Expertise

Baustelle WiValdi

Der Forschungspark Windenergie (WiValdi) ermöglicht die Forschung im Originalmaßstab, um Technologien zur Steigerung der Akzeptanz, Effizienz und Wirtschaftlichkeit von Windenergieanlagen zu entwickeln.

Diverse Institute und Einrichtungen des DLR und die Partner aus dem Forschungsverbund Windenergie (das Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme - Fraunhofer IWES und ForWind – Zentrum für Windenergieforschung der Universitäten Oldenburg, Hannover und Bremen) bauen den Forschungspark auf, der später von der breiten Forschungscommunity genutzt werden kann. Informationen zu.

Erkennen

Der Forschungspark Windenergie in Krummendeich ist kein konventioneller Windpark. Das lassen schon die bis zu 150 Meter hohen meteorologischen Messmasten erahnen. Darüber hinaus sind die Windenergieanlagen selbst mit umfangreicher Sensorik ausgestattet und einige Messgeräte im Feld installiert. Diese Sensorik ist das Herzstück des Forschungsparks Windenergie, weil sie ihn von Windparks zur Stromerzeugung unterscheidbar machen. Die Messtechnik ist ein Werkzeug, um sämtliche physikalischen Größen zu erkennen.

Auf den Messmasten sind hauptsächlich Sensoren installiert, die die Umwelteinflüsse erkennen. Allen voran natürlich Windgeschwindigkeiten, aber auch Temperatur, Feuchte oder Strahlung. Zusammen mit den LiDAR-Geräten im Feld und auf den Windenergieanlagen ist es möglich, turbulente Windfelder zu erkennen, die in den nächsten Sekunden auf den Rotor der Windenergieanlage treffen. Wenn das Windfeld auf den Rotor trifft, reagieren die einzelnen Blätter ganz individuell – je nach Turbulenz. Die Blätter biegen sich durch und bewegen sich. Um diese Durchbiegung millimetergenau zu erkennen, ist jedes Blatt mit verschiedensten Sensoren ausgestattet. Die Durchbiegung lässt sich mechanisch (Dehnmessstreifen) oder optisch (faseroptische Dehnmesstechnik) feststellen. Die exakte Bewegung des Blattes wird von zahlreichen Beschleunigungssensoren aufgezeichnet. Ein piezoelektrisches Sensornetz erkennt frühzeitig mögliche Schäden oder Überbelastung am Rotorblatt. Einfach ausgedrückt, erkennt man durch dieses Structural Health Monitoring frühzeitig, wie es dem Material geht und wann etwa der perfekte Zeitpunkt für einen Austausch einzelner Teile oder Materialien ist.

Die Kräfte am Rotorblatt werden über die Blattlager in die Nabe geleitet und treiben den Generator an. Nicht nur die Blattlager, sondern auch das Azimut- und das Hauptlager werden genauestens überwacht, um die Kräfte sicher zu erkennen. Die elektrischen Komponenten mit Generator und Umrichter sowie Transformator sind ebenfalls umfassend instrumentiert, um unter Einbeziehung aller Einflüsse das Verhalten der Komponenten zu erkennen und so eine Aussage über die Lebensdauer treffen zu können.

Das größte Bauteil einer Windenergieanlage, der Turm, ist ebenfalls sehr hohen Kräften ausgesetzt. Durch Beschleunigungs- und Dehnungssensoren lässt sich jede noch so kleine Bewegung des Turms erkennen und analysieren. Die Instrumentierung geht bis in das Fundament. Die Fundamentpfähle übertragen die gesamten Kräfte, die auf die Windenergieanlage wirken, in den Boden.

Parallel zur Ableitung von Lasten in den Boden verändert der Rotor aber auch das Windfeld (Stärke, Turbulenz, Geräusche) hinter der Anlage. Auch diese Einflüsse werden durch die Sensoren an den Messmasten (je nach Windrichtung) erfasst und können in Echtzeit analysiert werden.

Durch die vielen Sensoren wird ununterbrochen eine riesige Datenmenge erzeugt, die durch ein ausgeklügeltes Datenmanagementsystem den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern jederzeit und an jedem Ort zur Verfügung steht.

