Können Organismen auf dem Mars überleben und können wir sie identifizieren?
- Vom 27. Bis zum 29. März 2019 stellt das DLR auf einer wissenschaftlichen Abschlusskonferenz die Ergebnisse von BIOMEX vor.
- Bei dem BIOMEX-Experiment wurden zwischen 2014 und 2016 mehrere hundert Proben von Organismen an Bord der Internationalen Raumstation ISS Weltraum- und Marsbedingungen ausgesetzt.
- Nun sind die Ergebnisse des Experiments ausgewertet und zeigen, dass einige Organismen, die auf der Erde existieren, auch unter Marsbedingungen überleben können.
- Das DLR entwickelt Sensoren, mit denen die Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen bei zukünftigen Weltraummissionen detektiert werden können.
- Schwerpunkte: Exploration, Astrobiologie, Leben unter Weltraumbedingungen
Die Erde ist ein ganz besonderer Planet: Sie ist der einzige Himmelskörper im Sonnensystem, von dem wir wissen, dass er Leben beherbergt. Oder gibt es doch weitere Planeten und Monde, auf denen Leben vorstellbar wäre? Der Mars wird hier immer zuerst genannt, er hat viele Eigenschaften mit der Erde gemeinsam und in seiner geologischen Vergangenheit strömte auch Wasser über seine Oberfläche. Doch heute sind die Bedingungen auf dem Mars so extrem, dass es schwer vorstellbar ist, dass Organsimen, wie wir sie von der Erde kennen, auf dem kalten und trockenen Wüstenplaneten überleben könnten. Herauszufinden, ob es doch möglich ist, war eines der Ziele des vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) koordinierten Experiments BIOMEX (BIOlogy and Mars EXperiment) auf der Internationalen Raumstation ISS. Jetzt liegen die Ergebnisse vor.
Ein wesentliches Resultat: Tatsächlich sind manche irdische biologische Substanzen und Strukturen sehr hart im Nehmen. Sie überlebten grenzwertige Umweltbedingungen während eines 18-monatigen Stresstests im Weltall. Dabei waren Proben unterschiedlicher Organismen wie Bakterien, Algen, Flechten und Pilze auf einer Außenplattform der ISS insgesamt 533 Tage dem Vakuum, intensiver UV-Strahlung und extremen Temperatur-Unterschieden ausgesetzt. "Einige der Organismen und Biomoleküle haben im offenen Weltraum eine enorme Strahlungsresistenz gezeigt und kehrten tatsächlich als ‚Überlebende‘ aus dem All zur Erde zurück", zeigt sich Dr. Jean-Pierre Paul de Vera vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof beeindruckt. Dem Astrobiologen oblag die wissenschaftliche Leitung von BIOMEX. "Wir haben unter anderem Archäen, also einzellige Mikroorganismen, wie es sie auf der Erde seit über dreieinhalb Milliarden Jahren im salzigen Meerwasser gibt, untersucht. Unsere ‚Probanden‘ sind Verwandte, die aus dem Permafrost der Arktis isoliert wurden. Sie haben unter Weltraumbedingungen überlebt und sind zudem mit unseren Instrumenten detektierbar. Solche Einzeller wären Kandidaten für Lebensformen, die wir uns auch auf dem Mars vorstellen könnten."
Leben auf dem Mars scheint nicht unmöglich zu sein
Mit diesem Ergebnis wurde das Hauptziel des Experiments erreicht: Prinzipiell scheinen manche Lebewesen, die auf der Erde unter extremen Umweltbedingungen vorkommen, sogenannte "extremophile" Organismen, auch auf dem Mars existieren zu können. "Das bedeutet freilich noch lange nicht, dass Leben auch wirklich auf dem Mars vorkommt", schränkt de Vera ein. "Aber die Suche danach ist nun mehr denn je die stärkste Triebfeder für die nächste Generation von Raumfahrtmissionen zum Mars."
