Autonomik
Automatisierte und autonome Verkehrssysteme haben das Potenzial, einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen im Bereich der Mobilität zu leisten. In den letzten Jahrzehnte entwickelte sich der Maschinenbau mit Hilfe von Regelungs-, Elektro- und Automatisierungstechnik sowie Mikroelektronik bis in die 1990er Jahre zu einer ausdifferenzierteren Disziplin, der Mechatronik. Seit den 1990er Jahren spielt bei der Entwicklung neuer Technologien und Dienste, und damit auch im Rahmen neuer Geschäftsmodelle, außerdem die Informatik eine entscheidende Rolle. Sie trägt seither maßgeblich zum wirtschaftlichen Wachstum bei.
Autonome Systeme nehmen, anders als beispielsweise Smartphones, direkten Einfluss auch auf die physische Welt und werden durch ihr breites Anwendungsspektrum ein ganz neues Level an digitaler Durchdringung in unserer Gesellschaft bewirken: Industrie 4.0, autonomes Fahren sowie vernetzte Energie- und Gesundheitssysteme sind nur einige Beispiele hierfür.
Autonomik als neue Leitdisziplin
Umso wichtiger wird es, autonome Systeme mit einem hohen Grad an Vertrauenswürdigkeit auszustatten. Hierzu bedarf es eines fundierten Verständnisses von Vertrauen und Verantwortung, das auf technische Systeme übertragen werden und in der Entwicklung und im Betrieb genutzt kann. Mittels der Verbindung von Sozial-, Geistes- und Humanwissenschaften mit Natur- und Technikwissenschaften ist es unser Ziel, die neue Leitdisziplin „Autonomik“ zu schaffen. Mit ihr gilt es, sich den Herausforderungen bei der Entwicklung und Nutzung autonomer Systeme zu stellen. Das Potenzial, das die Integration von immer mehr Entscheidungskompetenz in Maschinen mit Hilfe neuer Ansätze der künstlichen Intelligenz mit sich bringt, soll bestmöglich genutzt werden. Die Ziele der Autonomik sind vielseitig: Neben der global angestrebten Nachhaltigkeit spielen hierbei die Vertrauenswürdigkeit, Lebensqualität und Wirtschaftlichkeit eine große Rolle. Umweltbelastungen sollen reduziert werden, indem beispielsweise die vorhandenen Verkehrssysteme effizienter genutzt werden. Es sollen Unfälle vermieden werden (Vertrauenswürdigkeit), es soll ein höherer Komfort während der Reisezeit geschaffen werden (Lebensqualität), und es sollen darüber hinaus Ressourcen geschont sowie Kosten- und Zeitaufwand reduziert werden (Wirtschaftlichkeit).
Stärkung gesellschaftlicher Vertrauenswürdigkeit
Für die Entwicklung und Nutzung autonomer Systeme ist eine technische und gesellschaftliche Vertrauenswürdigkeit von entscheidender Bedeutung. Die Autonomik soll genau die hiermit einhergehenden Fragestellungen adressieren. Wie können Menschen sicher sein, dass automatisierte und autonome Systeme ausreichend getestet wurden?
Wie wird ihnen garantiert, dass die Systeme die Lösungen für alle denkbaren (und auch noch nicht denkbaren) Situationen kennen und erfolgreich und sicher umsetzen können? Wie kann Vertrauen in die neuen Systeme geschaffen werden? Diese Fragen stellen die Autonomik vor neue Herausforderungen und Chancen: Mensch-Maschine-Systeme sollen als Teams verstanden werden, in denen sich alle Teammitglieder über ihre Absichten austauschen. Es müssen Methoden und Werkzeuge für die Gewährleistung eines ausreichend hohen Grads an Vertrauenswürdigkeit entwickelt werden, die den Menschen ein sicheres Gefühl geben, bevor und während sie von automatisierten und autonomen Systemen Gebrauch machen. Die Wissenschaft kann hier einen entscheidenden Beitrag leisten, indem sie gemeinsam mit Wirtschaft und Politik verschiedene Fachdisziplinen wie Gesellschaftswissenschaften, Psychologie, Philosophie, Human-, Natur- und Technikwissenschaften wie Physik, Mathematik und Informatik zusammenbringt. Es bedarf grundsätzlich transdisziplinärer Ansätze zur Beherrschung der Komplexität von Mensch-Maschine-Systemen, aber auch politischer, wirtschaftlicher und sozialer Fragestellungen und deren Lösungsansätze. In der neuen Leitdisziplin Autonomik werden diese Fragestellungen und Herausforderungen hochautomatisierter und autonomer Systeme gemeinsam adressiert.