3DCeraTurb – Neue Materialien und Fertigungstechnologien für die Turbine
Laufzeit: 2021-2024
Wie können heutige, hochentwickelte Flugzeug-Triebwerke noch effizienter und umweltverträglicher werden? Wie lassen sich höhere Verbrennungstemperaturen und Korrosionsbeständigkeit bei gleichzeitiger Gewichtseinsparung realisieren?Neue Materialien und Herstellungstechnologien sind hierfür eine wesentliche Voraussetzung. Seit diesem Jahr arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus sechs verschiedenen Instituten und Einrichtungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Projekt 3DCeraTurb an der Entwicklung neuartiger Turbinenschaufeln auf Basis von zwei der vielversprechendsten neuen Werkstoffklassen: additiv gefertigte Metalle und keramische Faserverbundwerkstoffe. Mit der Auslegung einer einheitlichen material- und fertigungsgerechten Schaufel-Außengeometrie konnte nun ein erster wichtiger Meilenstein erreicht werden.Ziele des Projekts 3DCeraTurb sind die Auslegung und Fertigung von keramischen und metallischen Stator-Schaufeln für eine Hochdruckturbine, die experimentelle Untersuchung der Schaufeln im Windkanal sowie die Bewertung von Performance, Schädigung und Lebensdauer. für einen späteren Einsatz in einem Flugzeug-Triebwerk. Damit bündelt das DLR seine Fähigkeiten in den Bereichen neue Werkstoffe, Auslegungsfähigkeit, Bauteilfertigung sowie Test- und Bewertungskompetenz. Auf dieser Basis soll im DLR auch eine grundlegende Prozesskette aus Design, Herstellung, Beschichtung, Validierung und Lebenszeitbewertung für keramische Faserverbundwerkstoffe aufgebaut werden.
Potentiale neuer Werkstoffe und Kühlkonzepte
Die große Herausforderung für Werkstoffe im Flugzeug-Triebwerk liegt in der extremen Hitze sowie in den starken Temperaturwechseln. Zur Steigerung der Effizienz und des Wirkungsgrads von Triebwerken geht der Trend zu immer höheren Temperaturen. Solche Temperaturen sind nur mit neuen, temperaturbeständigeren Werkstoffen und verbesserten Kühlkonzepten zu erreichen. „Aber auch die Fertigungstechnologie und Bauweise spielen eine entscheidende Rolle, um einen potentiellen neuen Werkstoff für die gewünschte Anwendung erst nutzbar zu machen.“ sagt Co-Projektleiter Dr. Michael Welter.
Die additive Fertigung von Metallen verspricht besondere Vorteile bei der Realisierung neuer, komplexer Kühlkonzepte für Triebwerkskomponenten: Diese Herstellung ermöglicht neuartige Kühlgeometrien in der Turbine, weil Restriktionen für z.B. Form und Verlauf der Filmkühlbohrungen der konventionellen Fertigung wegfallen. Im Rahmen des Projekts 3DCeraTurb untersucht das DLR daher neue Kühltechniken, die besonders effektiv wirken und gleichzeitig wenig Kühlluft benötigen, um so die Triebwerkseffizienz weiter zu erhöhen. Eine bessere Temperaturbeständigkeit versprechen vor allem keramische Werkstoffe, die sich durch ausgezeichnete Hochtemperatureigenschaften hervorheben. Für den Einsatz als Strukturbauteil im Flugzeug-Triebwerk sind monolithische Keramiken aufgrund ihrer inhärenten Sprödigkeit jedoch wenig geeignet. Aufgrund ihrer schadenstoleranten Eigenschaften sind hier insbesondere faserverstärke Keramiken, sogenannte ceramic matrix composites (CMC), von Interesse. Im DLR entwickelte SiC/SiC CMC halten ungekühlt derzeit Dauerbelastungen von bis zu 1.250 °C stand, mit weiterem Entwicklungspotential zu noch höheren Temperaturen. Darüber hinaus können durch geeignete Schutzschichten sowohl die Wärmebelastung als auch der korrosive Angriff reduziert werden. Durch die geringere Dichte der faserverstärkten Keramiken entsteht das Potential das Gewicht des Flugzeug-Triebwerks zu senken und damit ein herausragendes Verhältnis von Schub und Gewicht zu erzielen.
DLR legt Grundstein für Herstellungsstrategien von Turbinenbeschaufelungen
Im Rahmen des Projekts wird ebenfalls eine Prozesskette und eine entsprechende Fertigungsstrategie zur Herstellung von Turbinenbeschaufelungen sowohl für CMC als auch die additive Fertigung entwickelt. Insbesondere für die CMC-Werkstoffe und deren Fertigung stellt die komplexe Schaufelgeometrie eine wesentliche Herausforderung dar. Im Fokus der Forscherinnen und Forscher liegt daher die Übertragung der Fertigungstechnologie von Flachproben auf komplexe full-scale Bauteile, die in Zukunft Anwendung im Flugzeug-Triebwerk finden sollen.
Die Herstellungsdaten der keramischen Faserverbundwerkstoffe werden außerdem in eine „High-Fidelity“ Multiskalensimulation integriert, sodass die Lebensdauervorhersagemodelle hinsichtlich der Herstellungsspezifikationen angepasst werden können. Die Nachvollziehbarkeit der generierten Daten wird durch die Untersuchung der Provenienz gewährleistet. Damit legen die Wissenschaftler des DLR den ersten Baustein einer Prozesskette, in der die Aspekte der Auslegung, Herstellbarkeit und Bewertung der beiden zukünftigen Werkstoffklassen detailliert vertreten sind.
Experimentelle Langzeittests ermöglichen Aussagen zur Lebensdauer der Schaufeln
Die Untersuchung und Bewertung der hergestellten Turbinenschaufeln hinsichtlich Kühleffizienz und aerodynamischer Performance erfolgt im DLR-Windkanal für Ebene Gitter am Institut für Antriebtechnik. Außerdem interessieren sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für die Lebensdauer der unterschiedlichen Werkstoffe. Hierzu werden unter anderem die Degradationsmechanismen der Multi-Schichtsysteme im Temperatur-Gradienten-Prüfstand, im Thermo-Wechsel-Prüfstand und in einem Hochtemperaturofen unter Aufbringung einer korrosiven Wasserdampf-Atmosphäre untersucht und mit den Ergebnissen der Schädigungsberechnungen verglichen. Die Untersuchungen liefern auch wichtige Erkenntnisse für den Einsatz von Wasserstoff im Triebwerk, z.B. hinsichtlich möglicher Werkstoff-Versprödung aufgrund von Wasserstoffkorrosion.
Am Projektende wird die Technologiereife der Materialien und Technologien für das im DLR entworfene Ultra High Bypass Getriebefan-Triebwerk (UHBR-GTF) bewertet, das einem Langstreckenflugzeug mit dem Technologieniveau 2028 entspricht und für eine kurze Startbahnlänge ausgelegt worden ist. „Wir müssen am Ende eine Bewertung über die Technologiereife der Werkstoffkonzepte abgeben, inwieweit sich diese für die Anforderungen des Flugzeug-Triebwerks eignen.“ sagt Projektleiterin Dr.-Ing. Anna Petersen.