Die Existenz von zumindest sehr einfachen Lebensformen auf dem Mars, ob in der viereinhalb Milliarden Jahre langen Vergangenheit des Planeten oder sogar noch in der Gegenwart, ist für DLR-Astrobiologen de Vera und Kollegen prinzipiell vorstellbar. Doch bis heute fehlt der Nachweis von Leben auf dem Mars. Raumsonden in der Umlaufbahn und mobile Labore auf der Marsoberfläche zeigten zwar, dass wichtige Voraussetzungen für Leben auch noch heute vorhanden sind - eine Atmosphäre, Elemente wie Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel oder Phosphor, auch Wasser - zumindest in Form von Eis. Doch Leben selbst oder dessen Stoffwechselprodukte registrierten die Detektoren der Marsforscher bisher noch nicht.
Die BIOMEX-Ergebnisse stärken auch eine Hypothese, die unter Wissenschaftlern seit Jahrzehnten intensiv diskutiert wird und bei der Frage, wie das Leben vor 3,8 Milliarden Jahre auf die Erde kam, eine Rolle spielt: Die sogenannte Panspermia-Theorie geht davon aus, dass Organismen auf dem frühen Mars existierten und durch einen Asteroideneinschlag in ausgeworfenem Gestein von dem Planeten weggeschleudert und ins innere Sonnensystem verfrachtet wurden. Dort kollidierten manche als Meteoriten mit der Erde und die darin enthaltenen Organismen entwickelten sich weiter.
Vakuum, UV-Strahlung, Hitze, Kälte - BIOMEX als Stresstest für die Mikro-Probanden
Für das BIOMEX-Experiment wurden am 18. August 2014 mehrere hundert Proben in einem Experimentkasten von den russischen Kosmonauten Alexander Skwortzow und Oleg Artemjew auf der Außenplattform des russischen ISS-Moduls Swesda angebracht. In den zum Weltraum-Vakuum hin offenen Probenbehältern befanden sich primitive irdische Organismen wie Moose, Flechten, Pilze, Bakterien, Archäen ("Urbakterien") und Algen sowie Zellmembranen und Pigmente. Sie waren unter anderem in simulierten mineralischen Marsböden mit imitierter Marsatmosphäre eingebettet. Am 22. Oktober 2014 entfernten die Kosmonauten Maxim Surajew und Alexandr Samokutjaew die Schutzabdeckung. Ab diesem Zeitpunkt waren die Proben unter hochtransparenten Gläsern permanent den harten Weltraumbedingungen im Vakuum ausgesetzt, mit großen Temperaturschwankungen und der dort herrschenden starken UV-Strahlung. "Dabei bot die ISS einmal mehr ideale Voraussetzungen für ein Experiment, das nur unter Weltraumbedingungen durchgeführt werden konnte", freute sich Dr. de Vera.
Am 3. Februar 2016 wurde das Experiment bei einem dritten Außenbordeinsatz von den Kosmonauten Juri Malentschenko und Sergeij Wolkow wieder abgedeckt und in die Raumstation zurückgebracht. Am 18. Juni 2016 kehrten die Proben mit dem ESA-Astronauten Tim Peake an Bord einer Sojus-Raumkapsel zur Erde zurück. Anschließend wurde das Experiment von Baikonur (Kasachstan) zum DLR nach Köln überführt und die einzelnen Proben von den BIOMEX-Wissenschaftlern in 30 Forschungseinrichtungen in zwölf Ländern auf drei Kontinenten untersucht. Vom 27. bis zum 29. März 2019 stellt das DLR in Berlin auf einer wissenschaftlichen Konferenz den BIOMEX-Abschlussbericht mit den Ergebnissen vor. Bisher wurden 42 begutachtete Artikel in Fachmagazinen veröffentlicht. Das renommierte Journal "Astrobiology" widmete BIOMEX im Februar eine Sonderausgabe (Vol. 19, Issue 2, 2019).
