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Nichts für Faule: Sport im Liegen

Training während der Bettruhestudie
Während der Bettruhestudie werden mögliche Gegenmaßnahmen gegen die negativen Effekte von Schwerelosigkeit während Raumfahrtmissionen mit unterschiedlichen Trainingsmethoden getestet. In dieser Trainingsgruppe wird das Propriozeptive Training mit einem Kraft- und Ausdauertraining kombiniert.

In diesem Blog zur DLR-NASA-Bettruhestudie „Sensorimotor Countermeasures Study (SMC)” berichten wir aus dem Leben der Probandinnen und Probanden sowie der Arbeit des großen Teams drumherum und was es bedeutet, Teil einer solch großen Studie zu sein.

60 Tage liegen für die Wissenschaft: Das ist der Alltag unserer Probandinnen und Probanden, die aktuell an der Bettruhestudie „Sensorimotor Countermeasure“ teilnehmen. Mit der sechs-Grad-Kopftieflage können wir einerseits die Auswirkungen von Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper simulieren und andererseits Maßnahmen gegen deren negative Effekte untersuchen. Alle Aktivitäten wie Essen, Duschen, Freizeit sowie sämtliche Untersuchungen und Tests werden im Liegen durchgeführt.

Trainingsraum der SMC-Bettruhestudie
Im :envihab dient die Barokammer während der Bettruhestudie als Trainingsraum. Hier werden die täglichen Trainingsmaßnahmen der Probandinnen und Probanden im Liegen durchgeführt.

Hintergrund der Studie ist, dass zukünftige astronautische Missionen auf dem Mond oder dem Mars landen sollen und damit zum Teil weit über die bisherigen Distanzen und Zeiträume hinausgehen. Damit wären die Astronautinnen und Astronauten viel länger auf der Reise als bei den regelmäßigen Missionen zur Internationalen Raumstation ISS. Im Gegensatz zu diesen „Kurztrips“ ins All würden sie nach der Landung nicht von einem Team empfangen, das sie versorgt und bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen einleiten kann.

Bisherige Untersuchungen zeigen, dass längere Aufenthalte in der Schwerelosigkeit die Koordination und das Gleichgewicht stören. Zusammen mit dem Abbau von Muskelmasse und Knochendichte während des Raumflugs steigt somit das Risiko von sturzbedingten Verletzungen bei der Erkundung der Mond- oder Marsoberfläche. Um diese Auswirkungen auf den Körper zu verhindern oder zumindest abzumildern, erforschen wir in dieser Studie am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mögliche Gegenmaßnahmen mit unterschiedlichen Trainingsmethoden. Ein besonderer Fokus der Studie liegt auf dem Gleichgewicht, dem Fühlen und auf Bewegungsabläufen.

In der Schwerelosigkeit kann der Körper nicht mehr auf seine „normalen“ erlernten Mechanismen der Körperwahrnehmung und der Steuerung durch das Gleichgewichtsorgan unter Erdschwerkraft zurückgreifen. Einfach gesagt: Oben ist nicht mehr oben. Durch die Abbauprozesse und die Gleichgewichtsveränderungen kann die Steuerung und Sensibilität des Körpers negativ beeinflusst werden. In unserer Studie finden viele Experimente während der 60-tägigen Bettruhe statt, einige davon zum Vorher-Nachher-Vergleich können aber nur in aufrechter Position durchgeführt werden.

Den Parcour begehen die Probandinnen und Probanden vor und nach ihrer Bettruhe
Direkt am Tag des Aufstehens durchlaufen die Probandinnen und Probanden diesen Parcour mehrmals hintereinander, sowohl ihre Zeit als auch die berührten Gegenstände werden dabei notiert. Diese Daten werden dann mit den Durchläufen vor der Bettruhe verglichen.

Da es in dieser Studie vor allem um das Gleichgewichtssystem und die Koordinationsfähigkeiten geht, ist der wichtigste Tag der Studie der, an dem die Probandinnen und Probanden wieder aufstehen: Welchen Einfluss hatte die Bettruhe auf das Gleichgewicht, und wie gut schützen die gewählten Gegenmaßnahmen Körperbalance und Gang? In der SMC-Studie gibt ein Hindernisparcours Aufschluss darüber, wie sich die Gleichgewichts- und Koordinationsfähigkeit der Teilnehmenden im Laufe der Studie verändert haben. Den Parcours durchlaufen unsere Testpersonen vor Beginn der Bettruhe und am Tag des Aufstehens nach 60 Tagen.

Die in der Studie eingesetzten Gegenmaßnahmen sind darauf ausgelegt, dass man sie in Zukunft während langer Weltraummissionen und auf Mond oder Mars anwenden kann. Aufgrund der begrenzten Ressourcen ist es besonders wichtig, nur so viel auf eine Mission mitzunehmen wie auch benötigt wird. Daher werden verschiedene Formen von Gegenmaßnahmen getestet – sowohl sehr leichte und einfache Geräte bis hin zu komplexeren und schweren Trainingssystemen. Die Vorgaben zu den von unseren Probandinnen und Probanden ausgeführten Trainingseinheiten wurden von der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA entwickelt und von unserem DLR-Team vor Ort in Köln finalisiert und umgesetzt. Mit Beginn der Bettruhe startete dann auch direkt das Training.

