| Raumfahrt

Deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler präsentieren ihre Vorschläge zur Erforschung des Asteroiden Apophis

Asteroidenvorbeiflug an der Erde
KI-erstellte künstlerische Darstellung von Apophis während des nahen Vorbeiflugs an der Erde (nicht maßstabsgetreu)
Credit:

DLR with assistance from perchance.org

In fünf Jahren wird der Asteroid Apophis sehr nah an der Erde vorbeifliegen. Nah bedeutet in diesem Fall, dass er das innerhalb der geostationären Umlaufbahn tun wird, in der sich die meisten Telekommunikationssatelliten befinden, und sogar mit bloßem Auge zu sehen sein wird. Dieser nahe Vorbeiflug von Apophis bietet eine einzigartige Chance für die wissenschaftliche Untersuchung eines Objekts dieser Art.

Insbesondere wäre es interessant zu erforschen, welche Auswirkungen die von der Erde verursachten Gezeitenkräfte während des Vorbeiflugs auf den Asteroiden haben. Man nimmt an, dass sie den physikalischen und dynamischen Zustand des Himmelskörpers verändern könnten, was wiederum Rückschlüsse auf seine Struktur erlauben würde. Ebenfalls könnte es sein, dass sie eine Änderung der Rotation des Asteroiden bewirken könnten. Dies wäre eine essentielle Information, wenn man eines Tages tatsächlich ein für die Erde gefährliches Objekt von seinem Kollisionskurs ablenken müsste.

In meinem letzten DLR-Blog-Beitrag habe ich von dem internationalen wissenschaftlichen Koordinationsworkshop Science@Apophis berichtet, der im Februar dieses Jahres beim DLR in Köln stattfand. Dort wurden erste Vorschläge für die wissenschaftliche Untersuchung von Apophis gemacht. Nun fand ein weiterer Workshop mit dem Titel „Apophis T-5 Years“ im Europäischen Weltraumforschungs- und Technologiezentrum (ESTEC) in Noordwijk, Niederlande, statt. Hier wurden unter anderem die im Februar vorgestellten Nutzlastkonzepte näher vorgestellt und mit der weltweiten Wissenschaftsgemeinde diskutiert. Rund 250 Ingenieurinnen und Ingenieure, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nahmen an dem Workshop teil, und mehr als zehn Missionskonzepte zu Apophis und noch mehr Nutzlasten wurden während des zweitägigen Treffens vorgestellt.

In diesem Blogbeitrag stelle ich die Vorschläge der deutschen Wissenschaftsgemeinschaft zur individuellen Erforschung von Apophis vor. Ich gehe dabei nicht zu sehr ins Detail, werde aber die entsprechenden "ausführlichen Abstracts" (auf Englisch) für diejenigen verlinken, die sich für die technischen und wissenschaftlichen Details interessieren. Anders als ein klassischer Abstract, in dem die Forschungs- und Entwicklungsarbeit in einem Absatz zusammengefasst wird, haben die ausführlichen Abstracts den Stil eines Forschungspapiers, einschließlich Referenzen, Abbildungen und Tabellen, während sie auf einige Seiten Länge begrenzt sind (zwei Seiten für den Apophis T-5 Years Workshop).

Besuch im Europäischen Weltraumtechnologiezentrum
Gruppenbild von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Ingenieurinnen und Ingenieuren aus ganz Europa und der Welt während eines Besuchs der Hera-Raumsonde im Europäischen Weltraumtechnologiezentrum (ESTEC). Hera ist die erste ESA-Planetenverteidigungsmission und soll im Oktober zum binären Asteroidensystem Didymos starten.
Credit:

ESA

Bevor ich auf die einzelnen vorgeschlagenen Nutzlasten eingehe, möchte ich drei Vorschläge hervorheben, die auf Missionsebene gemacht wurden, das heißt, sie könnten Teil einer größeren Mission als Tochtersatellit oder Lander sein, die von einem Mutterraumschiff ausgesetzt werden.

Unterschiedliche Vorschläge zu einem Lander, Cubesats und einer Probenrückführung als zusätzliche Missionselemente

Der Lander MASCOT (Mobile Asteroid Surface sCOuT) wurde vom DLR in Bremen gebaut und von seiner Muttersonde, der japanischen Raumsonde Hayabusa2, im Jahr 2018 erfolgreich auf der Oberfläche des Asteroiden Ryugu abgesetzt. Aufbauend auf dieser Entwicklung wurde ein MASCOT3-Lander vorgeschlagen, der spezielle wissenschaftliche Instrumente für Messungen auf der Oberfläche von Apophis liefern würde. Die Aufnahme eines solchen Landegeräts in eine Raumsondenmission im Orbit würde eine wertvolle Ergänzung zu den aus dem Orbit gewonnenen Daten darstellen, indem lokale In-situ-Daten mit globalen Fernerkundungsdaten kombiniert werden. Weitere Informationen finden Sie in diesem Abstract.

