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400 Kilometer voneinander entfernt und doch verbunden: Meine Analog-Mission mit der Crew auf der ISS

NASA-Astronauten Butch Wilmore und Suni Williams
Am 6. Juni 2024 kamen Butch Wilmore und Suni Williams im Rahmen des Boeing-Crew-Flight-Test der NASA auf der Internationalen Raumstation ISS an.
Credit:

NASA

In diesem Blog zur DLR-NASA-Bettruhestudie „Sensorimotor Countermeasures Study (SMC)” berichten wir aus dem Leben der Probandinnen und Probanden sowie der Arbeit des großen Teams drumherum und was es bedeutet, Teil einer solch großen Studie zu sein.
Heute kommt einer der Probanden zu Wort, der sich seit 18 Tagen in einer Kopftieflage von sechs Grad im Bett befindet. Dieser Proband hat eine besondere Verbindung zur Raumfahrt, da er die Missionen der beiden US-amerikanischen Astronauten Barry „Butch“ Wilmore und Sunita „Suni“ Williams mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Sie haben zur gleichen Zeit wie er seine Reise zur Bettruhe-Studie ihre Mission zur Internationalen Raumstation ISS angetreten. Ihr Start verzögerte sich mehrfach, und nun wurde ihre Rückkehr zur Erde aufgrund technischer Probleme um acht Monate verschoben. Die Mission unseres Probanden am DLR wird nicht so lange dauern, da seine Rückkehr zur Normalität vergleichsweise „einfach“ ist: Ende November wird er nach Beendigung der Bettruhe kontrolliert unter medizinischer Überwachung aufstehen. Dennoch findet seine Zeit als „terrestrischer Astronaut“ parallel zur ISS-Mission von Butch und Suni statt, und er fühlt sich ihnen in dieser besonderen Situation verbunden. Im Folgenden berichtet er von seinen Erfahrungen und der Mission seiner „Kolleginnen und Kollegen“ – natürlich aus der Kopftieflage von sechs Grad.

Während ich hier liege und an der 60-tägigen Bettruhe-Studie von NASA und DLR als Proband teilnehme – einer Analog-Mission, die die Auswirkungen von Reisen zum Mond und Mars auf den menschlichen Körper simuliert – gibt es Momente, in denen ich eine tiefe Verbundenheit zu den Astronautinnen und Astronauten an Bord der ISS spüre. Barry „Butch“ Wilmore und Sunita „Suni“ Williams – zwei Astronauten, denen ich seit meiner Bewerbung für diese Mission genau folge – befinden sich derzeit im Weltraum und stehen ihren eigenen Herausforderungen gegenüber. Es ist surreal, dass wir trotz der großen Entfernungen so tief in unseren Missionen verbunden sind.

Als ich mich für diese Studie beworben habe, ging es nicht nur darum, der Wissenschaft zu dienen – es war der Wunsch, einen Beitrag zu etwas Größerem zu leisten. Fast zeitgleich bereiteten sich Butch und Suni auf ihren Testflug mit dem Starliner vor. Sie waren startklar, doch ihre Mission wurde immer wieder verschoben. Während ich die sieben Runden des Auswahlverfahrens durchlief, hatten auch sie mit Rückschlägen zu kämpfen. Bei jedem meiner Schritte der Bewerbung, jedem neuen Formular, jedem Auswahl-Interview und jeder medizinischen Untersuchung erhielt ich Nachrichten über eine weitere Verschiebung ihres Starts. Es fühlte sich an, als würden wir parallele Wege beschreiten – jeder von uns versuchte voranzukommen und wartete auf das finale grüne Licht.

Als ich schließlich offiziell für die Mission ausgewählt wurde, waren Butch und Suni endlich auf dem Weg zur ISS. Doch technische Probleme mit den Triebwerken der Raumkapsel führten dazu, dass die NASA die Kapsel unbemannt zurückschicken musste. Plötzlich saßen Butch und Suni im Weltraum fest und würden so bald nicht zur Erde zurückkehren.

