Abbildung extrem breiter Streifen in einer bisher unerreichten Auflösung, ohne dass eine Verschlechterung bei anderen Abbildungsparametern in Kauf genommen werden muss. Bei konventionellen Radarsystemen verschlechtert sich hingegen die Auflösung proportional zur Erhöhung der Streifenbreite (oder umgekehrt verkleinert sich die Streifenbreite bei einer Verbesserung der Auflösung). Die Nutzung des großen Reflektors steigert darüber hinaus die Empfindlichkeit und ermöglicht somit eine erhebliche Reduktion der Sendeleistung. Hierdurch können die SAR-Instrumente quasikontinuierlich betrieben werden.
Aufnahmekonzept
Das Missionskonzept sieht den Betrieb in zwei komplementären Aufnahmemodi vor. Im Deformationsmodus wird ein bis zu 350 km breiter Streifen mit einer festen Sendepolarisation aufgenommen. Im 3D-Strukturmodus sind beide Satelliten durch den Formationsflug senkrecht zur Blickrichtung versetzt, so dass sich die notwendigen interferometrischen Basislinien zur vertikalen Strukturmessung ergeben. Der vollpolarimetrische Betrieb begrenzt die Streifenbreite im hochauflösenden Modus aufgrund von Beschränkungen in der internen Datenrate auf ca. 180 km. Für flächendeckende 3D-Strukturmessungen am Äquator ergibt sich hierdurch eine minimal mögliche Wiederholrate von 16 Tagen, in höheren Breiten verkürzt sich der Abstand zwischen den Aufnahmen entsprechend.