fs35 Harpyie – Standschwingungsversuch für vollständige Zulassung
15. Dezember 2022
fs35 Harpyie – Standschwingungsversuch für vollständige Zulassung
Im Oktober 2022 fand der Standschwingungsversuch (GVT, engl. für Ground Vibration Test) des Motorseglers fs35 Harpyie in unserem Strukturdynamiklabor in Göttingen statt. Zwei Wochen lang wurde das Flugzeug der studentischen Fliegergruppe Akaflieg Stuttgart ausgiebig getestet.
Die fs35 - eine Entwicklung von Studierenden
Die fs35 hat eine Spannweite von knapp 18 m, ein Leergewicht von etwa 670 kg und einen 155 PS starken Dieselmotor. Das Motorsegelflugzeug wurde von den Studierenden der Universität Stuttgart entwickelt und gebaut, um Segelflugzeuge schneller und effizienter in große Höhen schleppen zu können. Es ist bereits seit 2019 in Betrieb, aber mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h derzeit nur eingeschränkt nutzbar. Um die Zulassung der fs35 mit der geplanten Höchstgeschwindigkeit von 280 km/h zu erhalten, sind Flatterberechnungen auf Basis eines validierten FE-Modells notwendig. Für die Anpassung des FE-Modells liefert der GVT die erforderlichen experimentellen Daten.
Freie Randbedingungen durch Bungees
Das Flugzeug wurde zunächst in Bungees aufgehängt, um eine freie Randbedingung zu gewährleisten. Dies ist aus zwei Gründen wichtig. Zum einen stellen die Bungees eine definierte Steifigkeit dar, die in ein Simulationsmodell implementiert werden kann. Zum anderen wird mit dieser Art der Aufhängung weitestgehend vermieden, dass die Eigenschwingungen des Flugzeugs durch die Randbedingungen des GVT am Boden beeinflusst werden. Somit eröffnet diese Art der weichen Aufhängung die Möglichkeit zur direkten Verwendung der experimentellen modalen Daten aus dem GVT in der Flatterberechnung.
Von der Anregung über das FE-Modell zur Flatterberechnung
Der GVT wurde durchgeführt, um experimentell die modalen Parameter wie Eigenfrequenzen, Schwingungsformen und Dämpfungen der realen Struktur zu ermitteln. Diese Parameter sind notwendig, um das FE-Modell als Grundlage für eine valide Flatterberechnung zur Erweiterung des Flugbereichs anzupassen. An 15 verschiedenen Positionen wurden elektrodynamische Shaker installiert, um das Flugzeug mit einem einzelnen Shaker oder gleichzeitig mit zwei Shakern anzuregen. Die Anregungssignale wurden von einem DLR-internen Signalgenerator erzeugt, um unkorrelierte Random-Signale oder korrelierte Sinussweeps zu erzeugen. Die Anregung wurde mit verschiedenen Kraftniveaus durchgeführt, um die Struktur auf nichtlineare Moden zu prüfen. Die Aufzeichnungen der Antworten erfolgte mit 120 Beschleunigungssensoren, welche über die gesamte Struktur verteilt waren. Die Modalanalyse wurde gleichzeitig mit dem GVT durchgeführt, so dass das identifizierte Modalmodell des Segelflugzeugs direkt nach dem Versuch verwendet werden konnte. Ein Mode ist beispielhaft für die 3n-Flügelbiegung in Abbildung 1 dargestellt.
Insgesamt sind 869 Moden in zwei verschiedenen Konfigurationen (Steuerflächen im freien und festen Zustand) identifiziert worden. Im Rahmen der Korrelation der Teilergebnisse wurden diese zu 52 Mode-Familien zugeordnet. Diese umfassen nicht nur elastische Strukturmoden mit Frequenzen von 3,3 bis 48 Hz, sondern auch Starrkörpermoden die z.T. deutlich unter 1 Hz liegen. Mit unterschiedlichen Anregungsniveaus und dem eigens entwickelten Correlation Tool konnten die experimentellen Modaldaten auf nicht-lineare Trends hin untersucht werden. In der Abbildung 2 sind die Eigenfrequenz und das Dämpfungsmaß in Abhängigkeit einer bestimmten Eigenschwingungsform als Funktion der Amplitude der Erregerkraft dargestellt.
Wie geht es nun mit den Daten weiter?
Die Ergebnisse aus dem GVT werden nun genutzt um das Simulationsmodell an die Eigenschaften der realen Struktur anzupassen. Das validierte Modell ermöglicht im Anschluss die realitätsnahe Berechnung des Schwingungsverhaltens des Fliegers und damit eine sehr gute Abschätzung ob es im vollständigen Betriebsbereich bis 280 km/h zum Flattern kommen kann.