Forschungsthema

Lastanalysen

Die Ermittlung sämtlicher auf die Flugzeugstruktur wirkender Lasten ist eine der Hauptaufgaben beim Entwurfs- und Zulassungsprozesses eines Flugzeuges. Unter dem Begriff Lasten werden sämtliche stationäre und instationäre, interne und externe Kräfte und Momente, die an der Flugzeugstruktur mechanische Arbeit verrichten, zusammengefasst.

Lasten haben einen multidisziplinären Charakter, sie entstehen durch die Wechselwirkung unterschiedlicher Disziplinen. Neben der Aerodynamik und der Strukturdynamik sind insbesondere die Flugmechanik und die Flugregelung zu nennen. Lasten entstehen bei stationären und instationären Flugzuständen ebenso wie bei der Landung (Landestoß) und bei Fahrmanövern des Flugzeuges auf dem Boden. Über den Lebenszyklus eines Flugzeuges entstehen Ermüdungslasten (fatigue loads) durch turbulente Störgeschwindigkeiten in der Atmosphäre, die ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Die Kenntnis der Lasten ist essentiell für die Dimensionierung der Flugzeugstruktur im Entwurfsprozess. Aufgrund der wechselseitigen Abhängigkeiten ist die Lastanalyse nicht nur für sich allein, sondern vielmehr in Verbindung mit dem strukturellen Entwurf eines Flugzeuges zu sehen.

Im Institut werden mathematische und physikalische Modelle und Methoden zur Flugdynamiksimulation und Lastanalyse von Flugzeugen sowohl angewendet als auch weiterentwickelt.

Der Lastenprozess

Das DLR ist an einer Vielzahl von Entwurfsaktivitäten in nationalen und internationalen Projekten in Zusammenarbeit mit DLR-internen und externen Partnern beteiligt. Zum einen müssen für existierende als auch für neue Flugzeugkonfigurationen umfangreiche Lastenberechnungen zum Zweck der strukturellen Dimensionierung, zur Bewertung der Flugleistungen und für Validierungszwecke durchgeführt werden. Zum anderen werden vom DLR Forschungsflugzeuge verschiedener Kategorien betrieben. Die Forschung mit diesen Versuchsträgern erfordert bisweilen größere Modifikationen an den Flugzeugen, die häufig durch neue Zulassungen abgedeckt werden müssen. Der im DLR definierte Lastenprozess kann in die drei Phasen Definition der Lastfälle, Lastanalyse, sowie Postprocessing der Lasten unterteilt werden. Die aktuellen und zukünftigen Entwicklungen im Institut zielen darauf hin ab, den Lastenprozess umfänglich zu erweitern. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, auch für neuartige und komplexe Konfigurationen sowie aerodynamische und strukturelle Nichtlinearitäten Lasten in allen Bereichen der Flugenveloppe mit vorgegebener Genauigkeit und Rechenzeit zu ermitteln.

Die Schritte des DLR-Lastenprozesses

Methoden für die Flugdynamiksimulation und Lastanalyse

Für die Analyse von Manöver- und Böenlasten kommen lineare und nichtlineare Verfahren zum Einsatz. Den Kern bilden Analysen mit linearen Strukturmodellen und Potentialverfahren, wie dem Vortex-Lattice- (VLM) Verfahren für stationäre und quasi-stationäre sowie dem Doublet-Lattice- (DLM) Verfahren für instationäre Aerodynamik. Durch die Verfügbarkeit von HPC wird eine Vielzahl von Manöver- als auch Böenlastanalysen mit CFD-Verfahren stationär sowie im Zeit- und Frequenzbereich durchgeführt, was eine umfassende Berücksichtigung von nichtlinearen aerodynamischen Effekten (Strömungsablösungen, Stoß-Grenzschicht-Interaktion), wie sie in transsonischen Flugbereichen auftreten, ermöglicht. Auf Strukturseite werden detaillierte als auch reduzierte Finite-Elemente-Modelle in physikalischer (Massen- und Steifigkeitsmatrizen) sowie modaler Form verwendet. Zur Berechnung von Landelasten kommen Mehrkörper-Simulationsmethoden zum Einsatz. Des Weiteren werden (geometrisch) nichtlineare Methoden zur dynamischen Strukturmodellierung entwickelt und eingesetzt, um Flugzeugkonfigurationen und Windkanalmodelle mit großen Deformationen zu simulieren.

Manöver- und Böenlastabminderung

Lastabminderung (Biegemoment) durch Umverteilung des Auftriebs in einem 2.5 g Manöver

Zur Abminderung statischer und dynamischer Lasten während des Fluges und damit zur Reduktion derjenigen Lasten, die für die strukturelle Optimierung berücksichtigt werden, werden Technologien zur aktiven und passiven Lastreduktion angewendet. Statische (MLA) und dynamische (GLA) Lastreduktionen werden durch Lastumverteilung am Flügel, realisiert durch Steuerflächenausschläge in Verbindung mit entsprechenden Regelgesetzen, ermöglicht. Die Simulationsmethoden des Instituts werden hierbei zum Aufbau von hochgenauen Modellen des aeroelastischen Systems zum Zweck der Bewertung und zur Auslegung von Reglern genutzt.

Lastanalysen für hochflexible Flugzeuge mit großen Deformationen

Nichtlinearitäten auf struktureller Seite spielen eine zunehmende Rolle nicht nur in der Lastanalyse, sondern bereits im Entwurf von Flugzeugen und besonders bei Konfigurationen mit hohen Streckungen. Große Deformationen können einerseits als Ergebnis der Strukturoptimierung, beispielsweise aufgrund von hohen Dehnungen (strain allowables) bei Faserverbundwerkstoffen auftreten, oder gewollt, z. B. zur passiven Lastabminderung, in den Entwurf des Flugzeuges eingebracht werden. Die Lastanalyse kann geometrische Nichtlinearitäten nur bei Verwendung geeigneter aerodynamischer und strukturdynamischer Methoden korrekt berücksichtigen. Aerodynamische Lasten können auch bei großen Deformationen geometrisch exakt mithilfe von VLM- und CFD-Verfahren berechnet werden. Auf struktureller Seite werden zur flugdynamischen Simulation des freifliegenden Flugzeuges mit großen Deformationen sowohl kommerzielle Programme in Lagrangian-Formulierung als auch nichtlineare modale Verfahren (erweiterter Modalansatz) eingesetzt.

Deformationen eines hochflexiblen strukturdynamischen Modells eines Langstrecken-Transportflugzeuges bei verschiedenen Lastvielfachen

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Wolf-Reiner Krüger

Leitung Lastanalyse und Entwurf
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Aeroelastik
Bunsenstr. 10, 37073 Göttingen