Flattern ist eine dynamische aeroelastische Instabilität, die durch die Wechselwirkung von instationären aerodynamischen Kräften mit elastischen Schwingungen einer Struktur verursacht wird. Bei der so genannten kritischen Flattergeschwindigkeit geht das Dämpfungsmaß einer Eigenschwingung des aeroelastischen Systems gegen Null. Wenn die Strömungsgeschwindigkeit über diesen kritischen Punkt hinaus erhöht wird, wird das Dämpfungsmaß negativ und selbst kleinste Störungen (z.B. Turbulenzen) führen zu angefachten Schwingungen und zum mechanischen Versagen der Struktur.
Whirlflattern
Whirlflattern ist ein aeroelastisches Phänomen, welches bei Flugzeugen mit Propellerantrieb auftreten kann. Beim Whirlflattern müssen die gyroskopischen Effekte des sich drehenden Propellers und seine aerodynamischen Kräfte berücksichtigt werden. Das potenzielle Auftreten von Whirlflattern muss auch bei der Entwicklung von Flugzeugen mit Kipprotoren untersucht werden. Das sind senkrecht startende und landende Luftfahrzeuge (VTOL), bei denen Rotoren mit kardanischem Gelenk, sowie kollektiver und zyklischer Rotorblattverstellung an den Flügelspitzen installiert sind.
Um das Problem des Whirlflatterns (bei Propellern und Rotoren) besser verstehen und damit einhergehende Risiken reduzieren zu können, führen Ingenieure Windkanalversuche durch. Dabei werden neue Designs erprobt, Testmethoden verbessert und Simulationsmodelle validiert. Die Online-Überwachung von Modalparametern - wie z.B. Eigenfrequenzen und Dämpfungsmaßen - ist ein wichtiges Hilfsmittel für die Entscheidungsfindung bzgl. der sicheren Fortführung eines Versuchs bzw. dessen Abbruch.
ATTILA-Projekt
Das Projekt ATTILA (Advanced Testbed for TILtrotor Aeroelastics) konzentrierte sich auf die Entwicklung, den Bau und die experimentelle Erprobung eines Versuchsaufbaus für aeroelastische Windkanalexperimente an Tiltrotor-Flugzeugen. Das Kernstück des Projekts war ein speziell entwickeltes Windkanalmodell: ein instrumentierter, aeroelastisch skalierter Halbflügel mit einem angetriebenen Rotor (siehe Abbildung 1).
Der multidisziplinäre Charakter dieses Projekts erforderte ein Konsortium mit unterschiedlichem Fachwissen, das vom Modelldesign und den Steuerungssystemen bis hin zum Windkanalbetrieb, den Simulationen, der Modellanpassung und der Stabilitätsüberwachung reichte. Das Projektkonsortium bestand aus dem Royal Netherlands Aerospace Centre (NLR), den Deutsch-Niederländischen Windkanälen (DNW), der Polytechnischen Universität Mailand (POLIMI), Leonardo Helicopters (LHD) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Dieser Artikel gibt einen Überblick über ein Online-Überwachungssystem zur Analyse von Whirlflattern im Rahmen des ATTILA-Projekts, welches Teil des Fast Rotorcraft IADP im Rahmen des europäischen Clean-Sky 2-Programms ist (https://www.attila-project.eu/).
Instrumentierung und Standschwingungsversuche
Für eine genaue Online-Stabilitätsüberwachung müssen die Schwingungen des Versuchsaufbaus präzise gemessen werden. Daher wurde in der Entwurfsphase des Projekts eine Optimierung der Sensorpositionen durchgeführt. Das Windkanalmodell wurde mit 26 Beschleunigungssensoren im Flügel und in der Gondel instrumentiert. Ein Bild des Modells mit den Sensorpositionen ist in Abbildung 2 zu sehen. An der Flügelwurzel und an der Schnittstelle zwischen Flügel und Gondel wurden außerdem Belastungswaagen eingesetzt, um die im Aufbau wirkenden Schnittlasten zu überwachen. Dabei war es besonders wichtig, sowohl die dynamische Stabilität als auch den Lastsicherheitsfaktor permanent zu überwachen, um dadurch das Modell an zunehmend kritischen Testpunkten sicher betreiben zu können.