Erproben

Die umfangreiche Instrumentierung bietet eine hervorragende Infrastruktur, um neue Technologien zu erproben: so beispielsweise die vom Forschungsverbund Windenergie im Projekt SmartBlades entwickelten Rotorblätter mit neuer Struktur, Form, Material und Bauweise. Auch neue Komponenten wie aktive oder passiv-adaptive Vorder- und Hinterkantenflügel können hier erprobt werden. Die in den SmartBlades-Blättern implementierte Biegetorsionskopplung kann hier auf Herz und Nieren erprobt werden.

Doch nicht nur mechanische Komponenten, sondern auch neue Regler-Algorithmen werden auf dem Forschungspark erprobt, um die Windenergieanlage individuell auf die aktuelle Windsituation anzupassen. Ein Ziel ist es, mehr Energieausbeute zu erzielen und die belasteten Strukturen zu schützen, um so eine längere Lebensdauer zu erreichen. Dazu zählt nicht nur die Ansteuerung der einzelnen Rotorblätter, sondern auch das Verhalten der Windenergieanlagen im Verbund: Insbesondere bei der Konfiguration im Nachlauf, das heißt wenn die zweite Windenergieanlage im „Windschatten“ der ersten steht, und so komplexer Turbulenz und verringerter Windgeschwindigkeit ausgesetzt ist. Ein weiteres Ziel ist die Untersuchung von Maßnahmen zur Reduktion von Störphänomenen, wie z.B. Lärm. Hierfür können neben hardware-technischen Modifikationen auch software-technische Betriebsführungsprozesse untersucht werden.

Hersteller, Zulieferer und Forschungseinrichtungen haben hier die einzigartige Möglichkeit, neue technologische Entwicklungen zu erproben. Der Forschungspark Windenergie wird somit zu einem Reallabor, d.h. laborähnliche Bedingungen stehen hier in einem realen Maßstab zur Verfügung.

Validieren

Mit der Forschungsinfrastruktur können die unterschiedlichsten Modelle validiert werden. Simulationen sind heute nicht mehr wegzudenken aus der Wissenschaft, allerdings müssen diese Simulationsmodelle zunächst an realen Fällen verifiziert und validiert werden.

Im Projekt WindMuse hat das DLR gemeinsam mit FVWE-Partnern eine multidisziplinäre Simulationsumgebung mittels Mehrkörpersimulation erarbeitet, um aerodynamisches, aeroelastisches und strukturmechanisches Verhalten einer Windenergieanlage an einem virtuellen Modell vorhersagen zu können. Die Ergebnisse einer solchen Simulation lassen sich hier im realen Maßstab validieren. Damit können die Simulationswerkzeuge verbessert und mögliche Schwachstellen aufgedeckt werden. So können in Zukunft noch genauere Prognosen getroffen werden, ohne dass kostenintensive Experimente durchgeführt werden müssen.

Verschiedene turbulente Windmodellierungen aus der Atmosphärenforschung lassen sich mit der Instrumentierung der meteorologischen Messmasten validieren. Diese Windmodelle sind beispielsweise aerodynamische Basis für die Entwicklung neuer Rotorblätter. Eine Validierung der Modelle ist hier sehr wichtig, um Rotorblätter für realistische Belastungsfälle zu entwickeln.

Auch Regel- und Betriebskonzepte, also das Verhalten der Anlage bei unterschiedlichen Wind- und Betriebsbedingungen, lassen sich in Simulationsmodellen nachstellen und optimieren. Eine Validierung solcher Modelle ist in konventionellen Windparks nicht durchführbar. Das liegt zum einen an kommerziellen Randbedingungen aber auch an dem notwendigen Mess-Equipment für eine zuverlässige Versuchsdurchführung. Im Forschungspark Windenergie in Krummendeich können extreme und außergewöhnliche Betriebsmodi jedoch sicher und ausgiebig erprobt werden, um so die Modelle zu validieren und eine robuste Anwendung zu gewährleisten.