12. Januar 2023

Stabilitätsanalyse für Windenergieanlagen - Wie steigern wir das Vertrauen?

Aeroelastisches Simulationsmodell einer Windkraftanalge

Windenergieanlagen zählen bereits heute zu den größten von Menschen gemachten Objekten. Es ist offensichtlich, dass Interaktionen zwischen der elastischen Struktur und der umgebenden Luft auftreten. Wegen des anhaltenden Trends zu größeren Rotordurchmessern, die mit schlankeren und flexibleren Rotorblättern einhergehen, ist davon auszugehen, dass solche Interaktionen zunehmen und damit Schwingungen wahrscheinlicher werden und im Extremfall das Risiko aeroelastischer Instabilitäten steigt. Bei der Auslegung der Anlagen und bei der Bewertung des Schwingungsverhaltens sind Simulationen ein unverzichtbares Werkzeug. Es liegt auf der Hand, dass die Robustheit und der sichere Betrieb zukünftiger Anlagengenerationen ein hohes Maß an Vertrauen in die Simulationsmodelle erfordert.

Unscharfe Repräsentation der Wirklichkeit

Simulationen bedienen sich numerischer Modelle der Realität, denen vereinfachende Annahmen zugrunde liegen. Dadurch gelingt es, die komplexe Wirklichkeit auf ein handhabbares mathematisches Gebilde zu übertragen. Diese Annahmen betreffen in den Ingenieurwissenschaften im Wesentlichen die physikalischen Gesetzmäßigkeiten. Jedoch sind auch die Parameter solcher Modelle für gewöhnlich nicht so leicht zu greifen, wie es im Modell den Anschein haben mag. Durch Abweichungen in der Fertigung, durch Ungenauigkeiten in Messungen und infolge normaler Abnutzung können strukturellen und aerodynamischen Eigenschaften der Anlage in der Praxis keine einzelnen deterministischen Werte zugeordnet werden. Es müssen vielmehr Verteilungen möglicher Werte angenommen werden. Mit Hilfe statistischer Verfahren ist es möglich, die Auswirkungen solcher Parameterunschärfen auf das Ergebnis zu bestimmen.

Exemplarische Visualisierung der Vorteile einer Simulation mit Unsicherheitsbetrachtung (rechts) gegenüber einer standardmäßigen deterministischen Simulation (links)

Einbindung von Unschärfen in aeroelastische Simulationen

Im Projekt QuexUS hat sich das DLR-Institut für Aeroelastik gemeinsam mit dem Institut für Windenergiesysteme der Leibniz Universität Hannover und dem Anlagenhersteller Nordex der Frage gewidmet, wie sich Parameterunsicherheiten bei der Bewertung von Anlagenschwingungen berücksichtigen lassen. Dabei ist ein Framework entstanden, dass die Brücke zwischen Unsicherheitsanalyse und Simulationswerkzeugen schlägt und dadurch die Unsicherheitsanalyse für Modelle mit relevanter Komplexität und entsprechendem Rechenaufwand möglich macht. Kernkomponenten des Frameworks sind das Pre- und Postprocessing, mit dem unsichere Parameter aus spannweitigen Verteilungen auf Modellinputs abgebildet und mit dem Schwingungsmerkmale aus Zeitbereichsergebnissen extrahiert werden. Exemplarisch wurden Parameterstreuungen der Rotorblattstruktur und ihre Auswirkung auf die Dämpfung kritischer Schwingungen in verschiedenen Simulationswerkzeugen mit einem präparierten Anlagenmodell untersucht.

Das wtuq-Framework stellt die Verbindung zwischen Unsicherheitsanalysen und aeroelastischen Simulationen von Windenergieanlagen her
Parameter der Rotorblattstruktur mit Streuung (links). Isolierte Auswirkung dieser Unsicherheiten auf das Simulationsergebnis (Dämpfung, rechts)

Ausblick

Das Framework wtuq wurde als Open-Source-Software veröffentlicht und kann von anderen Wissenschaftlern genutzt und weiterentwickelt werden. Es wird am DLR in zukünftigen Forschungsprojekten für weitere Analysen eingesetzt und dafür entsprechend ausgebaut. Daten für den Bezug zur Realität wird dann der Forschungspark Windenergie (WiValdi) liefern, in dem mehrere Tausend Sensoren für eine einzigartige Forschungsinfrastruktur sorgen.

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Credit:

BMWK

Autor

Hendrik Verdonck, Abteilung Aeroelastische Simulation, DLR-Institut für Aeroelastik

Kontakt

Prof. Dr. Holger Hennings

Leitung Aeroelastische Simulation
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Aeroelastik
Bunsenstraße 10, 37073 Göttingen