Lastanalyse und Entwurf
Die Abteilung "Lastanalyse und Entwurf" befasst sich mit Fragestellungen, die sich im Rahmen des Entwurfs von Flugzeugen hinsichtlich aeroelastischer Eigenschaften bzw. aeroelastischer Erfordernisse ergeben.
Realistische Lasten bei Flug und Landung spielen für die Gesamtbewertung neuer Flugzeugkonfigurationen und Antriebstechnologien eine wichtige Rolle. In der frühen Phase des Flugzeugentwurfs ist besonders eine gute Massenabschätzung von Rumpf und Flügel erforderlich. Die teils empirischen Handbuchmethoden für die Massenabschätzung von Flügel und Rumpf, die auf bisherige typische Flugzeugkonfigurationen basieren, müssen weiterentwickelt werden, um die Effekte neuartiger Konfigurationen und Technologien in ausreichendem Maße abzubilden.
Ein Flugzeuggesamtentwurf ist ein multidisziplinärer Prozess unter Berücksichtigung verschiedener Disziplinen wie Flugmission, Flugphysik, Aerodynamik, Massenverteilung, Strukturdimensionierung (Rumpf, Flügel, Steuerflächen, Fahrwerk), Antriebe, Systeme sowie weiterer relevanter Disziplinen. Für klassische Flugzeugkonfigurationen reichen Handbuchmethoden und/oder semi-/empirische Methoden in der frühen Phase des Flugzeugentwurfs aus, um die initiale Konfiguration zu entwickeln. Für neuartige Konfigurationen mit zum Beispiel hochgestreckten Flügeln oder Klappflügel sowie neuen Antriebstechnologien mit Wasserstoff, Batterie, Brennstoffzellen oder verteilten Antrieben bieten diese klassischen Methoden keine ausreichenden Detailgenauigkeit mehr, um die entscheidenden Aspekte moderner Flugzeugkonfigurationen abzubilden. Im Rahmen des Projekts EXACT ([1], [2]) wurde ein Prozess für den Flugzeuggesamtentwurf und -bewertung aufgebaut.
Die Konzeptlasten werden mit den Tools LOADzero und LGLOADzero berechnet. Bei LOADzero handelt es sich um ein Tool zur Berechnung der Fluglasten. Es werden für den Konzeptentwurf zulassungsrelevante Manöver- und Böenlasten herangezogen. Dazu zählen Manöver mit 2.5g und -1g in Reiseflughöhe sowie zusätzliche Lastvielfache bei Böen nach Pratt [3]. Die Auswahl der betrachteten Lastfälle orientiert sich u.a. an den Zulassungsvorschriften, z.B. CS25 [4].
Aus dem CPACS Datensatz, der die Datenbasis für die Flugzeugkonfiguration darstellt [5], werden Information über Flügelgeometrie, Rumpflänge und Massen gelesen, um ein Massenmodel sowie die Lastreferenzachsen von Flügel und Rumpf aufzubauen. In Abbildung 2 ist die vereinfachte Geometrie der Flügel und des Rumpfes beispielhaft dargestellt.
Basierend auf Massefällen, die spezifisch für den Entwurf definiert werden, wie zum Beispiel maximales Abfluggewicht, erfolgt eine Trimmanalyse zur Berechnung des Auf- und Abtriebes des Flügels und Höhenleitwerks. Die Auftriebsverteilung kann elliptisch, trapezförmig oder nach Schrenk [6], eine Kombination aus den vorherigen Verteilungen, angenommen werden. Auf Basis des Lastfallparameters werden unter Annahme eines starren Flügels lokale Beschleunigungen sowie folgend die inertialen Kräfte berechnet. Als Ergebnis werden Schnitt- und Knotenlasten entlang der Lastreferenzachsen bereitgestellt.
Mit LGLOADzero werden maximale statische Lande- und Bodenlasten berechnet. Die Auswahl der betrachteten Lastfälle orientiert sich auch hier u.a. an den Zulassungsvorschriften. Informationen über Entwurfsmassefälle, die dazugehörigen vorderen und hinteren Schwerpunktlagen, des Fahrwerks sowie geometrische Einschränkungen (Bodenfreiheit) werden herangezogen. Unter den Fahrwerksinformationen werden Annahmen für fahrwerksspezifische Komponenten (u.a. für Stoßeffizienz, Dämpfungskoeffizienten) getroffen. Auch hier werden Schnitt- und Knotenlasten entlang der in LOADzero definierten Lastreferenzachsen bereitgestellt.
