ReFEx – Reusability Flight Experiment
Laufzeit: 2017-2025
Trägerraketen sind komplexe und kostenintensive Systeme, deren Kosten nicht auf viele Missionen verteilt werden können, wenn es sich um Einwegraketen handelt. Daher wird weltweit nach Lösungen gesucht, um die Kosten von Trägersystemen für zukünftige Missionen zu senken. Verschiedene Konzepte und technische Produkte sind in der Vergangenheit entwickelt worden oder befinden sich aktuell in der Entwicklung.
Derzeit arbeitet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) seit Anfang 2017 an der Realisierung des Vertical Take-off Horizontal Landing (VTHL) Reusability Flight Experiment (ReFEx). Die Flugdurchführung von ReFEx ist für Mitte 2026 geplant.
Darüber hinaus führt das DLR Systemstudien für wiederverwendbare Trägerraketen (Reusable Launch Vehicles, RLV) mit vertikalen Start/Landestufen (VTVL) und VTHL-Stufen in Originalgröße durch, um die Auswirkungen der Wiederverwendbarkeit auf den Betrieb, die Leistung, die Kosten und die Logistik der Trägerraketen zu ermitteln. Damit ist das DLR in der einzigartigen Lage, für zukünftige europäische Trägerraketen Zugang zu den Flugdaten beider Fahrzeugtypen zu haben. (Das DLR erforscht das VTVL-Konzept im Rahmen des CALLISTO-Projekts zusammen mit der französischen CNES und der japanischen JAXA. Die CALLISTO Flugdurchführung ist für 2027 geplant).
Die Hauptziele des ReFEx-Projekts sind:
- Durchführung eines kontrollierten Fluges nach einer für eine geflügelte RLV-Erststufe repräsentativen Wiedereintrittsflugbahn im Geschwindigkeitsbereich von Hyper- bis Unterschall
- Durchführung eines kontrollierten Kurswechsels (für die Rückkehr zum Startplatz)
- Test des autonomen Systems für Lenkung, Navigation und Kontrolle (GNC)
- Durchführung der In-Flight-Datenerfassung mit fortschrittlichen Sensoren
- Bergung des Re-Entry Segments für die Post Flight Analysis (PFA)
Um diese Ziele zu erreichen, muss das Flugexperiment mit geeigneten Ausgangsbedingungen ausgestattet werden. Basierend auf einer zweistufigen, brasilianischen DCTA VSB-30 Höhenforschungsrakete liefert die Start-Konfiguration ein Apogäum von ca. 130 km, inkl. einer Wiedereintrittsgeschwindigkeit von mehr als Mach 5.
Die ReFEx-Startkonfiguration, die Sektionsansicht und das Interieur des Wiedereintritts-Segments (genannt ReFEx) sind nachfolgend in den jeweiligen Abbildungen zu finden. Dabei sind die integrierten Einheiten in die folgenden Subsysteme unterteilt:
- Lenkung, Navigation und Kontrolle (GNC)
- Avionik (AVS)
- Struktur (STR)
- Fluginstrumentierung (FIN)
Systemüberblick
Abbildung 1 zeigt die Nutzlast auf einer DCTA VSB-30 Höhenforschungsrakete sowie das für den Flug vorgesehene Wiedereintritts-Segment (s. Abb. 2). Da die VSB-30 lediglich über ein passives Stabilisierungssystem verfügt, muss die Aufstiegskonfiguration eine nahezu rotationssymmetrische Form besitzen. Zusätzlich – im Falle des Flugkörpers – muss dieser wiederum über eine aerodynamische Form für die experimentelle Abstiegsphase verfügen. Um hier beiden Anforderungen gerecht zu werden, sind die Flügel des Flugexperimentes vorerst an die Struktur geklappt und werden für den atmosphärische Aufstieg von einer dreigeteilten Verkleidung verdeckt.
Das Design des Wiedereintritts-Segments sieht derzeit eine Länge von 2,7 m, eine Flügelspannweite von 1,1 m und eine Gesamtmasse von etwa 400 kg vor.
