Ein „Dorf“ – gebaut aus Mondstaub? Klingt verrückt, ist aber ein ernsthaftes Forschungsprojekt, das kürzlich im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln begonnen wurde. Den Anstoß dazu gab ESA-Chef Prof. Johann-Dietrich Wörner mit seiner Vision vom „Moon Village“. Der kühne Plan: Astronautinnen und Astronauten sollen eines Tages in einer Mondbasis leben und dort forschen. Als Standort wäre dabei die erdabgewandte Seite des Mondes besonders interessant: Dort hätte man per Teleskop einen freien Blick ins All – ohne störende Einflüsse durch die Erde.
Wie kann man eine Mondstation bauen?
Aber wie baut man eigentlich ein „Mond-Dorf“? All die Materialien von der Erde auf den Mond zu schießen – das wäre zu aufwendig und teuer. Denn jedes Kilo kostet in der Raumfahrt viel Geld. Stattdessen will man die vor Ort vorhandenen Ressourcen nutzen: erstens Mondstaub, den es dort im Überfluss gibt, und zweitens Sonne, die mit Spiegeln gebündelt wird. Ein Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Matthias Sperl arbeitet im DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum gemeinsam mit der ESA und anderen Partnern derzeit an Verfahren, wie man das realisieren könnte. Der Ansatz ist dabei, mit Hilfe gebündelter Sonnenwärme „Backsteine“ aus Mondstaub zu fertigen, mit denen sich dann Wände und Decken errichten lassen. Um auf Mörtel zu verzichten, sollen die Steine mit einem „Klickverfahren“ ähnlich wie Legosteine miteinander verbunden werden. Damit dort Menschen leben können, müssen die Wände luftdicht sein und möglichst wenig Strahlung ins Innere durchlassen.
Vom Mondstaub zum „Backstein“
Damit aus dem Mondstaub ein „Backstein“ werden kann, benötigt man eine Temperatur von mindestens 1.100 °C. Im Test auf der Erde sorgt dafür der DLR-Sonnenofen, der mit seinen zahlreichen Spiegeln Temperaturen von bis zu 2.500 °C ermöglicht. Was braucht man außerdem, um das Verfahren auszuprobieren? Natürlich Mondstaub. Davon gibt es zwar dank der Apollo-Missionen auf der Erde einige Proben, die aber natürlich für derartige Experimente nicht zur Verfügung stehen. Also verwendet Dr. Sperl eine Mischung aus Vulkanasche und Sand, die dem echten Material sehr ähnlich ist. Das Verfahren, das Matthias Sperl erprobt, ist mit dem eines 3D-Druckers zu vergleichen: Eine dünne Schicht Staubkörner wird auf die untere, bereits erhärtete Schicht aufgebracht und dann durch die Hitze versintert – das bedeutet, dass die einzelnen Staubkörner an den Kontaktstellen verschmelzen. Schicht für Schicht wird so aufgetragen.
Der fertige „Backstein“ erreicht auf diese Weise ungefähr die Festigkeit von Beton. Doch das allein reicht noch nicht aus, denn die Anforderungen sind enorm: Auf dem Mond schwankt die Temperatur zwischen Tag und Nacht um mehrere hundert Grad, was eine große Materialbelastung bedeutet. Dazu kommen die kosmische Strahlung, Druckunterschiede und andere extreme „Umweltbedingungen“. Wie der „Backstein“ schlussendlich genau aussehen wird, ist daher noch offen. Im Wesentlichen gibt es zwei Möglichkeiten: Ein hohler Stein hätte den Vorteil, dass im Inneren ein Vakuum herrscht – die beste Wärmeisolation überhaupt. Die Alternative wäre ein Stein, der gar keine Hohlräume aufweist und somit die tagsüber gespeicherte Wärme nachts abgeben würde. Wie man sieht, haben beide Varianten ihre Vor- und Nachteile. Was besser ist, werden die weiteren Tests zeigen.
Bis sich die ersten Menschen auf dem Mond einrichten, wird es wahrscheinlich noch eine Zeit lang dauern. Doch nie war man dem Ziel so nah wie heute! Und vielleicht gehörst du ja sogar zu den ersten Bewohnerinnen oder Bewohnern!