Neue Sensoren könnten die Stoffwechselprodukte von Organismen entdecken
Die von Mikroorganismen, wie Archäen, gebildeten Stoffwechselprodukte oder Zellbestandteile könnten von Instrumenten zukünftiger Missionen auf der Marsoberfläche gemessen werden. Damit wurde ein weiteres Ziel des BIMOEX-Experiments erreicht. Das Berliner DLR-Institut für Optische Sensorsysteme nutzt zusammen mit dem Institut für Planetenforschung zu diesem Zweck Detektionsmethoden zur Identifikation der oben genannten Materialien, die ohne Probenvorbereitung auskommen. Eine dieser Methoden ist die Raman-Spektroskopie. "Mit der Raman-Spektroskopie können wir zerstörungs-und berührungsfrei Proben auf der Marsoberfläche von einem Rover aus untersuchen", erklärt Dr. Ute Böttger vom DLR-Institut für Optische Sensorsysteme. "Laserstrahlen, also energiereiches, gebündeltes Licht, regen Moleküle zu Schwingungen an. Unterschiedliche Moleküle haben dabei unterschiedliche Schwingungsmuster, die wie ein unverwechselbarer Fingerabdruck zur Identifikation von Molekülen und Kristallstrukturen verwendet werden können."
Die Ergebnisse von BIOMEX stellen nicht nur bei der Suche nach Leben auf dem Mars einen Fortschritt dar. Sie dienen auch der Definition von "Biosignaturen" im All und erweitern die Basis für eine Datenbank, die als Grundlage für die Suche nach Leben in unserem Sonnensystem dienen wird. Zukünftige Missionen, wie die von der ESA für 2020 geplante ExoMars-Mission, werden maßgeblich von diesen Daten profitieren. Sie können eine wichtige Hilfe bei der Identifikation und Zuordnung von Signalen darstellen, die bei ExoMars 2020 beobachtet oder die mit Raumsonden von anderen Himmelskörpern gewonnen werden. Beispielsweise wurden auch in den Eisfontänen auf dem Saturnmond Enceladus Spuren von Methan nachgewiesen. Dort, wie auch unter den Eiskrusten der Jupitermonde Europa und Ganymed, sind vermutlich beträchtliche Mengen an Wasser vorhanden, in denen primitive, einzellige Organismen entstanden sein könnten.
Das BIOMEX-Experiment
BIOMEX war eines von vier Experimenten, die unter dem Namen EXPOSE-R2 (Das R steht für die Russische Version der Expositionsplattform, die 2 für das zweite Experiment dieser Art) zusammengefasst sind. Neben BIOMEX waren dies die Experimente BOSS, PSS und IBMP. Es wurde gemeinsam von der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der russischen Weltraumagentur Roscosmos durchgeführt. "Dabei bot die ISS ideale Voraussetzungen für ein Experiment, das unter Weltraumbedingungen durchgeführt werden sollte", freute sich Dr. de Vera. Vor dem BIOMEX-Experiment in der 400 Kilometer hohen Umlaufbahn wurden Auswahlversuche in der Mars-Simulationskammer am DLR-Institut für Planetenforschung durchgeführt. Schließlich wurden Vorversuche und parallel zu den Weltraumexperimenten im All Tests mit ISS-identischer Versuchsanordnung in einer Weltraumsimulationskammer im DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln durchgeführt, die unter der Leitung von DLR-Wissenschaftlerin Dr. Elke Rabbow standen. Damit wurden "Kontrollproben" zum Ablauf des Experiments und der wissenschaftlichen Auswertung geschaffen.
BIOMEX - das ESA/Roscosmos "Biology and Mars Experiment" - fand von 2014 bis 2016 auf der Internationalen Raumstation ISS statt. Das Experiment wurde vom DLR-Institut für Planetenforschung koordiniert und geleitet. Des Weiteren waren die DLR-Institute für Luft- und Raumfahrtmedizin und Optische Sensorsysteme beteiligt. In Deutschland wirkten an der Durchführung und Auswertung ferner mit: das Robert Koch Institut, die Technische Universität und das Museum für Naturkunde in Berlin, die Technische Hochschule Wildau, das Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie, das Geoforschungszentrum in Potsdam sowie die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.