Ein Beispiel einer neuartigen Konfiguration mit Wasserstoffsystem und Wasserstoff-Direktverbrennung ist in Abbildung 1 zu sehen. Die Integration eines Wasserstofftanks führt hauptsächlich neben einem verlängerten Rumpf zu einem veränderten Massenmodel der Konfiguration. Die Massenmodelle für das maximale Abfluggewicht sind in Abbildung 3 dargestellt. Zum einen werden schwere Massen (Wasserstofftank und zugehörige Systeme) in das Heck des Rumpfes positioniert. Diese Systemmassen umfassen ungefähr 4700kg, exklusive des flüssigen Wasserstoffes. Zum anderen macht die Tatsache, dass die Triebwerke nicht mit Kerosin betrieben werden, Tanks in den Flügeln überflüssig. Dieses bezeichnet man als zu eine sogenannten „trockenen“ Flügel. Dies hat allerdings zur Folge, dass die den aerodynamischen Kräften entgegenwirkenden entlastenden Massekräfte des Treibstoffes im Flügel fehlen. In der Tabelle unten sind einige Eckdaten der beiden Konfigurationen gegenübergestellt.
Turbofan SynFuel / Fossil | Turbofan Mild-Hybrid LH2 | |
---|---|---|
Betriebsleergewicht [t] | 47,70 | 55,30 |
Maximales Abfluggewicht [t] | 80,03 | 82,58 |
Treibstoffgewicht [t] | 8,10 | 2,25 |
Wasserstoffsystem [t] | - | 4,71 |
Rumpflänge [m] | 46,85 | 50,57 |
Spannweite [m] | 42,00 | 42,00 |
In Abbildung 4 ist der Vergleich der Flügel- und Rumpflasten der Konfigurationen mit und ohne Wasserstoffsystem abgebildet. Die positiven und negativen Maximallasten der einzelnen Konfigurationen sind farblich hervorgehoben. Die Betrachtung der Flügellasten zeigt eine um etwa 7% und 14% erhöhte Fz-Kraft der Wasserstoffkonfiguration an der Flügelwurzel im positiven und negativen Bereich. Bei der Betrachtung des Biegemoments Mx zeigt sich sowohl in den positiven und negativen Maximalwerten eine Erhöhung von etwa 8% und 10% bei der Wasserstoffkonfiguration an der Flügelwurzel. Dies ist die Folge aus dem bereits erwähnten Effekt des „trocknen“ Flügels. Die lokale Krafterhöhung des Fahrwerks hat keinen signifikanten Einfluss auf das Biegewurzelmoment.
Die Rumpflasten zeigen sowohl bei der maximalen Fz-Kraft als auch beim Moment My Anstiege von jeweils 21% und 25% im positiven sowie 7% und 13% im negativen Bereich. Im Rumpfbereich hinter dem Flügel sind Verschiebungen der Kurven hin zu größeren Werten wahrzunehmen. Diese Beobachtungen sind zum einen auf den verlängerten Rumpf zurückzuführen, welcher einen erhöhten Hebelarm für das Moment darstellt. Zum anderen auf die veränderte Massenverteilung durch das schwere Wasserstoffsystem am Heck, resultierend in größeren Fz-Kräften.
Die Analyse der Lasten zeigt, dass neuartige Flugzeugkonzepte und Antriebstechnologien einen signifikanten Einfluss auf die Lasten am Flugzeug haben. Zusätzlich müssen zukünftige Flügel mit größerer Spanweite und Streckung oder auch Flügel ohne Treibstoff hinsichtlich ihres aeroelastischen Verhaltens im Einzelfall genauer betrachtet werden.
[1] Artikel: Viele Wege führen zur klimaneutralen Luftfahrt
[2] Artikel: Konzeptstudie für ökoeffizientes Fliegen
[6] Schrenk, O., “Ein einfaches Näherungsverfahren zur Ermittlung von Auftriebsverteilungen längs der Tragflügelspannweite”, Luftwissen; Bd. 7, Nr. 4, April 1940, pp.118–120.
Tobias Hecken, Abteilung Lastanalyse und Entwurf, DLR-Institut für Aeroelastik