Jeannette Endres-Becker ist Koordinationsgruppenleiterin des Teams Globale Gesundheit im DLR Projektträger mit rund zehn Mitarbeitenden. Ihr Weg zum DLR? Vielleicht etwas ungewöhnlich, denn eigentlich hat es die heute 47-Jährige in andere Sphären gezogen. Warum sie ihre Arbeit als Wissenschaftliche Referentin beim DLR Projektträger trotzdem sehr schätzt und sich am richtigen Ort fühlt, erzählt sie im Interview.
Das Interview führte Manuela Braun.
Du hast Pharmazie studiert, warst Apothekerin, hast an der Charité Berlin promoviert und dann an der Uniklinik Köln gearbeitet. Wie kommt der Wechsel von dieser sehr praktischen Arbeit in den administrativen Projektträger?
Das stimmt: Früher stand ich oft im Labor, was ich auch sehr gerne gemacht habe. Die Tätigkeit in der Wissenschaft an deutschen Hochschulen ist aber steinig und schwierig. Man weiß nie so richtig: Geht es für mich weiter und wenn ja, wie? Das war mir zu unsicher. Daher habe ich nach einer Alternative gesucht. Auf das DLR aufmerksam geworden bin ich dann 2008 über die Astronautenausschreibung, bei der später dann neben anderen Alexander Gerst ausgewählt wurde. Weil mich Luft- und Raumfahrt fasziniert, habe ich diese einmalige Chance ergriffen und mich beworben. Leider bin ich im Laufe des Verfahrens schon früh ausgeschieden, habe dann aber eine beim DLR Projektträger ausgeschriebene Stelle entdeckt. Das Schöne ist: Jetzt habe ich zwar einen Bürojob, aber immer noch den Bezug zur Wissenschaft. Wir machen die Wissenschaft zwar nicht selbst, aber wir stoßen sie an und begleiten sie. Durch unsere Zuarbeiten an das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bespielen wir die politische Ebene mit. Das Arbeiten an dieser Schnittstelle macht das Ganze spannend.
Wie könnte bei Dir ein Arbeitstag aussehen?
Meine Arbeitstage können tatsächlich sehr unterschiedlich aussehen. Das ist das Schöne bei mir im Job. Es passiert häufig etwas relativ Unvorhergesehenes. Vieles erreicht uns dringlich und mit kurzen Fristen: Das können Terminvorbereitungen für unsere Auftraggeber sein, das können Projektübersichten oder fachliche Einschätzungen sein. Oder auch umfangreiche Recherchen, wenn jemand wissen möchte, was das Ministerium zum Beispiel alles zum Thema Grippe fördert.
Unsere originäre Aufgabe für das BMBF ist es, Förderprogramme zu konzipieren und diese zu managen. Bei mir sind das Förderprogramme zur Infektionsforschung und Programme, in denen es um vernachlässigte Tropenkrankheiten geht und die Zusammenarbeit mit Subsahara-Afrika im Vordergrund steht. Wir konzipieren die Ideen für solche Förderprogramme, entwickeln diese in enger Abstimmung mit dem Ministerium und prüfen formal die eingehenden Anträge aus der Wissenschaft. Teilweise begutachten wir die Anträge auch selbst. Gibt es einen positiven Bescheid für die Forschenden, beantragen diese die Gelder. Auch diese Anträge werden von uns geprüft, bevor der Zuwendungsbescheid erteilt wird. Ein klassisches Forschungsprojekt läuft mehrere Jahre und wird von uns in dieser Zeit betreut. Wir erhalten regelmäßig Zwischenberichte, aber auch die finanziellen Nachweise und den Schlussbericht.
Womit beschäftigt sich zum Beispiel eines eurer aktuellen Projekte?
Ein aktuelles Projekt ist das Forschungsnetzwerk TAKeOff - es ist häufig bei uns der Fall, dass wir nicht einzelne Projekte betreuen, sondern Verbünde und Netzwerke, in denen verschiedene Partner interdisziplinär zusammenarbeiten und so auch einen Mehrwert generieren. Thema bei TAKeOff ist die Behandlung von Filariosen, also Infektionen mit parasitischen Fadenwürmern. Das ist eine Erkrankung, die in bestimmten Ländern in Subsahara-Afrikas verbreitet ist, und zu den vernachlässigten Tropenkrankheiten zählt. Filariose ist eine sehr belastende Krankheit, die auch stigmatisierend ist, weil die Erkrankung zu entstellenden, schmerzhaften Schwellungen an Füßen und Beinen führt. Es gibt bereits Therapien, die aber nicht ausreichend zielführend sind. Das Netzwerk erforscht, ob bestimmte Medikamentenkombinationen besser wirken. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Gesundheitsaufklärung vor Ort: Über Schulungen und Informationskampagnen werden die Menschen dabei unterstützt, die Krankheit besser zu verstehen und vorzubeugen, etwa durch regelmäßige Fußhygiene.