Abbildung 2: ATTILA Windkanalmodell
Positionen der Beschleunigungssensoren und deren Messrichtungen
Vor den Windkanalversuchen wurde ein Standschwingungsversuch (GVT) durchgeführt, um die dynamischen Eigenschaften des Versuchsaufbaus - wie Eigenfrequenzen, Dämpfungsmaße und Eigenschwingungsformen - zu bestimmen. Durch den GVT wurde sichergestellt, dass die dynamischen Eigenschaften des Modells den Konstruktionsspezifikationen entsprachen, bevor es aerodynamischen Belastungen ausgesetzt wurde. Eine kritische Komponente zur Anpassung der Steifigkeit des Versuchsaufbaus - der Downstop - erwies sich als weniger effektiv als erwartet. Folglich musste die Konstruktion vor dem Start der Windkanalversuche noch einmal geändert werden. Im Rahmen des GVT wurden zudem erhebliche Nichtlinearitäten des Systems aufgezeigt, die sich auf die Messungen der dynamischen Antwort auswirken. Ein Bild des GVT ist in Abbildung 3 zu sehen, und die ersten vier Eigenschwingungsformen des Versuchsaufbaus sind in Abbildung 4 zu sehen.
Online-Überwachungssystem (OLM) und Windkanalversuche
Der Zweck des Online-Überwachungssystems OLM ist die Identifizierung und Verfolgung der Änderung von modalen Parametern während des Windkanalbetriebs. Wenn der Rotor sich im Strömungsfeld dreht, interagieren die Schwingungen der elastischen Struktur mit den aerodynamischen Kräften - das Ergebnis ist ein aeroelastisches System. Da es nicht möglich ist, die aerodynamischen Kräfte direkt zu messen, wird die operationelle Modalanalyse OMA verwendet, um die modalen Parameter mit Hilfe der gemessenen Schwingungen des Versuchsaufbaus zu identifizieren. Durch die genaue Identifikation und Verfolgung der Änderungen dieser modalen Parameter in Echtzeit können Trends beobachtet und die Stabilitätsreserven (d.h. der Abstand zur kritischen Flattergeschwindigkeit) des Systems bestimmt werden. Wenn ein Dämpfungsmaß mit zunehmender Strömungsgeschwindigkeit gegen Null strebt, nähert sich der Versuchsaufbau der Stabilitätsgrenze. Ist dieser Punkt erreicht, können geringfügige Erhöhungen der Strömungsgeschwindigkeit zu einem schnellen Anstieg der Schwingungsamplituden und einem katastrophalen Versagen des Modells führen. Während der Windkanalversuche überwachte ein Team von Ingenieuren des DLR die modalen Parameter des Versuchsaufbaus, wie in Abbildung 5 zu sehen ist. Das OLM-System war in der Lage, kritische Trends zum Whirlflattern während der Windkanalversuche zuverlässig zu identifizieren und zu verfolgen. Schließlich wurde das übergreifende Ziel erreicht, das Modell in mehreren Konfigurationen an der Stabilitätsgrenze mit weniger als 0,2 % Dämpfung zu betreiben.
Abbildung 5: Das OLM-Team des DLR überwacht die aeroelastische Stabilität in Echtzeit
Das ATTILA-Modell zeigte während der Windkanalversuche das Einsetzen von Whirlflattern, wobei das Steuerungs- und Antriebssystem effektiv funktionierte. Das OLM-System war in der Lage, modale Parameter in Echtzeit zu verfolgen und zu erkennen, wenn sich der Versuchsaufbau der Instabilitätsgrenze näherte. Die Simulationsmodelle sagten das Whirlflattern voraus und wurden anhand der Testdaten aktualisiert. Vergleiche der experimentellen Ergebnisse mit den Simulationsmodellen werden derzeit erstellt und werden auf kommenden Konferenzen veröffentlicht. Die Zusammenarbeit zwischen NLR, DNW, POLIMI, LHD und DLR hat zu einem erfolgreichen Ergebnis und einem sehr wertvollen Datensatz zum Whirlflattern beigetragen.
This project has received funding from the Clean Sky 2 Joint Undertaking (JU) under grant agreement No 863418. The JU receives support from the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme and the Clean Sky 2 JU members other than the Union
Autoren:
Keith Soal und Marc Böswald, Abteilung Strukturdynamik und Systemidentifikation, DLR-Institut für Aeroelastik