Modellbasiertes Systems Engineering (MBSE)
Die Komplexität von Weltraummissionen ergibt sich aus den unzähligen Anforderungen, Abhängigkeiten und Schnittstellen, die gemeinschaftlich von Experten unterschiedlicher Fachrichtungen bearbeitet werden. Der Austausch von Informationen in Dokument- und Textform ist üblich, hat aber insbesondere bei großen komplexen Missionen viele Nachteile. Neben der Interpretierbarkeit natürlicher Sprache erlauben Texte praktisch keine Abstraktion eines Sachverhalts, sodass die beteiligten Fachgebiete die für sie relevanten Informationen mühsam aus der Gesamtbeschreibung herausfiltern müssen.
Capella und Virtual Satellite
Beim modellbasierten Systems Engineering (MBSE) werden statt Dokumente formalisierte Datenmodelle verwendet, die Anforderungen, Struktur und Verhalten beschreiben. Sachverhalte lassen sich oft damit besser und einfacher visualisieren (beispielsweise in der Modellierungssprache SysML), da für bestimmte Aufgabenstellungen nicht benötigte Einzelheiten ausgeblendet werden können. Eingebrachte Änderungen fließen immer in das Gesamtmodell ein, was automatisierte Plausibilitätstests und Fehleranalysen ermöglicht. Mittels MBSE kann somit das Systems Engineering vom frühen Konzept über Design und Implementierung bis hin zur Verifizierung und Validierung des entstandenen Produkts unterstützt werden.
Das Galileo Kompetenzzentrum analysiert und evaluiert verschiedenste MBSE Werkzeuge, verfügt über weitreichende Expertise im Umgang mit den Modellierungswerkzeuge Capella und Virtual Satellite, und setzt Capella in Nutzlastprojekten ein. Hierbei wird die genutzte Modellierungssoftware auf die entsprechenden Anwendungsfälle zugeschnitten und weiterentwickelt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei im Moment auf der Modellierungsumgebung Capella.
„Virtual Satellite“ wird vom DLR-Institut für Softwaretechnologie entwickelt. Neben der gemeinschaftlichen Arbeit an einer einheitlichen digitalen Repräsentation des betrachteten Systems unterstützt Virtual Satellite flexible Erweiterungen des Grunddatenmodells mit erforderlichen Funktionalitäten. Das Galileo Kompetenzzentrum arbeitet im Rahmen einer Kooperation mit dem Institut für Softwaretechnologie an der Weiterentwicklung von Methodiken für MBSE anhand von definierten Anwendungsfällen. Der aktuelle Entwicklungsschwerpunkt liegt auf der Modellierung und Verifikation des funktionalen Verhaltens eines Systems und der entsprechenden Darstellung in Capella.
Die MBSE Software „Capella“ wurde von Thales entwickelt und im Jahr 2015 unter Open Source Lizenz veröffentlicht. Capella baut auf der „Architecture Analysis and Design Integrated Approach“ (ARCADIA) Methode auf und ist eng mit dieser verknüpft. ARCADIA vereinigt in sich die Methodik, Ontologie und Sprache, mit der in Capella modelliert wird. Mit Capella kann der gesamte Designprozess abgedeckt und begleitet werden und konzentriert sich dabei auf einem Diagramm basierten Modellierungsansatz.
Das Galileo Kompetenzzentrum setzt Capella für die Modellierung der Nutzlastprojekte COMPASSO und QYRO ein. Im COMPASSO Projekt sollen optische Uhrentechnologien und ein Laserkommunikationsterminal für optische Datenübertragung, Zeitsynchronisation und Entfernungsbestimmung auf der International Space Station (ISS) verifiziert werden. Im Rahmen des QYRO Projektes wird ein quantenoptisches Gyroskop auf einem Kleinsatelliten getestet und validiert. Die Zielsetzung für den Einsatz von MBSE ist, zukünftige Funktionalität und Zuverlässigkeit bereits während der Entwicklung sicherzustellen und effizient zu steuern.