Muskeltraining im Liegen
Das Training mit Elektromyostimulation (EMS) wäre auch im All gut durchzuführen, weil es keine große Apparatur benötigt und die Trainierenden wenig Eigenaufwand betreiben müssen.

Insgesamt gibt es vier verschiedene Gruppen, die die unterschiedlichen Sportprogramme regelmäßig durchführen: Drei unserer Probandinnen und Probanden haben jeden Tag für 30 Minuten ein Training mit Elektromyostimulation (EMS) absolviert, bei dem die Muskulatur mittels elektrischer Impulse gezielt von außen angesteuert wird. Dieses Training für die Muskeln wäre auch im All gut durchzuführen, weil es keine große Apparatur benötigt und die Trainierenden wenig Eigenaufwand betreiben müssen: Die Muskeln werden elektrisch stimuliert, und die Beine bewegen sich ohne Zutun alleine durch den elektrischen Reiz. Der Muskelkater ist dann aber doch wie beim herkömmlichen Training. Bei unseren Probandinnen und Probanden werden vier Muskeln an jedem Bein stimuliert. Dafür werden an Ober- und Unterschenkel Reize gesetzt. Damit die Stimulation immer an derselben Stelle vollzogen werden kann, wurden die entsprechenden Stellen auf der Haut unserer Teilnehmenden mit einem Stift markiert.

Das Propriozeptive Training in der SMC-Bettruhestudie
Beim Propriozeptiven Training „stehen“ die Probandinnen und Probanden auf einem Balanceboard und führen bestimmte Aufgaben aus wie zum Beispiel das Nachfahren verschiedener Muster mit den Füßen.

In der zweiten Gruppe gibt es das sogenannte Propriozeptive Training (PT), bei dem vor allem die Körperwahrnehmung und die Balance trainiert werden. Damit ein Training unter Schwerelosigkeit auf der Erde möglichst gut simuliert wird, liegen sie mit dem Oberkörper auf einer Art Trage mit darunter montierten Luftdüsen, ähnlich wie bei einem Air-Hockey-Tisch. Zusätzlich werden die Probandinnen und Probanden durch ein Seilzugsystem in Richtung Füße auf ein an der Wand befestigtes Balanceboard gedrückt. Durch die reibungslose Lagerung des Oberkörpers können die Bewegungen der Beine ausgeglichen werden. Dabei vollziehen sie bestimmte Aufgaben, indem sie zum Beispiel verschiedene Muster, die sie auf einem Bildschirm angezeigt bekommen, mit den Füßen nachfahren müssen. Die Anpresskraft kann gesteigert werden und die Übungen werden sowohl einbeinig als auch beidbeinig drei Mal pro Woche für rund 35 Minuten durchgeführt.

Krafttraining, Ausdauertraining und Propriozeptives Training im Liegen
Beim Krafttraining wird die gesamte Beinmuskulatur beispielsweise durch Kniebeugen und Wadenheben trainiert, außerdem finden sechs Mal pro Woche Trainingssessions auf einem liegenden Fahrradergometer statt.

In der dritten Trainingsgruppe wird das Propriozeptive Training mit einem Kraft- und Ausdauertraining kombiniert. Diese Maßnahme erweitert das bisher bereits auf der Internationalen Raumstation stattfindende Kraft- und Ausdauertraining um das Balanceboard-Training, um herauszufinden, ob diese Kombination zusätzlich auch die Koordinationsfähigkeit verbessert. Nachteil dieser Gegenmaßnahme ist, dass die Geräte hierfür recht viel Platz brauchen und dieser bei einer zukünftigen Langzeitmission stark begrenzt sein wird. Bei dem Krafttraining wird die gesamte Beinmuskulatur zum Beispiel durch Kniebeugen und Wadenheben trainiert. Zudem finden regelmäßig Trainingssessions auf einem Fahrradergometer statt. Auch diese Übungen werden dreimal in der Woche für etwa 30 Minuten durchgeführt. Die Belastung in Form von Gewichten oder Widerstand beim Radfahren wird dabei stets individuell an das Leistungsvermögen der jeweiligen Testperson angepasst.

Die vierte Gruppe ist die Kontrollgruppe, sie führt kein Training durch. Sie ist sehr wichtig für die Wissenschaft, weil ihre Daten als Grundlage für den Vergleich des Erfolgs der verschiedenen Trainingsaktivitäten herangezogen werden.

Alle Testpersonen sind in ihrer jeweiligen Gruppe sehr engagiert: Bei einigen der Teilnehmenden am propriozeptiven Training hat sich ein kleiner Wettstreit darüber entwickelt, wer die beste Punktzahl beim Koordinationstraining erzielt. Die Gruppe mit der Elektromyostimulation empfindet ihr tägliches Beisammensein in den nebeneinanderstehenden Betten als eine schöne regelmäßige Gelegenheit für Unterhaltungen. Zu ihren Treffen werden auch gerne noch weitere Teilnehmende eingeladen, sodass ein Austausch immer garantiert ist.

Nun sind es nur noch ein paar Tage bis zum Aufstehen nach 60 Tagen Bettruhe: Wir sind sehr gespannt, wie sich die einzelnen Gegenmaßnahmen auswirken und wünschen unseren Probandinnen und Probanden schon mal eine spannende Zeit rund um das Aufstehen!

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