9. September 2016

Turbulenzen während eines Fluges am 4. Mai 2016 mit Cb-global-Daten betrachtet

Am 4. Mai 2016 gab es Pressemeldungen über einen Zwischenfall bei Flug Etihad EY474 in Zusammenhang mit Turbulenz. Etihad habe erklärt, der Airbus A330-200 sei von der Hauptstadt der Emirate Abu Dhabi kommend, 45 Minuten vor der Landung auf Jakartas internationalem Flughafen Soekarno-Hatta am Mittwoch unerwartet in ein Gebiet mit Turbulenz gekommen. Insgesamt seien 31 Fluggäste und Crewmitglieder verletzt worden.

An diesem Tag lief das Gewittererkennungs- und Nowcastingsystem „Cb-global”, eine Entwicklung des DLR Instituts für Physik der Atmosphäre, operationell bei WxFUSION, einer Ausgründung des DLR. Cb-global basiert auf Satellitendaten, in diesem Fall auf in Echtzeit verfügbaren Himawari-8 Daten mit einer räumlichen Auflösung von 2 km (IR Kanäle) und einer zeitlichen Auflösung von 10 Minuten. Aufgrund dieses Zwischenfalls kamen Fragen auf, ob die Turbulenz durch ein konvektives Ereignis, also ein Gewitter, verursacht wurde und ob Cb-global in der Lage war die Gefahr zu erkennen.

Die Situation

Nach den bei flightradar24.com abrufbaren Flugdaten ist das Flugzeug mit Flugnummer EY474 am 4. Mai 2016 um 07:24 UTC am internationalen Flughafen Soekarno-Hatta in Jakarta gelandet. Wenn die Information aus den Medien korrekt ist, dass sich der Zwischenfall 45 Minuten vor der Landung ereignet hat, muss  die Turbulenz gegen 06:40 UTC in der Nähe der Insel Bangka, östlich von Sumatra, aufgetreten sein.  Dies ist aus der folgenden flightradar24-Karte ersichtlich.

Die folgenden zwei Abbildungen zeigen Cb-global-Gewittererkennungen in dieser Region für 06:37 UTC und 06:47 UTC. Bei genauerer Betrachtung des Ortes, an dem der Turbulenzzwischenfall stattgefunden haben muss (hervorgehoben durch einen weißen Kreis), sehen wir, dass sich zwischen den beiden betrachteten Zeitpunkten 06:37 und 06:47 UTC eine vertikal schnell wachsende konvektive Zelle an der von flightradar24 indizierten Flugzeugposition entwickelt. Diese wird in Cb-global mit einer orangen Kontur gekennzeichnet.

Cb-global Gewitteranalyse um 06:37 UTC als Überlagerung über dem dazugehörigen Satellitenbild (VIS Kanal). Durchgezogene Konturen markieren detektierte Wolken, gepunktete Konturen  einstündige Vorhersagen (Nowcasts). Gelbe Konturen markieren die Anregung neuer Gewitter, orange Konturen schnelle vertikale Entwicklungen und rote Konturen ausgewachsene Gewitter.
Cb-global Gewitteranalyse wie oben jedoch um 06:47 UTC

Vorausgesetzt die Zeitangaben aus den Medien sind korrekt, können wir daraus schließen, dass das Flugzeug sehr wahrscheinlich in Kontakt mit dieser schnell vertikal wachsenden Zelle kam und es sich bei dem Ereignis somit um konvektive Turbulenz handelte. Die Tatsache, dass die Gewitterzelle um 06:37 UTC nicht erkannt wird, aber nur 10 Minuten später dort zu finden ist, verdeutlicht, dass die Zelle sich ziemlich genau zu dem Zeitpunkt des Überfluges von Flug Etihad EY474 entwickelt haben muss. Da es sich um eine orange markierte Cb-global-Kontur handelt (kein ausgewachsenes Gewitter), ist es wahrscheinlich, dass die Piloten die schnell wachsende Zelle auf ihrem Onboard-Radar nicht sehen konnten, weil in ihrem Flugniveau noch keine starken Radarechos vorhanden waren.

Die von Cb-global als schnell wachsend erkannte Zelle ist nicht sehr groß, gleichwohl braucht ein Flugzeug 2-3 Minuten um dieses Gebiet zu durchfliegen und somit ausreichend Zeit um in der turbulenten Luftschicht vertikale Auslenkungen zu erfahren. Ein weiteres Indiz für Turbulenz an der Position dieser Wolke liefert die von flightradar24 aufgezeichnete Flughöhe:

39.000 Fuß um 06:30 UTC

39.000 Fuß um 06:39 UTC

38.975 Fuß um 06:40 UTC → geschätzte Zeit des Turbulenzzwischenfalls

39.250 Fuß um 06:41 UTC

39.000 Fuß um 06:42 UTC

Dies dokumentiert eine Veränderung der Flughöhe in der Nähe der Insel Bangka.

Fazit

Vorausgesetzt die Angaben in den Medien waren korrekt, dann erlauben die gezeigten Cb-global-Analysen den Schluss, dass der Flug EY474 gegen 06:40 UTC am 4. Mai 2016 in Höhe der Insel Bangka in ein Gebiet mit konvektiver Turbulenz geraten ist. Zwischen den Beobachtungszeitpunkten des Satelliten um 06:37 UTC und 06:47 UTC kam es an der fraglichen Stelle zur schnellen Entwicklung einer Gewitterwolke, wie durch eine orange Kontur von Cb-global angezeigt wurde.

Einerseits belegt diese Analyse, dass gefährliche Gewitterentwicklungen mit Hilfe des Cb-global-Systems, welches Satellitendaten in jener Region nahezu in Echtzeit analysiert, erkannt werden können. Andererseits muss man einräumen, dass die Analyse in diesem Fall zu spät zur Verfügung gestanden hätte, um die Piloten des Fluges EY474 vor der sich rasch entwickelnden Gefahr zu warnen.  Die Gewitterzelle entwickelte sich zwischen zwei Passagen des Satelliten und genau zu der Zeit, in der der Flug jenen Ort passierte. Jedoch hätten Piloten von nachfolgenden Flugzeugen auf die Gefahr aufmerksam gemacht werden können, wenn, wie für die Zukunft geplant, Cb-global-Daten in das Cockpit übertragen und in „Electronic Flight Bags“ (EFBs) dargestellt würden. Seit einiger Zeit gibt es neue Entwicklungen von EFBs mit Datenübertragung per Satellitenfunk in der Luftfahrtindustrie, um Piloten besser über Wettergefahren zu informieren.

Auch wenn orange Zellen in Cb-global oft eine geringe räumliche Ausdehnung  und manchmal nur eine Lebensdauer von 10 Minuten aufweisen, wie auch reale konvektive Wolken, so kennzeichnen sie doch gefährliche, rasch wachsende Wolkengebilde. Mit diesen Erkennungen können Piloten auf potenzielle konvektive Turbulenz aufmerksam gemacht werden, was ihnen ein rechtzeitiges, sorgfältiges Scannen der Wolke mit dem Onboard-Radar nahelegt. Des Weiteren könnten die Passagiere frühzeitig zu Anlegen der Sicherheitsgurte aufgefordert werden, um Verletzungen durch plötzlich auftretende Turbulenz, wie bei Flug EY474 geschehen, soweit wie möglich vorzubeugen.

Kontakte:

Dr. Dennis Stich (dennis.stich@dlr.de)

DLR Institut für Physik der Atmosphäre

Dr. Arnold Tafferner                                   

WxFUSION GmbH, Gilching                     

arnold.tafferner@wxfusion.com