Lastanalyse und Entwurf
Die Abteilung "Lastanalyse und Entwurf" befasst sich mit Fragestellungen, die sich im Rahmen des Entwurfs von Flugzeugen hinsichtlich aeroelastischer Eigenschaften bzw. aeroelastischer Erfordernisse ergeben.
Flugzeugkonfigurationen mit verteilten elektrischen Antriebseinheiten bieten ein großes Potential auf dem Weg zu klimaneutralen Flugzeugen (zero-emission aircraft). Untersuchungen lassen erwarten, dass über den Flügel verteilte elektrische Antriebe die aerodynamische Leistung und die Flugmechanik des Flugzeugs verbessern sowie die Fluglasten reduzieren, was wiederum zu einem geringeren Strukturgewicht führt. Neben den Umweltaspekten sind die technisch-physikalischen Eigenschaften einer solchen neuen Konfiguration ebenso von großer Bedeutung.
Im nachfolgenden Beitrag geht es darum, den strukturellen Entwurf, mit der Ermittlung der primären Flügelstrukturmasse, die Lasten der elastischen Struktur und die aeroelastischen Eigenschaften einer solchen Konfiguration zu betrachten. Verteilte Antriebseinheiten führen, im Vergleich zu konventionellen Flugzeugkonfigurationen mit insgesamt zwei oder vier Triebwerken, zu unüblichen strukturdynamischen Eigenschaften und beeinflussen somit das Flatterverhalten.
Im LuFo-V.3-Projekt SynergIE (2018-2021, fünftes ziviles Luftfahrtforschungsprogramm der deutschen Bundesregierung) wurde ein Regionalflugzeug für ca. 70 Passagiere entwickelt (siehe Abbildung 1), bei dem der Einsatz von verteilten elektrischen Antriebseinheiten der Schwerpunkt der Untersuchungen war. Im Verlauf des Projektes wurden verschiedene Varianten einer solchen Konfiguration mit statistik-basierten Entwurfsmethoden entwickelt (unter Nutzung des Konzeptentwurfstools openAD des DLR Instituts für Systemarchitekturen in der Luftfahrt). Diese Varianten umfassten eine unterschiedliche Anzahl von Triebwerken am Flügel (im Bereich von zwei bis zwölf), zwei verschiedene Leitwerksarten (T-Leitwerk, Kreuzleitwerk), sowie eine Variation der Flügelstreckung (engl. aspect ratio) mit 14.4 und 17.
Um die statistikbasierte Ermittlung der Strukturmasse von openAD, insbesondere der des Flügels, zu verbessern, wurde der im Institut für Aeroelastik entwickelte parametrische aeroelastische Entwurfsprozess cpacs-MONA eingesetzt (siehe Abbildung 2). Neben der umfassenden Lastanalyse und dem Strukturentwurf mit Strukturoptimierungsmethoden für die lasttragende Struktur, wurden mit cpacs-MONA auch die aeroelastischen Eigenschafen der Flugzeugkonfigurationsvarianten mit verteilten Antrieben untersucht. Unter den aeroelastischen Eigenschaften werden die Lasten der elastischen Struktur, die Steuerflächenwirksamkeiten und das Flatterverhalten verstanden. Eine gleichmäßigere Verteilung der Antriebseinheiten über der Flügelspannweite verspricht eine bessere Ausnutzung der Massenkräfte. Diese wirken den aerodynamischen Kräften entgegen und vermindern dadurch die Lasten. Dies lässt eine Reduzierung der Flügelstrukturmasse erwarten. Der Ansatz der parametrischen Modellierung in cpacs-MONA ermöglicht den Aufbau der Simulationsmodelle für die verschiedenen Konfigurationsvarianten auf Vorentwurfsniveau und die Durchführung des aeroelastischen Entwurfsprozesses.
Die durchgeführte Parameterstudie zeigt einen signifikanten Einfluss der Verteilung der Antriebseinheiten auf das Strukturgewicht des Flügels. Weiterhin weisen die strukturdynamischen Eigenschaften der gleichmäßig verteilten Antriebseinheiten mit mehr als zwei Propellertriebwerken pro Flügel einen Anstieg der Anzahl der Schwingungsformen (Moden) im gleichen Frequenzbereich auf. Daneben ist ein deutliches Absinken der Frequenzen von Biege- und der Schwenkmoden zu erkennen, sowie ein Anstieg der Frequenzen der Torsionsmoden (siehe Abbildung 3).
Bei der Konfiguration mit sechs elektrischen Propellertriebwerken zeigte sich entgegen dem erwarteten Trend eine höhere Flügelmasse als bei der Konfiguration mit zwei Triebwerken (siehe Abbildung 4). Eine Parametervariation hinsichtlich der Verteilung der sechs Triebwerke (drei je Flügelseite) führten zum Ergebnis, dass eine gleichmäßigere Verteilung der Antriebseinheiten über die Spannweite ein geringeres Flügelgewicht gegenüber dem Ausgangsentwurf mit sechs Triebwerken aufweisen, bei dem die Triebwerke enger zueinander positioniert waren. Die finale Konfiguration mit zehn Propellertriebwerken hatte schließlich die geringste Flügelmasse (siehe Abbildung 4).
Die Flatteranalyse des konvergierten cpacs-MONA Entwurfsprozesses zeigt klassische Flattereigenschaften für alle untersuchten Konfigurationsvarianten (Biege-/Torsionskopplung), die allerdings alle außerhalb der aeroelastischen Stabilitätsenveloppe liegen, also unkritisch sind. Die geringste Flattergeschwindigkeit zeigt die Konfiguration mit zwei elektrischen Antriebseinheiten. Hinsichtlich der Steuerflächenwirksamkeiten war keine nachträgliche Strukturanpassung erforderlich (siehe Abbildung 5).
Weitere Untersuchungen von Konfigurationen mit verteilten Antrieben werden den Umfang der Lastanalyse um die Ermittlung der Böenlasten erweitern und die Verwendung von Lastabminderungsmethoden beinhalten, sowie den Strukturentwurf um die Methoden des sogenannten aeroelastic tailoring bei Verwendung von Faserverbundmaterial erweitern. Insbesondere sollten bei der Lastanalyse Effekte berücksichtigt werden, die durch den Einsatz von Propellern als Antrieb Bedeutung haben, wie die sogenannten p-loads und der aerodynamische Einfluss durch den Propellernachlauf überblasener Flügel. Schließlich wird die Flatteranalyse auch das typische Drehflügler-Flatterphänomen des Whirlflatterns beinhalten.
Thomas Klimmek, DLR-Institut für Aeroelastik, Abteilung: Lastanalyse und Entwurf