Jeder, der schonmal mit einem Flugzeug geflogen ist, kennt das Problem: Man möchte in Ruhe lesen oder vor sich hindösen, aber um einen herum ruckelt und brummt es. Die Ursache für diese störenden Ereignisse sind in der Regel Flügel- oder Rumpfschwingungen, die wiederum von Windböen, Turbulenzen oder vom Triebwerksbetrieb verursacht werden. Müssen wir als Passagiere also auch in Zukunft mit den negativen Folgen von Schwingungen leben? Oder besteht Aussicht auf Besserung? Um diese Frage positiv zu beantworten, forscht das Institut für Aeroelastik an der gezielten Auslegung von passiven Dämpfungsmethoden zur Abminderung von Schwingungen.
Elastomere – Der Wunderwerkstoff für die Dämpfungsauslegung
Elastomere - Änderung der Materialsteifigkeit über der Temperatur
-30°C entspricht einer möglichen Reiseflugtemperatur und 20 °C der Temperatur beim Start. Die Materialsteifigkeit sinkt in diesem Fall auf 3% im Vergleich zum Reiseflug.
Eine besondere Stellung bei der Entwicklung von passiven Dämpfungssystemen nehmen Elastomere ein. Elastomere sind viskoelastische, gummiartige Kunststoffe, die aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung ein erhöhtes Dämpfungspotenzial aufweisen. Aber damit nicht genug: Elastomere verändern ihre mechanischen Eigenschaften in Abhängigkeit verschiedener Umgebungseinflüsse wie z.B. der Temperatur. Bei Reiseflugtemperatur kann ein solches Material beispielsweise fast 100x steifer sein als beim Abflug mit hohen Temperaturen. Dieses besondere Verhalten wird mithilfe von komplexen Materialmodellen abgebildet und stellt eine Herausforderung für die Auslegung von Dämpfungssystemen dar.
Das Material allein ist nicht ausreichend
Elastomere besitzen zwar das Potenzial für hohe Dämpfung, allerdings muss dieses Potenzial auch durch geeignete Mechanismen abgerufen werden. Als besonders effektiv hat sich die Schubverformung von Elastomeren mithilfe des sogenannten Constrained Layer Damping Prinzips erwiesen. Bei diesem Aufbau ist eine Elastomer-Kernschicht zwischen der zu dämpfenden Basisstruktur und einer steifen Deckschicht eingezwängt. Infolge auftretender Biegeschwingungen erfährt die Kernschicht eine Schubverformung. Aufgrund seiner besonderen Eigenschaften wandelt das Elastomer in diesem Zuge die Schwingungsenergie in Wärme um und leistet somit einen maßgeblichen Beitrag zur Schwingungsdämpfung.
Biegeform eines Constrained Layer Damping - Balkens
Rechts: Deutlich erkennbar ist die infolgedessen auftretende Schubverformung in der schwarzen Elastomer-Schicht. Dieser Verformungstyp ist maßgebend für die Schwingungsdämpfung, da auf diese Weise das Dämpfungspotenzial des Elastomers „aktiviert“ wird.
Im Rahmen der DFG-Exzellenzclusterinitiative SE²A (Sustainable and Energy-Efficient Aviation) wird die Anwendungsmöglichkeit des Constrained Layer Damping Prinzips zur Lastabminderung bei Flügelschwingungen untersucht. Mithilfe eines entwickelten Optimierungsalgorithmus wird das „Sandwich“-Design zum Erreichen maximaler Dämpfung für ausgewählte Schwingungsformen und Temperaturniveaus gezielt angepasst. Die Ergebnisse einer ersten Designoptimierung zeichnen ein positives Bild: Je nach Schwingungsform und zulässiger Massenzunahme sind Dämpfungswerte bis zu 10 % erreichbar. Dadurch wird nicht nur die Abklingzeit der Schwingung stark verkürzt, sondern auch der Spitzenwert reduziert.
Dritte Biegeschwingungsform des ungedämpften Flügels
Neben der Anwendung bei Flügelschwingungen können Elastomere auch für die akustische Komfortverbesserung der Kabine eingesetzt werden. Durch das gezielte Hinzufügen einzelner Constrained Layer Damping Elemente auf Rahmen oder Rumpfhaut besteht die Möglichkeit, die für die Schallabstrahlung verantwortlichen Rumpfschwingungen zu dämpfen. Ein entscheidendes Kriterium für die Effektivität dieser Maßnahme ist dabei die Positionierung der Elemente, was derzeit vom Institut für Aeroelastik erforscht wird.