Thermochemische Systeme

Im Kompetenzfeld Thermochemische Systeme befassen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit reversiblen Gas-Feststoff-Reaktionen und deren Anwendung im Bereich der Energiespeicherung und -wandlung. Dabei werden unterschiedliche Reaktionssysteme auf der Basis von Wasserstoff oder Wasserdampf als gasförmigem Reaktionspartner für Anwendungen in der Gebäudewärmeversorgung, der industriellen Prozesstechnik sowie für einen Einsatz im mobilen Bereich genutzt. Das Hauptaugenmerk des Fachgebiets liegt auf der technologischen Umsetzung innovativer Speicher- und Reaktorkonzepte und deren Demonstration im Labor- bzw. Technikumsmaßstab.

Anwendungsfelder

Kalkspeicher zum saisonalen Ausgleich:

Während bei der erneuerbaren Stromerzeugung in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt wurden, ist der Anteil des durch erneuerbare Technologien gedeckten Wärmebedarfs bisher gering. Ungefähr 83 % des Endenergiebedarfs in einem durchschnittlichen deutschen Haushalt entfallen jedoch auf Heizwärme sowie Warmwasser und werden bisher im Wesentlichen durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern gedeckt. Damit sind dem Wärmesektor alleine 30 % der gesamtdeutschen energiebedingten CO2 Emissionen zuzuschreiben.

Die reversible chemische Speicherung von Wärme ermöglicht eine langfristige Speicherung ohne Verluste und ist besonders geeignet für Anwendungen in der Fernwärmeversorgung, wenn kalkbasierte Speicher genutzt werden. Die thermochemische Speicherung bietet durch ihre hohe Speicherdichte und kostengünstige Materialien eine skalierbare Lösung für saisonale Energiespeicherung in Einfamilienhäusern. Mit dem Einsatz von kalkbasierten Speichern adressieren wir eine Kopplung der Sektoren Strom und Wärme, allerdings – im Gegensatz zu einer Wärmepumpe - mit einer Speicherfunktion zur zeitlichen Entkoppelung.

Thermochemische Hochleistungsreaktoren:

Im Rahmen effizienter und umweltfreundlicher Mobilität von Morgen untersuchen wir die chemische Wasserstoffspeicherung als auch die Heizung/Klimatisierung aus Überschussenergie auf Basis von Metallhydriden. Metallhydride entstehen, wenn gasförmiger Wasserstoff sich mit Metallen verbindet. Durch diesen beliebig oft wiederholbaren wärmegetönten Prozess wird Wasserstoff sicher gespeichert und es kann Wärme oder Kälte erzeugt werden. Um diese Effekte für die Speicherung oder Klimatisierung nutzbar zu machen, werden thermochemische Hochleistungsreaktoren benötigt, die eine schnelle Gasbereitstellung und eine sehr gute Wärmeübertragung ermöglichen.

Die Druckenergie im Wasserstofftank steht sowieso zur Verfügung und wird bisher nicht genutzt. Durch die Integration in die Wasserstoffinfrastruktur von Brennstoffzellenfahrzeugen können solche Klimatisierungs-Komponenten einen wichtigen Beitrag zu einem effizienten Thermomanagement für Elektrofahrzeuge (BZ und Batterie) leisten.

Kompetenzen

Durch das Prinzip der chemischen Speicherung von Wärme ergeben sich unterschiedliche Vorteile wie beispielsweise:

  • eine hohe Speicherdichte
  • eine verlustfreie Langzeitspeicherung
  • kostengünstige Speichermaterialien

Je nach Reaktionssystem kann die thermochemische Speicherung zudem in einem breiten Temperaturbereich angewendet werden - von unterhalb der Raumtemperatur bis zu 1000 °C.

Langzeitspeicherung

Auf Grund der chemischen Speicherprinzips kann die Reaktionswärme verlustfrei gespeichert werden. In Verbindung mit kostengünstigen Speichermaterialien, wie bspw. Kalkstein, natürlichen Salzen oder reagierenden Abfallstoffen, können so kosteneffiziente Langzeitspeicher entwickelt werden.

Wärmetransformation

Durch die Druckabhängigkeit der Gas-Feststoff-Reaktion können thermochemische Speicher auch zur Transformation von Wärme verwendet werden. Dabei kann die Entladungstemperatur des Speichers oberhalb der zur Beladung notwendigen Temperatur liegen. Dies ist insbesondere für die thermische Aufwertung von Prozesswärme interessant.

Synergien mit Wasserstoff als Energieträger

Das Prinzip der chemischen Wasserstoffspeicherung wird seit vielen Jahre untersucht und beruht auf einer chemischen Verbindung zwischen dem Wasserstoffgas und einem Feststoff. Im Kompetenzfeld Thermochemische Systeme wird die bei der Reaktion entstehende Wärme oder Kälte genutzt – dadurch ergeben sich vielversprechende Synergien mit H2 als Energieträger. So kann bspw. die Druckdifferenz des Wasserstoffstroms (vom Speicher zur Brennstoffzelle) als Antrieb für eine Kälteanlage oder Wärmepumpe genutzt werden.

Aktuelle Forschung und Entwicklung

Wir arbeiten im Wesentlichen am Transfer von spezifischen thermochemischen Materialeigenschaften zu einem technisch nutzbaren System. Dabei ist ein zentraler Aspekt ist die Qualifizierung von Reaktionsmaterialien, die wir in enger Zusammenarbeit mit unseren Partnern vorantreiben. Gleichzeitig entwickeln wir innovativer Reaktoren, um die Effizienz und Leistungsfähigkeit dieser Materialien optimal nutzen zu können. Unsere Systeme und Technologien demonstrieren wir in Laborumgebung, um ihre Funktionsfähigkeit unter kontrollierten Bedingungen zu prüfen. Gemeinsam mit unseren Partnern integrieren wir diese anschließend und entwickeln Betriebsstrategien in realer Umgebung

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Annelies Vandersickel

Abteilungsleiterin Thermische Prozesstechnik
Institut für Technische Thermodynamik
Thermische Prozesstechnik
Pfaffenwaldring 38-40, 70569 Stuttgart