Auf eine seltsame Art brachte mich ihre Situation dazu, über meine eigene nachzudenken. Während ich hier in Kopftieflage liege und für Wochen unbeweglich bleibe, denke ich an ihre Enge an Bord der ISS. Sie wie ich sind physisch eingeschränkt – ich durch mein Bett, sie durch ihr Raumschiff. Doch was mich antreibt, ist das Wissen, dass wir beide Teil von etwas Wichtigem sind. Während sie wissenschaftliche Experimente im Weltraum durchführen, leiste ich hier auf der Erde meinen Beitrag zur Forschung, die zukünftigen Astronautinnen und Astronauten helfen soll, besser mit Langzeitmissionen im Weltraum umzugehen.

Alltag als terrestrischer Astronaut
Mit meiner Arbeit als Proband der Bettruhestudie trage ich dazu bei, wichtige Daten zu liefern, damit zukünftige Astronautinnen und Astonauten bei Langzeitmissionen zu Mond und Mars gesund bleiben.

Durch die wochenlange Bettruhe kommt es bei mir allmählich zu einem Abbau von Muskeln und Knochendichte – ähnlich wie bei Astronauten in der Schwerelosigkeit. Studien zeigen, dass Menschen im Weltraum pro Monat bis zu ein bis zwei Prozent ihrer Knochendichte verlieren, und ohne geeignete Gegenmaßnahmen kann es zu einem signifikanten Muskelschwund kommen – zwischen zehn bis 20 Prozent bei Kurzzeit- und bis zu 50 Prozent bei Langzeitmissionen. Während ich diesen Blogbeitrag verfasse, kämpfen Butch und Suni gegen genau diese Effekte an und setzen spezielle Trainings- und Ernährungsprogramme ein, um den Abbau zu minimieren.

Neben dem Verlust von Knochendichte und Muskelmasse ist meine Analog-Mission besonders darauf ausgerichtet, die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf das sensomotorische System – also die Koordination zwischen Sinneswahrnehmung und Bewegung – zu erforschen und neue Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Mein Ziel ist klar: der Wissenschaft verlässliche Daten zu liefern. Alles, was ich hier tue, dient diesem übergeordneten Zweck, um sicherzustellen, dass zukünftige Astronautinnen und Astronauten auf langen Weltraummissionen zum Mond und Mars stark und gesund bleiben.

Neben Hightech-Fitnessgeräten und Nahrungsergänzungsmitteln gibt es eine weitere entscheidende Ressource, die Butch, Suni und mir hilft, mit den Herausforderungen der Schwerelosigkeit umzugehen: das unglaubliche Unterstützungsteam, sowohl im Weltraum als auch auf der Erde. Für mich sind es die elf anderen Teilnehmer, die wie ich die 60-tägige Kopftieflage durchmachen, und das engagierte Team aus über 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und Support-Mitarbeitenden des DLR, das sich in jeder Phase um unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden kümmert.

Natürlich gibt es auch schwierige Momente. Es kommt vor, dass ein Experiment wiederholt werden muss oder eine Aktivität sich länger hinzieht als geplant. In solchen Augenblicken versuche ich, das große Ganze im Blick zu behalten: Die Arbeit, die ich hier leiste, steht in direktem Zusammenhang mit dem, was Butch und Suni im Weltraum durchmachen. Auch sie stehen vor Herausforderungen, doch sie machen weiter, weil sie um die Bedeutung ihrer Mission wissen. Diese Einstellung versuche ich zu übernehmen. Und als kleines, motivierendes Detail trage ich meine NASA-Kleidung, um mich noch stärker mit den Astronauten über uns verbunden zu fühlen – selbst wenn uns 400 Kilometer trennen.

Bis bald zurück auf der Erde, Butch und Suni!

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