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Seit 50 Jahren auf dem Weg durchs All: die interstellare Arecibo-Botschaft

Nachthimmel über Arecibo
Sterne und Milchstraße über dem einst größten Radioteleskop in Arecibo auf Puerto Rico.
Credit:

University of Central Florida; with courtesy of National Science Foundation

Genau ein halbes Jahrhundert ist es her, dass zum ersten Mal eine längere zusammenhängende Botschaft von der Erde mittels Radiowellen in die Tiefen des Weltraums hinein abgestrahlt wurde, um möglichen außerirdischen Zivilisationen Kunde von der Menschheit zu geben. So funkte am 16. November 1974 die 305-Meter-Riesenschüssel des Arecibo-Radioteleskops auf Puerto Rico um 18 Uhr Mitteleuropäischer Zeit (MEZ) 169 Sekunden lang mit einer mittleren effektiven Strahlungsleistung von dreimal 1012 Watt eine binär codierte, siebenteilige Nachricht, bestehend aus 1.679 Bit, in Richtung des Kugelsternhaufens Messier 13.

Frank Drake und seine Gleichung

Der eigentliche Anlass dieser beeindruckenden Transmission war die Inbetriebnahme eines neuen Radarsenders, dessen enorme Leistungsstärke man öffentlichkeitswirksam demonstrieren wollte. Hauptinitiator und -architekt der Botschaft war der junge Radioastronom und Astrophysiker Frank Drake (1930 bis 2022), der schon im Jahr 1960 mit dem Projekt Ozma sein großes Engagement bei der Suche nach extraterrestrischer Intelligenz unter Beweis gestellt und mit dem „Lauschen nach intelligenten Botschaften“ aus der Umgebung der Sterne Tau Ceti und Epsilon Eridani das Tor für einen neuen radioastronomischen Forschungszweig aufgestoßen hatte. Drake hatte im Jahr 1961 auch eine nach ihm benannte Gleichung aufgestellt, mit der anhand weniger Parameter aus der Astrophysik, Biologie und Soziologie die Wahrscheinlichkeit für eine technisch intelligente Zivilisation, mit der man möglicherweise auf radioastronomischem Wege kommunizieren könnte, abgeschätzt werden kann. Während man die astrophysikalischen Parameter dank Beobachtungen gut einzugrenzen vermochte, blieben die Werte der biologischen und soziologischen Faktoren vage. Dieses Manko führte regelmäßig zu kontroversen Ergebnissen und hat im Laufe der Zeit etliche Astronomen bewogen, über eine aussagekräftigere Form der Gleichung nachzudenken, die weniger auf interstellare Kommunikation abzielt. So hat zum Beispiel vor einigen Jahren die kanadische Astrophysikerin Sara Seager im Zuge der Entdeckung zahlreicher extrasolarer Planeten und in Verbindung mit dem Konzept der habitablen Zone, Drakes Gleichung dahingehend modifiziert, dass sie nur die Wahrscheinlichkeit für nachweisbare Lebenszeichen auf einem Planeten angibt.

Drake-Gleichung
Die Drake-Gleichung aus dem Jahr 1961 hat eine ganze Generation von Männern und Frauen in der Astronomie inspiriert, über die einzigartige Rolle der Menschheit im Kosmos nachzudenken.
Credit:

Archiv Gaida, eigenes Werk

Vergoldete Grußbotschaften

Bereits anderthalb Jahre vor der Arecibo-Botschaft war eine andere, ähnliche Botschaft auf eine sehr viel langsamere Reise ins All gegangen: Die beiden NASA-Raumsonden Pioneer 10 und Pioneer 11 hatten sich am 3. März 1972 beziehungsweise am 6. April 1973 ins äußere Sonnensystem aufgemacht. An ihrer Außenseite war jeweils eine vergoldete Aluminiumplakette angebracht worden, die in einer ausgeklügelten astronomisch-naturwissenschaftlichen Bildersprache über unsere Existenz Auskunft gibt. Sollten diese Sonden auf ihrem Weg durch die Tiefen des Alls eines Tages auf einem mit intelligenten Lebewesen bewohnten Planeten stranden oder von seinen Bewohnern eingefangen werden, würden diese anhand der Grußbotschaft erfahren, dass es irgendwo dort draußen „ihresgleichen“ gibt. Mit Hilfe der strahlenförmigen „Pulsar-Uhr“ im linken Teil der Plakette könnten sie sogar – in ihrer Zeitrechnung – auf das Startjahr der Raumsonde schließen und wie lange sie zu ihnen unterwegs war.

Bild der Pioneer-Plakette
An den Außenseiten der beiden NASA-Raumsonden Pioneer 10 und Pioneer 11 war jeweils eine vergoldete Aluminiumplakette angebracht worden, die in einer ausgeklügelten astronomisch-naturwissenschaftlichen Bildersprache über unsere Existenz Auskunft gibt.
Credit:

NASA

Die Arecibo-Botschaft im Detail

Doch was teilt die Arecibo-Botschaft einem Außerirdischen mit? Was erfährt er über die Wesen, die irgendwo in derselben Galaxis leben wie er selbst? Der 1.679 Bit lange Binärcode besteht aus sieben Teilen. Um seine Bildinformation zu lesen, hat der Empfänger zunächst die gesamte Anzahl der Bits in die Primfaktoren 23 und 73 zu zerlegen und die Bits dann der Reihe nach in einem Pixelbild mit 73 Zeilen und 23 Spalten Zeile für Zeile absteigend anzuordnen. Außerdem müssen Leerzeilen für Absätze und leere Spalten als seitliche Abtrennungen zu benachbarter Bildobjekten ausgemacht werden. (Die ursprüngliche Nachricht aus Nullen und Einsen wurde, wie im Bild zu sehen, zur besseren Deutlichkeit später farblich aufbereitet.)

Die erste Lektion der Botschaft enthält die Zahlen eins bis zehn in binärer Darstellung. Ein weißer Pixel bedeutet Eins, ein schwarzer Null. Die untere Reihe markiert dabei die Position des jeweils geringsten Wertes in der Binärzahl, was vor allem bei den Zahlen acht, neun und zehn eine Rolle spielt. Um den nachfolgenden Inhalt der Botschaft zu verstehen, ist die erste Lektion von grundlegender Bedeutung. Denn das Buch der Natur ist, wie schon Galilei vor vierhundert Jahren im Il Saggiatore poetisch schrieb, in der Sprache der Mathematik geschrieben.

Die Arecibo-Botschaft (mit farbigen Hervorhebungen)
Die Arecibo-Botschaft ist eine binär codierte, siebenteilige Nachricht bestehend aus 1.679 Bit.
Credit:

Arne Nordmann, CC BY-SA 3.0

Aufbauend auf dem Binärsystem erkennt man in der darunterliegenden violetten, fünfmalfünf großen Matrix spaltenweise von links nach rechts die Zahlen eins, sechs, sieben, acht und 15. Sie stehen für die Ordnungszahlen jener Elemente, die für die biochemischen Lebensvorgänge auf der Erde unverzichtbar sind, nämlich Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Phosphor. Aus diesen Elementen sind in den Zellkernen die Desoxyribonukleinsäuren (DNS beziehungsweise DNA) als Erbmaterial allen Lebens aufgebaut. Deren Bestandteile, die vier unterschiedlichen Nukleinbasen, Desoxyribose und Phosphat, sind – gemäß der Elementreihenfolge in der violetten Elementmatrix – im grünfarbigen Teil der Botschaft binär codiert zu sehen. Der Außerirdische erfährt somit in der dritten Lektion, aus welchen Molekülverbindungen unsere DNS, das wichtigste aller Makromoleküle, besteht und dass es wie eine Art Leiter aufgebaut ist.

Die räumliche Struktur, die bekannte Doppelhelix der DNS, ist im vierten Abschnitt angedeutet. Der weiße Streifen in der Mitte steht numerisch für die milliardengroße Anzahl von Nukleotiden im menschlichen Genom.

