Vor zehn Jahren: Mit Philae landet erstmals eine Sonde auf einem Kometen
Manchem mag es wie gestern erscheinen, anderen wie eine ganze Ära der Kometenforschung: Vor zehn Jahren, am 12. November 2014, gelang dem Lander Philae die erste Kometenlandung in der Geschichte der Raumfahrt.
Nicht alles hat wie ursprünglich geplant funktioniert, aber vielleicht waren die Tage im November vor zehn Jahren auch deshalb so spannend, weil eben nicht alles nach Plan lief und weil die beteiligten Teams sich schnell auf die ungeplante Situation einstellen und neue Szenarien ausarbeiten mussten. Beeindruckend war auch, dass uns Philae trotz der vielen Herausforderungen faszinierende Daten und Bilder von der Kometenoberfläche gesendet hat.
Die „Kartoffel“ entpuppt sich als „Badeente“
Aber rekapitulieren wir: Die Raumsonde Rosetta der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA, an deren Bord sich der Lander Philae befand, startete vor etwa 20 Jahren am 2. März 2004 mit einer Ariane 5 G+ vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana. Sie war bereits zehn Jahre unterwegs, teilweise in einer Art „Winterschlaf“ („hibernation phase“ von Juni 2011 bis Januar 2014), als sie im Sommer 2014 endlich den Zielkometen 67P/Churyumov-Gerasimenko erreicht hatte. Wenig war vorher über den Kometen bekannt und die Überraschung groß, als sich der Kern nicht als „rundliche Kartoffel“ präsentierte, wie vorher angenommen, sondern als sogenannter „contact binary“ (zwei miteinander verbundene Objekte), der optisch ein bisschen an eine Badeente erinnerte. Entsprechend schwierig war es, eine geeignete und möglichst sichere Landestelle für Philae auszuwählen. Als am besten geeignet hat sich schließlich eine Stelle „am Kopf der Ente“ herausgestellt, die später „Agilkia“ benannt wurde, nach der Insel im Nil, auf der der Philae-Tempel ursprünglich stand.
Das Einleiten der Landesequenz (vorher von Teams bei ESOC, CNES und DLR akribisch ausgearbeiteten) begann ein paar Tage vor der eigentlichen Landung. Rosetta wurde auf die notwendige Bahn gebracht, um Philae aus etwa 22 Kilometern Höhe abzusetzen. Am 11. November (die „Jecken“ in Köln begannen gerade den Karneval), wurde der Lander aktiviert, und prompt gab es einige Probleme. Der Zentralcomputer musste re-booted werden, das Öffnen eines Ventils für das Kaltgassystem hat nicht wie geplant funktioniert, und auch die Konditionierung der Batterie lief nicht ganz nach Plan. Sollte man die Landung für diesen Termin absagen und um einige Wochen verschieben?
Landung mit Nebenwirkungen: Philae hüpft von dannen
Nach reiflicher Überlegung hat man sich entschieden, die Landung durchzuziehen, alle Systeme haben letztlich nominal funktioniert (mit Ausnahme des Kaltgassystems, bei dem jedoch bereits alle Möglichkeiten zum Öffnen des Ventils ausgeschöpft waren, eine Verschiebung der Landung hätte hier keine Vorteile gebracht).
Also los: Am 12. November um 9:35 Uhr mitteleuropäischer Zeit wird Philae mit einer Geschwindigkeit von etwa 18 Zentimetern pro Sekunde von Rosetta abgetrennt und fällt für etwa sieben Stunden auf den Kometen, sehr genau auf den vorausberechneten Landeplatz und trifft dort mit circa 3,6 Kilometern pro Stunde auf. Alle jubeln! Fast alle. Denn schnell wird klar, Kaltgassystem (das den Lander auf den Boden hätte drücken sollen) und Ankerharpunen haben nicht funktioniert. Philae ist abgeprallt, ist in Bewegung (das haben die Housekeeping-Daten klar gezeigt) und fliegt nach irgendwo.
Die gute Nachricht war, dass wir noch immer stabilen Funkkontakt über die Rosetta-Muttersonde hatten - die schlechte: Wir wussten nicht, wohin und für wie lange Philae „hüpfen“ würde.
Zwei sehr spannende Stunden lang dauerte es, bis der Lander schließlich zur Ruhe kam, damit tatsächlich (zum zweiten Mal) auf dem Kometen gelandet war und immer noch Daten gesendet hat.
Am nächsten Tag haben Analysen der Bilddaten von OSIRIS, der Orbiterkamera, die Philae beim Abstieg und Abprallen aufgenommen hatte, der Funksignale sowie der Daten von CONSERT, dem Radarinstrument an Bord, den ungefähren Landeort ergeben. Philae war fast einen Kilometer gehüpft – in ein interessantes aber leider sehr schattiges Terrain.
Trotz kurzer Lebensdauer sendet Philae einen reichen Datenschatz
Nur etwa eine Stunde und 20 Minuten pro Kometentag (etwa 12 Stunden) schien die Sonne auf Philae. Genug, um Bilder aufzunehmen und alle Instrumente in Betrieb zu nehmen, aber zu kurz, um die Batterien aufzuladen und auf Dauer den Lander zu betreiben.
Nach etwa 64 Stunden waren die Batterien leer, doch bis dahin konnte die Zeit genutzt werden, um so viel wie möglich über die Oberfläche von 67P/Churyumov-Gerasimenko zu erfahren. So wurden hochaufgelöste Bilder der Oberfläche gewonnen, Massenspektren aufgezeichnet, das Magnetfeld gemessen, das Innere des Kometenkerns mit Radar „durchleuchtet“ und die Härte des Oberflächenmaterials bestimmt. Ein wahrer Schatz an Daten, der jene, die vom Orbiter gewonnen und zur Erde gesendet werden konnten (noch bis September 2016), spektakulär ergänzte.
Ein Aspekt fehlte vor zehn Jahren jedoch noch, der wissenschaftlich, aber vor allem emotional herbeigesehnt wurde: Ein Bild, aufgenommen vom Orbiter, das Philae am Landeplatz und in der Position zeigt, wo der Lander wohl noch viele Orbits um die Sonne lang sitzen wird.
Dies ist schließlich im September 2016, in den letzten Tagen vor Beendigung der Rosetta-Mission, gelungen. Wir sehen Philae „eingeparkt“ in einer Höhle, etwas schief und unverankert, aber ansonsten unversehrt, als irdischer Bote auf einem Kometen!
Unser Wissen über Kometen ist heute geprägt durch die Ergebnisse der Rosetta-Mission. Noch immer werden die Daten verwendet, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Doch neue Missionen stehen an. So plant die ESA, 2029 die Mission „Comet Interceptor“ zu starten, eine Raumsonde, die vom Lagrange Punkt (L2) aus auf einen langperiodischen Kometen lauert, um diesen während eines Vorbeiflugs zu untersuchen.
Der nächste große Schritt in der Kometenforschung wird vermutlich eine Sample Return Mission sein, bei der Kometenmaterial zur Erde zurückgebracht wird, um von den aufwändigen Instrumenten in irdischen Laboren untersucht zu werden. Sowohl die japanische Raumfahrtagentur JAXA als auch die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA planen solche Missionen – wir vom DLR hoffen, uns daran beteiligen zu können.
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