INTENTAS
Atominterferometer sind vielseitig einsetzbare Werkzeuge zur Messung von Gravitation und inertialen Kräfte, die in Zukunft auf der Erde und im Orbit zum Einsatz kommen werden. Die Sensitivität herkömmlicher Atominterferometer stößt allerdings an eine fundamentale Grenze, das sogenannte Standard-Quantenlimit. Im Projekt INTENTAS wird versucht, diese Limitierung zu durchbrechen, in dem die Atome mit einander verschränkt werden. Diese Technik soll dabei in ein System integriert werden, dass robust und kompakt gebaut wird, damit es für zukünftige Satellitenmissionen erprobt werden kann.
Im INTENTAS Projekt arbeitet das Institut für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik in einem Verbundprojekt mit der Leibniz Universität Hannover, dem Ferdinand-Braun-Institut in Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin, der TU Darmstadt und der Universität Ulm, daran, Atominterferometer für zukünftige Einsätze in Schwerelosigkeit mit beispielloser Sensitivität auszurüsten.
Atominterferometer sind hochauflösende Messwerkzeuge, die zur Bestimmung inertialer Kräfte wie Beschleunigung, Rotation oder der Gravitation eingesetzt werden können. Hierbei werden Atome im freien Fall in eine quantenmechanische Superposition aus zwei Zuständen gebracht. Die Interferenz zwischen diesen Zuständen ergibt das Messsignal des Interferometers. Die Auflösung der Messung wird dabei umso größer, je mehr Atome vorhanden sind und je länger sich diese Atome in dem Superpositionszustand befinden. Gerade für lange Interrogationszeiten und hohe Teilchenzahldichten eignen sich ultrakalte Atome in sog. Bose-Einstein-Kondensaten (BECs), wie sie auch im Projekt INTENTAS verwendet werden.
Die Interrogationszeit, also die Zeit, in der die Atome frei fallen, ist hierbei auf der Erde durch die Gravitation und die Größe des Messgeräts begrenzt. Lange Interrogationszeiten können auf der Erde in immer größer werdenden Apparaten oder in der Schwerelosigkeit im Weltraum erreicht werden. Für das Projekt INTENTAS wird der Betrieb unter Schwerelosigkeit für zukünftige Raummissionen im Einstein-Elevator am HITec in Hannover getestet. Hier ermöglicht eine kontrollierte Beschleunigung und anschließender freier Fall eine Reduktion der Schwerekraft der Erde auf ein Millionstel ihres Wertes, wodurch sich die verfügbare Zeit in Schwerelosigkeit auf über 4 Sekunden erhöht.
Die erreichbare Präzision hängt aber nicht nur von der Interferometer-Zeitdauer ab. Neben vielen technischen Parametern gibt es auch eine fundamentale Limitierung der Auflösungsverbesserung: das sog. Standard-Quantenlimit. Diese Limitierung hängt mit der Teilchenzahl zusammen und besagt, dass eine Verbesserung der Auflösung um z.B. das zehnfache nur erreichbar ist, wenn die Zahl der Atome um einen Faktor 100 erhöht wird. Da die verfügbare Teilchenzahl technisch und auch fundamental begrenzt ist, lässt sich daher die Genauigkeit nicht beliebig steigern.
Das Standard-Quantenlimit kann nur überwunden werden, indem verschränkte Atome erzeugt und verwendet werden. Dabei werden starke Korrelationen zwischen den Atomen erzeugt, die dann das Quantenrauschen unter den Wert des Standard-Quantenlimits gedrückt („gequetscht“) werden. Eine maximale Verschränkung ermöglicht dann eine Verbesserung der Auflösung des Atominterferometers, die direkt mit der Teilchenzahl skaliert (10-mal mehr Teilchen, 10-fach bessere Auflösung).
Bisher wurden die Technologien zur Erzeugung von Verschränkung mit Atomen nur in aufwendigen dedizierten Laborexperimenten entwickelt, die oftmals einen ganzen optischen Tisch und weitere Räumlichkeiten in Beschlag nehmen.
Im Projekt INTENTAS ist das Ziel, diese Technologie in einen kompakten und robusten atomaren Sensor zu integrieren und die Tauglichkeit des Systems für Schwerelosigkeit durch den Betrieb im Einstein-Elevator zu demonstrieren. Hauptziel ist es dabei, eine interferometrischen Sensitivität jenseits des Standard-Quantenlimits in Schwerelosigkeit zu beweisen.
Wenn dies gelingt, ist es ein entscheidender Schritt in Richtung eines zukünftigen Einsatzes für Hoch-präzisionsinterferometer im Weltraum. Denn eine weitere deutliche Steigerung der Sensitivität ist zu erwarten, wenn die Atominterferometrie im Erdorbit eingesetzt werden kann, wo prinzipiell beliebige Freifallzeiten erreicht werden können.
Ist die Technologie erstmals erfolgreich erprobt, ergeben sich direkte Anwendungen für hochpräzise Atominterferometer, wie z.B. satellitengestützte und terrestrische Erdbeobachtung sowie Navigation.
Zusätzlich eignen sich die im Projekt INTENTAS geplanten Messungen am Einstein-Elevator zur Exploration zur Dynamik quantenverschränkter Atomuhren im freien Fall. Außerdem kann die Kohärenz der Quantenzustände über lange Zeiten überprüft werden. Auf diese Art lassen sich Aussagen über die Gültigkeit der Quantenmechanik treffen, z.B. durch Tests der Theorie der kontinuierlichen spontanen Lokalisierung.
Projektteilnehmer im Verbund
- Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt Institut für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik (Hannover)
- Leibniz Universität Hannover
- Ferdinand-Braun-Institut in Berlin
- Humboldt-Universität zu Berlin
- TU Darmstadt
- Universität Ulm