Nach dem Vorbild der Hera-Mission der ESA könnte eine Mission zu Apophis ebenfalls CubeSats im tiefen Weltraum aussetzen. Dabei handelt es sich um schuhkartongroße Satelliten, die erst bei der Ankunft am Ziel-Asteroiden von ihrem Mutterschiff ausgesetzt werden. Dieser Vorschlag würde sich sehr gut in die neue Raumfahrtstrategie der deutschen Regierung einfügen, die den Einsatz von Kleinsatelliten für die Weltraumforschung ausdrücklich befürwortet. Weitere Informationen, einschließlich möglicher Nutzlasten (siehe unten) für den CubeSat, finden Sie in diesem Abstract.

Eine sehr ambitionierte, aber wissenschaftlich sehr vielversprechende Idee ist der Vorschlag, eine Probe von Apophis zur Erde zu bringen, um sie in irdischen Laboren genauer zu untersuchen (Abstract). Während es schon schwierig genug ist, zu einem Asteroiden zu gelangen, erfordert die Rückführung einer Probe, dass sich die Mission auch auf den Rückflug vorbereiten muss, was diese noch komplexer macht. Im vorliegenden Fall könnten wir allerdings per Anhalter zurück zur Erde fliegen. Die Landung auf Apophis vor der nahen Erdbegegnung würde die Rückkehr zur Erde (relativ) einfach machen, wir müssten nur kurz vor dem Vorbeiflug von Apophis „abspringen“. Neben dem technischen Konzept der Probenrückführung wurde in dieser Zusammenfassung auch die wissenschaftliche Motivation für eine Probenrückführung dargelegt.

Präsentation des Teams der Universität Würzburg
Das Team der Universität Würzburg vor ihrem Konferenzposter, auf dem sie ihre Arbeit an einem möglichen deutschen CubeSat-Beitrag zur Untersuchung von Apophis vorstellen.
Credit:

University of Würzburg

Vorschläge für wissenschaftliche Nutzlasten reichen von Kameras über Magnetometer bis hin zu Plasmaspektrometern

Neben diesen drei Beiträgen auf Missionsebene wurden auf dem Workshop auch verschiedene potenzielle Beiträge von Nutzlasten vorgestellt. Eine Nutzlast ist ein wissenschaftliches Instrument oder Experiment, das wissenschaftliche Daten liefert. In den meisten Fällen trägt eine Mission mehr als eine Nutzlast, eine sogenannte Nutzlastsuite mit verschiedenen Nutzlasten, die verschiedene physikalische Eigenschaften eines Himmelskörpers messen.

Die auf dem Workshop vorgeschlagenen Nutzlasten waren ein Radar, ein Magnetometer, ein Plasmaspektrometer, verschiedene Arten von Kameras und ein Radiometer. Im Folgenden finden Sie eine kurze Übersicht:

