17. Januar 2024

Vorentwurfsbewertung der aeroelastischen Stabilität von Flugzeugflügeln mit hohem Streckungsverhältnis

Elastischer Eigenmode der FEM der vollständigen Flugzeugkonfiguration

Ein Konzept zur Reduzierung des Treibstoffverbrauchs eines Flugzeuges ist die Erhöhung der Flügelstreckung, d. h. das Verhältnis von Spannweite zu Flügeltiefe. Obwohl schlanke (hoch gestreckte) Flügel einen geringen induzierten Luftwiderstand aufweisen, ergeben sich eine Reihe von aeroelastischen Fragestellungen. Zum Beispiel sind Flügel mit hohem Streckungsverhältnis im Vergleich zu konventionellen Konstruktionen relativ weich in Bezug auf Biegung und Torsion. Diese strukturdynamischen Eigenschaften können zu einer Verringerung der Flattergeschwindigkeit führen, also der Fluggeschwindigkeit, bei der das Flugzeug aeroelastisch instabil wird. Flattern ist ein aeroelastisches Phänomen, bei dem die Wechselwirkungen zwischen den Schwingungen einer Flugzeugstruktur und der sie umgebenden Luftströmung instabil werden können, was schließlich zum dynamischen Versagen der Struktur führen kann.

Aeroelastische Stabilitätsbewertung in einer frühen Entwurfsphase

Die aeroelastische Stabilität ist ein wichtiger Faktor, der den Einsatzbereich eines Flugzeuges einschränken kann. Deshalb ist es wichtig, die Flatterstabilität bereits in einem frühen Entwurfsstadium zu analysieren, um komplexe Designänderungen in einer späteren Entwurfsphase zu vermeiden.

Das Institut für Aeroelastik beteiligt sich derzeit an dem Projekt UP Wing (Ultra Performant Wing) im Rahmen des EU-Förderprogramms Clean Aviation. Der Artikel „Neue Flügelkonzepte für Transportflugzeuge - weniger CO2 durch höhere Streckung“ gibt einen Überblick über das Projekt. Die ursprüngliche Flugzeugkonfiguration im UP Wing Projekt ist die DLR F25 Konfiguration, die im Lufo VI Projekt VirEnfREI entwickelt wurde. In der Vorentwurfsphase von UP Wing werden Tragflächen mit unterschiedlichen Streckungsverhältnissen entworfen. Die Entwürfe werden dann im Hinblick auf ihre Eigenschaften wie Flügelmasse und Luftwiderstand verglichen. Das Institut für Aeroelastik ist für die aeroelastische Bewertung im Vorentwurf verantwortlich. Ein ziviles Verkehrsflugzeug mit einem Flügel hoher Streckung kann in diesem Zusammenhang als eine unkonventionelle Konfiguration angesehen werden, da für diese nur begrenzte Informationen und unzureichendes Erfahrungswissen zur Bewertung der aeroelastischen Stabilität während des Vorentwurfs verfügbar sind. In UP Wing wird das vom Institut für Aeroelastik entwickelte automatisierte aeroelastische Strukturentwurfs- und Analysewerkzeug cpacs-MONA [1] für die Flatterbewertung im Vorentwurf verwendet. In einem ersten Schritt extrahiert cpacs-MONA die Informationen über das Flugzeug, wie z.B. die Topologie der Flügelstruktur und die Triebwerksmassen aus einem CPACS-Datensatz. CPACS steht für 'Common Parametric Aircraft Configuration Schema' und wurde vom DLR [2] entwickelt, um große kollaborative Entwurfs-Workflows zu ermöglichen. In einem zweiten Schritt werden mit dem hauseigenen Modellgenerator ModGen [3], der Teil des MONA-Prozesses ist, parametrische Finite-Elemente-Modelle erstellt, die anschließend in einer umfangreichen Lastanalyse des flexiblen Flugzeugs und zur Strukturoptimierung der tragenden Flügelstrukturen benutzt werden. Am Ende des Prozesses wird ein Flattercheck in der zu berücksichtigenden Flugenveloppe für die jeweiligen vordefinierten Flugzeugmassenfälle und Flughöhen durchgeführt.

Auswirkung verschiedener Strukturentwürfe der Flügel auf die aeroelastische Stabilität im Vorentwurf

Die VirEnfREI-Konfiguration und die initiale UP Wing-Konfiguration sind nahezu identisch mit einer gleichen Flügelstreckung von mehr als 15, der gleichen Verwindungsverteilung des Hauptflügels und einer vergleichbaren relativen Profildickenverteilung entlang der Spannweite. Sie unterscheiden sich jedoch in den Tragflächenprofilen. Daraus ergeben sich unterschiedliche innere Strukturen der Flügel, die sich zum Beispiel in der Höhe der Holme zeigen. Die Abbildung (unter dem Absatz) stellt die unterschiedlichen Holmhöhen dieser beiden Flugzeuge über der relativen Spannweitenkoordinate eta dar. Aufgrund der unterschiedlichen Tragflächenprofile ist der vordere Holm der UP Wing-Konfiguration im Innenflügel höher und im Außenflügel etwas niedriger als bei der ursprünglichen VirEnfREI-Konfiguration, während der hintere Holm über die gesamte Spannweite bis zu 17% höher ist. Dieser Unterschied hat unter anderem einen erheblichen Einfluss auf die globale strukturelle Steifigkeit des Flügels.

Relative Holmhöhen über der relativen Spannweite der UP Wing Konfiguration im Vergleich zum VirEnfREI Flügel

Beide Flügelentwürfe werden in den jeweiligen Projekten noch weiterentwickelt. Ein erster Blick auf die Flattereigenschaften der beiden Konfigurationen und ein Vergleich der relevanten strukturellen Eigenschaften ist jedoch wertvoll. So ist beispielsweise die Flattergeschwindigkeit der UP Wing-Konfiguration höher als die des VirEnfREI-Flugzeugs. Die vorherrschenden strukturellen Eigenformen für beide Konfigurationen sind das Triebwerks-Nicken (siehe Abbildung oben), gekoppelt mit den Eigenformen der Flügelbiegung und der Flügel-Torsion.

Einer der möglichen Gründe für die höhere Flattergeschwindigkeit der UP Wing-Konfiguration ist der oben beschriebene Unterschied in der inneren Struktur des Hauptflügels. Der höhere hintere Holm führt bei der UP Wing-Konfiguration zu einem steiferen Flügel in Biegung und Torsion. Folglich koppeln die Torsions- und Biegeeigenformen des weicheren VirEnfREI-Flügels bei einer geringeren Fluggeschwindigkeit mit der Triebwerkseigenform, was zu einer geringeren Flattergeschwindigkeit der VirEnfREI-Konfiguration führt.

Simulationsgestützte Bewertung der aeroelastischen Stabilität im Vorentwurf

Wie oben gezeigt, ermöglicht das simulationsbasierte Tool cpacs-MONA des Instituts für Aeroelastik, bereits in einem frühen Stadium des Flugzeugentwurfsprozesses Erkenntnisse über die Auswirkungen der aerodynamischen Form und der inneren Struktur des Hauptflügels auf das aeroelastische Verhalten des Flugzeugs zu gewinnen. Insbesondere für die Bewertung der aeroelastischen Eigenschaften von Flugzeugen mit einem hohen Streckungsverhältnis haben die Analysen gezeigt, wie wichtig die Kopplung der Triebwerksschwingungen mit den Flügel-Eigenformen ist. Diese Erkenntnis ermöglicht es, wichtige Flügelkomponenten so zu modifizieren, dass ein kritisches Flatterverhalten bereits in der frühen Konzeptphase ausgeschlossen werden kann.

Literatur

  1. M. Schulze, J. Neumann, und T. Klimmek, “Parametric Modeling of a Long-Range Aircraft under Consideration of Engine-Wing Integration” in Aerospace, 8 (1), Seiten 1-20. Multidisciplinary Digital Publishing Institute (MDPI). ISSN 2226-4310, 2021.
  2. M. Alder, E. Moerland, J. Jepsen und B. Nagel, "Recent Advances in Establishing a Common Language for Aircraft Design with CPACS" in Aerospace Europe Conference, Bordeaux, France, 25. - 28. Feb. 2020.
  3. T. Klimmek, "Parametrization of Topology and Geometry for the Multidisciplinary Optimization of Wing Structures" in European Air and Space Conference, 2009.

Acknowledgement

The project Ultra Performance Wing (UP Wing, project number: 101101974) is supported by the Clean Aviation Joint Undertaking and its members.

Disclaimer

Co-Funded by the European Union. Views and opinions expressed are however those of the author(s) only and do not necessarily reflect those of the European Union or Clean Aviation Joint Undertaking. Neither the European Union nor the granting authority can be held responsible for them.

Credit:

EU

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Clean Aviation

Autoren:

Sunpeth Cumnuantip und Matthias Schulze, Abteilung Lastanalyse und Entwurf, DLR-Institut für Aeroelastik

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Wolf-Reiner Krüger

Leitung Lastanalyse und Entwurf
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Aeroelastik
Bunsenstr. 10, 37073 Göttingen