Die mechanischen und aerothermischen Belastungen für die Strukturauslegung basieren in der Regel auf der Flugbahnanalyse – in diesem Fall auf der Trajektorie eines Reusable Launch Vehicle (RLV). Das Strukturdesign sowie die Auslegung eines Wärmeschutzsystems (TPS) erfolgen zudem auf der Erfahrungsgrundlage früherer DLR Flugexperimenten unter Berücksichtigung der Geschwindigkeit eines Wiedereintritts-Segments bei Mach 5 mit einer kurzen Flugdauer von ca. 10 Minuten. Der Rumpf, inklusive den Steuerflächen, besteht dafür aus einer klassischen Metallstruktur mit dedizierten, lokalen TPS Einheiten. Diese Strukturbauteile, einschließlich den zugehörigen digitalen Analysen (unter anderem), werden vom DLR – Institut für Bauweisen und Strukturtechnologie (BT) entworfen und durchgeführt (siehe speziell orange eingerahmte Bauteile).
Neben dem Nutzlastadapter, einer dreigeteilten Verkleidung einschließlich Trennsystems sowie dem gesamten Wiedereintritts-Segment (Hauptrumpf), wurde auch das Design der inneren Sekundärstruktur mit einem neu entwickelten, halb frei schwimmenden Befestigungssystem seitens DLR BT (Abteilung für Raumfahrt Systemintegration, RSI) entwickelt. Letzteres für die thermische Kompensationen unter den gegebene Fluglasten.
Eine der größten Herausforderungen ist die statische und dynamische Stabilität des Fahrzeugs in allen Flugzuständen während des Wiedereintritts. Um einer RLV-Flugbahn folgen zu können, müssen die Anstellwinkel (AoA) schnell geändert werden. Dies stellt hohe Anforderungen an die aerodynamische Konstruktion des Fahrzeugs und an das GNC Subsystem. Darüber hinaus hat die Erfassung von Daten während des Fluges mit Hilfe fortschrittlicher Sensoren eine hohe Priorität. Daher ist das Versuchsfahrzeug mit einer Reihe spezifischer Sensoren ausgestattet, die eine kontinuierliche In-situ-Datenerfassung der Umgebung und des Fahrzeugzustands selbst ermöglichen (s. Abb. 3).
Missions-Entwurf
Die folgende, schematische Abbildung (Abb. 4) zeigt den Ablauf der ReFEx Mission mit vorläufigen Zeit- und Höhenangaben. Nach Zündung, Abheben und Ausbrand der ersten Stufe (S31), erfolgt die Stufentrennung. Etwa 20 (s) nach dem Start wird die zweite Stufe (S30) gezündet. Nach dessen Ausbrand, wird anschließend die Verkleidung abgetrennt. Daraufhin erfolgt das Flügel-Ausklappen über das Flügel-Klapp-System (WFS), einschließlich einer zusätzlichen Sicherheits-Verriegelung für die nachfolgende Abstiegskonfiguration. Nach diesem Ereignis wird das Wiedereintritts-Segment vom Nutzlastadapter getrennt und die Steuerelemente (Canards, Ruder, Reaction Control System (RCS)) werden entriegelt. Dabei trägt das RCS-System zur Steuerung des Fahrzeugs bis zu einer Höhe von ca. 50 km im Abstieg bei, woraufhin im Anschluss das Wiedereintritts-Segment nur noch von den aerodynamischen Steuerflächen kontrolliert wird. Leider weist das Wiedereintrittsfahrzeug in der Normal-Fluglage bei höheren Machzahlen keine ausreichende natürliche Längs- und Querstabilität auf. Um diese instabilen Flugzustände zu vermeiden, führt das Fahrzeug einen ballistischen Flug durch und tritt in Rückenlage in den Wiedereintritts-Korridor ein. Erst im Bereich von Mach 2 bis ca. 1,5 führt das Wiedereintritts-Segment hierbei ein 180° Rollmanöver durch. Nach dem Rollmanöver bleibt das Fahrzeug für den Rest der Mission in der Normal-Fluglage.
In einer Höhe von ca. 10 km wird das Fahrzeug in ein Dispersionsellipsoid eintreten, dass das Ende der Mission (EoM) einleitet. Schließlich, um die kinetische Rest-Energie des Wiedereintritts-Segments vor dem Aufsetzen zu reduzieren, erfolgt ein Flare-Manöver in einer Höhe von ca. 120 m über dem Boden.
Der Start wird vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), der brasilianischen Luftwaffe (Abteilung für Wissenschaft und Luft- und Raumfahrttechnik, DCTA) sowie Southern Launch Ltd. in Koonibba, Australien durchgeführt.