  • Der oben erwähnte CubeSat-Vorschlag (Abstract) sieht die Verwendung von drei Nutzlasten vor. Ein Magnetometer, um ein mögliches Magnetfeld des Asteroiden Apophis zu messen, aber auch die Plasma-Interaktion während Apophis' Eintauchen in die Magnetosphäre der Erde. Die anderen beiden für den CubeSat (aber auch für andere Szenarien) in Betracht gezogenen Nutzlasten waren ein Radar und eine Kamera, die im Folgenden vorgestellt werden.
  • Der CubeSat, oder auch ein Lander, könnte mit einer kleinen Kamera ausgestattet werden. Die MASCam, eine Weitwinkelkamera, flog auf dem MASCOT-Lander der Mission Hayabusa2 und machte während seines Abstiegs zur Asteroidenoberfläche Bilder und lieferte Kontextinformationen für die auf MASCOT befindlichen Instrumente. Normalerweise werden beim Bau einer Nutzlast zwei identische Instrumente gebaut. Das sogenannte Flugmodell (Flight Model, FM) ist für den Flug ins All vorgesehen. Für den Fall, dass es (in letzter Minute) zu Problemen mit dem FM kommt, ist in der Regel ein Flug-Ersatzmodell (Flight Spare, FS) vorgesehen, eine exakte Kopie des FM, sodass das FM bei Bedarf ersetzt werden kann. Das FS der MASCam existiert noch und könnte direkt verwendet werden. Weitere Details zu dieser Kamera finden Sie in diesem Abstract.
  • Ein Radar könnte nicht nur auf dem CubeSat, sondern auch auf einem Landegerät oder der Hauptraumsonde installiert werden. Mit Hilfe eines Radars ist es möglich, mehr über die innere Struktur eines Asteroiden zu erfahren. In dem Abstract des Radars wird auch der Unterschied zwischen dem sogenannten monostatischen und dem bi-statischen Modus erläutert. Der monostatische Modus wird mit einer einzigen Raumsonde durchgeführt, während der bi-statische Modus zwei Raumfahrzeuge verwendet, die jeweils ein Radargerät tragen. Natürlich gilt: Je mehr, desto besser. Eine multistatische Konfiguration mit einem Radar auf mehr als zwei Raumsonden/Landern würde noch mehr Details über das Innere eines Asteroiden liefern.
  • Ähnlich zum Magnetometer würde auch das vorgeschlagene Plasmaspektrometer die Wechselwirkung des Plasmas beim Eintauchen von Apophis in die Magnetosphäre der Erde analysieren sowie die Wechselwirkung zwischen der Asteroidenoberfläche und dem Plasma messen. Einfacher ausgedrückt wird die Verteilung von Elektronen und Ionen bestimmt. Wie in diesem Abstract dargelegt, wäre ein FS des Jovian Electron and Ion Sensors (JEI) des Instrumentenpakets PEP (Particle Environment Package) als Teil der ESA-Jupiter-Mission JUICE noch verfügbar. Auch wenn sich die Plasma-Umgebungen am Jupiter und an der Erde unterscheiden, bleibt das Messprinzip doch dasselbe. Und einen Vorteil hätte eine Apophis-Mission gegenüber der Jupiter-Mission: die Abschirmmaterialen, die den Sensor am Jupiter vor der sehr hohen Strahlung schützen, wären bei Apophis nicht nötig, was eine Reduktion der Masse des Instruments erlauben würde. Weitere Einzelheiten über diesen einzigartigen wissenschaftlichen Fall der Weltraumplasmaphysik wurden in diesem Abstract vorgestellt.
  • Die Dawn Framing Camera lieferte erstaunliche Bilder des Zwergplaneten Ceres und des Asteroiden Vesta. In dem Abstract des Workshops wurde vorgeschlagen, das Flight Spare (FS) der Kamera für eine Mission zu Apophis zu verwenden. Wissenschaftlich sehr reizvoll ist die Tatsache, dass die Kamera auch über sieben Farbfilter verfügt, die den Wellenlängenbereich zwischen 0,4 und 1,0 Mikrometern abdecken. Mit Hilfe dieser Filter ist es möglich, zusätzlich zu den „normalen“ Aufnahmen spektrale Informationen zu erhalten, die es erlauben, die Zusammensetzung des Asteroiden Apophis einzugrenzen.
  • Zu guter Letzt wurde in diesem Abstract vorgeschlagen, Oberflächenmessungen des thermischen Infrarots durchzuführen. Mit Hilfe eines Radiometers wäre es möglich, thermophysikalische Eigenschaften des Oberflächenmaterials, der Staubumgebung und der Porosität des lokalen Materials zu erhalten. Die Porosität ist ein Maß für die leeren Räume im Inneren eines festen Materials, das heißt, der Anteil der Hohlräume in einem umschlossenen Volumen. Eine Herausforderung dabei ist, dass man auf Apophis landen und idealerweise einen Tag und eine Nacht überleben muss, also etwa 30,5 Stunden, um wissenschaftliche Ergebnisse dazu zu erhalten

Zu den weiteren deutschen Vorschlägen, denen auf dieser Tagung kein eigenes Poster gewidmet war, gehörten Beiträge zur Radiowissenschaft (zur Bestimmung des Schwerefelds von Apophis), ein Laser-Höhenmesser (zur Rekonstruktion der Form von Apophis und möglicher Veränderungen während des Erdvorbeiflugs), ein Mössbauer-Spektrometer (ein Kontaktinstrument zur Messung der Zusammensetzung des Oberflächenmaterials) und die Asteroid Framing Cameras (AFCs, einer der deutschen Beiträge zu den Hera-Missionen der ESA, die sowohl die Navigation um Apophis als auch die wissenschaftliche Untersuchung von Asteroiden ermöglichen).

Vielfältige Vorschläge zur Erforschung von Apophis
Eine Collage der Poster, die auf dem Workshop „Apophis T-5 Years“ präsentiert wurden und zu denen die in diesem Blogbeitrag beschriebenen Abstracts gehören.
Credit:

DLR

DownloadDownload

Insgesamt war der „Apophis T-5 Years“-Workshop ein großer Erfolg, und die internationale Wissenschaftsgemeinschaft hatte die Gelegenheit, nicht nur die in diesem DLR-Blog-Beitrag vorgestellten Vorschläge zu diskutieren, sondern auch viele weitere Ideen für die wissenschaftliche Untersuchung von Apophis, wenn er 2029 an der Erde vorbeifliegen wird.

Die Diskussionen werden im September fortgesetzt, wenn die größte planetenwissenschaftliche Wissenschaftskonferenz, der Europlanet Science Congress (EPSC), im September nach Berlin kommt. Dies ist nicht nur eine großartige Gelegenheit für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ihre Arbeit zu präsentieren, sondern auch eine großartige Chance für Studierende, Promovierende, Lehrerinnen und Lehrer und Amateurastronominnen und Astronomen, viel über Planetenwissenschaften und natürlich Apophis zu lernen. Verpasst dieses Heimspiel in Berlin nicht – ich hoffe, Euch dort zu sehen!

Weiterführende Links: