Arbeiten bei Gegenwind (Teil 1): Lukas Firmhofer - Projektleiter und Problemlöser

Lukas Firmhofer im Forschungswindpark WiValdi.
Ein Arbeitsplatz an der frischen Luft - Lukas Firmhofer steht auf dem Turbinenhaus einer der Windenergieanlagen des DLR.

Krummendeich. Da, wo der Deich zur Elbe hin nicht gerade, sondern kurvig verläuft. 390 Einwohner. Flaches Land, wo der Wind zum Alltag gehört. Seit dem Sommer 2023 drehen sich dort die Rotorblätter von OPUS 1 und 2 des Forschungswindparks WiValdi. Wenn ein Rotorblatt senkrecht steht, befindet sich seine Spitze in 150 Metern Höhe. Was man von weitem nicht sieht: Die Windkraftanlagen und die Messmasten sind vom Fundament bis zur letzten Rotorspitze mit insgesamt 1500 Sensoren bestückt, die rund um die Uhr Daten erfassen und aufzeichnen. Und wer genau hinsieht, stellt fest, dass die beiden Windenergieanlagen in Hauptwindrichtung hintereinander angeordnet sind - für kommerzielle Anlagen ein absolutes No Go, weil die hintere Anlage in der Windverwirbelung der ersten steht. Beides ist gewollt, denn WiValdi ist als Forschungsanlage nicht auf die größtmögliche Erzeugung von Strom ausgerichtet, sondern auf die größtmögliche Gewinnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Lukas Firmhofer, Kevin Gnebner und Julia Menken haben alle schon in 90 Metern Höhe auf dem großen Maschinenhaus gestanden und kräftig Gegenwind gespürt. In drei Beiträgen stellen wir die Menschen vor, die am und mit dem Windpark arbeiten.

Von der virtuellen Datei zur Infrastruktur für Forschende

Arbeiten bei Gegenwind (Teil 1): Lukas Firmhofer - Projektleiter und Problemlöser
Schwindelfrei für die Arbeit vor Ort

„Niemand kennt diese Anlagen so gut wie wir“, sagt Lukas Firmhofer von der DLR-Einrichtung Windenergieexperimente. Der 31-Jährige hat den Aufbau der beiden Windkraftanlagen begleitet und leitet derzeit den Zusammenbau der dritten, kleineren Experimentanlage OPUS 3. Vieles, wofür Firmhofer in den letzten Jahren am Rechner in seinem Büro gearbeitet hat, macht jetzt den Schritt aus der Planung in die Realität. Als die Rotorblätter der ersten beiden Anlagen nach Krummendeich geliefert wurden, war er vor Ort. Nachts, im strömenden Regen, habe er den Schwertransport begleitet. „Nach langen Jahren der Vorbereitung, geht’s endlich los - statt einer virtuellen Datei auf dem PC steht da auf einmal so etwas mitten auf dem Feld“, erinnert er sich an den Moment. Seitdem stand er bereits in 90 Metern Höhe auf der Turbine und kletterte auf die 150 Meter hohen, freistehenden Messmasten. Schwindelfrei? Ja, auf jeden Fall. Sonst wäre das wahrscheinlich auch trotz Schulungen und trotz Unterstützung des Teams des Unternehmens Enercon wohl kaum gegangen.

Problemlöser für das Projekt

2019 kam Lukas Firmhofer nach einem Studium in Maschinenbau im Allgäu und einem Studium der Windenergietechnik in Flensburg zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Mittlerweile ist er für die DLR-Einrichtung Windenergieexperimente zum DLR-Standort Augsburg gezogen, um dort den Bau der dritten Windkraftanlage zu leiten. „Projektleitung bedeutet immer: Man macht morgens den Rechner an und hat das Email-Postfach voller Probleme“, sagt er. Lieferverzögerungen, Fachkräftemangel oder auch eine Pandemie wie Corona sind auch bei bester Projektplanung nicht vorhersehbar. „Damit muss man umgehen und reagieren können.“ Das richtige Mindset sei: „Wir werden diese Probleme alle lösen“.

DLR-Forschungswindpark WiValdi
Zum Forschungswindpark gehören mehrere Windenergieanlagen sowie Messmasten.

In Zukunft werde man notgedrungen mehr Windkraftanlagen auf kleineren Flächen errichten. Das sei aber nur möglich, wenn die Anlagen kompakter beieinander stehen - mit Turbulenzen, die bei den Anlagen in zweiter oder dritter Reihe zu deutlich höheren Belastungen führen: „Die werden ganz schön durchgeschüttelt und haben dadurch eine kürzere Lebensdauer.“ Außerdem habe man früher mit einer einzelnen Anlage möglichst viel Strom erzeugen wollen, heute gelte es, mit einem ganzen Windpark mit vielen Anlagen möglichst viel Strom zu gewinnen. Dazu gehöre dann auch, einzelne Anlagen herunterzuregeln, um sie zu schonen oder Wartungsintervalle zu verlängern. Mit dem Forschungswindpark WiValdi stellt das DLR deshalb eine Infrastruktur zur Verfügung, mit dem das DLR, aber auch Partner aus Forschung und Industrie ein möglichst breites Spektrum an entsprechenden Fragen untersuchen kann. „Ein riesiger Spielplatz für Windenergieforscher", sagt Lukas Firmhofer. Dass so ein „Spielplatz“ bei den Anwohnern von Krummendeich oft auf sehr unterschiedliche Akzeptanz trifft und polarisiert, ist dem Windenergie-Team im DLR bewusst. „Kommunikation ist da unheimlich wichtig.“ Eine Aufgabe, die deshalb ebenfalls zu seiner Arbeit im Projekt-Team gehört: Informationsveranstaltungen oder auch regelmäßige Einträge in einem Baustellen-Tagebuch im Internet sollen alle mitnehmen und für die notwendige Transparenz sorgen.

Forschung mit Zukunft

Auf der Baustelle in Krummendeich

Dort erfährt man auch, was gerade die Arbeitszeit des Projektleiters vollständig in Anspruch nimmt: die Windkraftanlage OPUS 3. Diese Anlage entwickelt und baut das DLR als klassischen Teststand, an dem jede einzelne Komponente ausgewechselt und getestet werden kann. „Wenn man dann eine Idee zum Beispiel für ein neues Rotorblatt-Design hat, skizziert man sie mit Zettel und Stift. Im nächsten Schritt macht man ein CAD-Modell und eine Simulation. Dann macht man mit einem kleinen Modell Versuche im Windkanal - und danach kann es schon an die Experimentalanlage ins Feld zum Testen gehen.“ Während in Krummendeich die Rammarbeiten für das Pfahlfundament liefen, fing am DLR-Standort Augsburg die Vormontage der Gondel an. Noch in diesem Jahr soll die Experimentalanlage im Windpark in Norddeutschland aufgestellt werden. Dann wird Lukas Firmhofer sehr wahrscheinlich auch wieder auf dem Feld stehen, den Aufbau vor Ort begleiten und anfassen können, was aus den jahrelangen Planungen und Projektarbeiten entstanden ist.

Die Forschung für die Windenergie wird immer dynamisch bleiben, da ist er sich sicher. „Die Anlagen müssen besser werden, effizienter, leiser, umweltverträglicher und günstiger.“

Die Stellenangebote des DLR findest du hier.

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