Macht ihr euch auch selbst ein Bild vom Projekt vor Ort?
In den nationalen Projekten in Deutschland ist man im Laufe eines Drei-Jahres-Projekts schon auch mal vor Ort. Viele Fördermaßnahmen fördern größere Netzwerke, die sich regelmäßig zum Austausch treffen - dort sind wir dann auch dabei. Bei Afrika ist der Aufwand natürlich höher, da sind wir seltener vor Ort. In Ghana und Südafrika haben wir aber zum Beispiel Veranstaltungen organisiert, bei denen sich alle Netzwerke getroffen und ausgetauscht haben. Ziel war es, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit den politischen Stakeholdern aus den afrikanischen Ländern zusammenzubringen. Es hapert oft daran, die Ergebnisse der Forschung in die Praxis umzusetzen, und dafür brauchen wir die politische Ebene vor Ort.
Wieso beschäftigt sich der Projektträger und die Forschung in Deutschland mit Krankheiten zum Beispiel in Afrika? Welchen Nutzen können wir daraus ziehen?
Es gibt viele Erkrankungen, die scheinbar ganz weit weg von Europa sind, aber tatsächlich durch den Klimawandel auch bei uns auftauchen. Zum Beispiel grassiert das Dengue-Fieber jetzt schon zum Teil in Spanien. Und die Corona-Pandemie war natürlich der Weckruf, der klar gemacht hat: Mit nationalem Denken und der Einstellung „Wir fördern nur bei uns, sollen die anderen mal selbst ihre Forschung fördern“ - kommt man bei Infektionskrankheiten irgendwann nicht mehr weiter. Hier müssen alle zusammenarbeiten und die Wissenschaft muss sich weltweit vernetzen. Und davon profitieren wir unmittelbar!
Bei Infektionskrankheiten müssen alle zusammenarbeiten, die Wissenschaft muss sich weltweit vernetzen.
Bei deiner Arbeit ist immer wieder die Rede von Netzwerken. Ihr seid eine Schnittstelle, die alle in Kontakt bringt und den Austausch fördert. Was muss man für so eine Tätigkeit mitbringen?
Man muss verschiedene Sprachen verstehen - das ist aber nicht im Sinne von Fremdsprachen gemeint. Wir sehen uns als Mittler und Übersetzer zwischen Wissenschaft und Politik. Die sprechen tatsächlich unterschiedliche Sprachen und sind von ihren Strategien und Interessen ganz unterschiedlich unterwegs. Oft stoßen da Welten aufeinander. Nicht nur zwischen Politik und Wissenschaft, sondern auch zwischen Wissenschaft und Verwaltung. Wir wollen alle zusammenbringen und die unterschiedlichen Sprachen übersetzen. Das ist die Transferleistung, die wir leisten.
Welchen beruflichen Hintergrund haben die Mitarbeitenden im Projektträger?
Die meisten kommen aus den Natur- und Sozialwissenschaften - hier gibt es viele aus den Bereichen Biologie, Psychologie, Medizin; ich bin auch nicht die einzige ausgebildete Apothekerin im DLR Projektträger. Um Fördermaßnahmen gut zu konzipieren, braucht man einen fachlichen Hintergrund. Ein naturwissenschaftliches Verständnis hat schon große Vorteile bei unserer Arbeit. Aber um all unsere Aufgaben stemmen zu können, brauchen wir auch die Expertise unserer Fördermittelmanagerinnen und -manager, die einen betriebs- oder verwaltungswirtschaftlichen Hintergrund haben, und natürlich unserer Kolleginnen und Kollegen im Büromanagement. Nur zusammen mit ihnen können wir die geförderten Projekte ordentlich betreuen.
Was ist dein Ausgleich zu dieser Tätigkeit an so vielen Schnittstellen?
Privat liebt Jeannette Endres-Becker die Acrylmalerei.
In meiner Freizeit mache ich Acrylmalerei - also gar nichts Naturwissenschaftliches, nichts Rationales. In meinen Bildern pendele ich zwischen der abstrakten und der realen Welt, zwischen Fläche und Linie, zwischen kräftigen und gedämpften Farben. Malen bedeutet für mich, Details einzufangen, die im Alltag nicht gesehen werden.
Offene Stellen beim DLR Projektträger findet ihr hier.