Die Größe des Menschen sowie seine Gestalt und Bevölkerungszahl werden in der fünften Lektion veranschaulicht. Die links binär dargestellte Zahl 14 ergibt mit der Wellenlänge der Nachricht von 12,6 Zentimeter die Größe des in der Mitte abgebildeten Zweifüßlers zu rund 176 Zentimeter. Sein Kopf ist ausdrücklich noch eng mit der DNS-Doppelhelix verbunden. Rechts davon ist die menschliche Gesamtpopulation mit etwas mehr als vier Milliarden angegeben. Alles in allem bleibt zu hoffen, dass uns die Außerirdischen nicht für Wesen mit langen Antennen oder einem Geweih halten...

Unschwer sieht man im sechsten, gelbzeiligen Abschnitt die Sonne mit ihren Planeten. (Dass Pluto noch mit zur Riege der Planeten zählt, dürfte einen Alien kaum stören.) Gegenüber den anderen Planeten ist der dritte Planet um eine Zeile nach oben versetzt und befindet sich mitten unter den Füßen des Menschen. Was liegt näher, als dass die Wesen, von denen die Botschaft stammt, auf diesem Planeten zuhause sind?

Arecibo-Observatorium
Der unbewegliche 305-Meter-Radioteleskopspiegel des einstigen Arecibo-Observatoriums. Nach dem Kollaps des Teleskops und dadurch verursachter Schäden im Jahr 2020 wurde beschlossen, das Observatorium abzureißen.
Credit:

Arecibo Observatory, University of Central Florida

Die siebte und letzte Lektion deutet schließlich das erdabgewandte 305-Meter-Radioteleskop an, dessen Mittelachse sich genau unter der Erdposition befindet. Im untersten Teil der Botschaft ist, auf dieselbe Weise codiert wie die Größe des Menschen, der Durchmesser des Radioteleskops mit 2.430 mal 12,6 Zentimeter angegeben, was mit 306 Meter nahezu dem realen Wert entspricht.

Ein Kugelsternhaufen als Ziel der Botschaft

Bei der Auswahl, wohin das Signal gesandt werden sollte, standen zwei Überlegungen im Vordergrund. Zum einen wollte man demonstrieren, mit der enormen Sendeleistung in riesige Entfernungen vordringen zu können, zum anderen sollte die Aussicht auf einen tatsächlichen Empfang der Botschaft statistisch hoch sein. Für beides bot sich der bekannte Kugelsternhaufen Messier 13 im Sternbild Herkules an. Er ist rund 25.000 Lichtjahre von der Erde entfernt und steht hoch über der galaktischen Ebene in einer Richtung, wo Staub- und Gaswolken nur selten die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen beeinträchtigen. Mindestens eine halbe Million Sterne enthält die Sphäre des Kugelsternhaufens, die rund 150 Lichtjahre durchmisst.

Der prachtvoll anzusehende Kugelsternhaufen Messier 13 im Sternbild Herkules
Messier 13 oder M13 ist der hellste Kugelsternhaufen am Nordhimmel und wurde 1714 von dem englischen Astronomen Sir Edmond Halley entdeckt. Er umfasst mindestens 500.000 Sterne.
Credit:

Giuseppe Donatiello, CCO-Lizenz

Ein Radioteleskop auf einem extrasolaren Planeten in Messier 13, das mit der Sendefrequenz der Arecibo-Botschaft arbeitet und zum Zeitpunkt ihres Eintreffens auf unsere Sonne gerichtet ist, würde zu diesem Zeitpunkt eine zehnmillionenfach höhere Flussdichte (das heißt Energie pro Zeit, Frequenz und Fläche) registrieren als bei einem frequenzgleichen Signal der gewöhnlichen Sonne. Das sollte den vernunftbegabten Bewohnern im Kugelsternhaufen auffallen!

Wenn die Arecibo-Botschaft nach gut 25.000 Jahren Messier 13 erreicht, befindet sich der Kugelsternhaufen freilich nicht mehr exakt an dem Ort, wo er zur Zeit der Aussendung des Signals gestanden hatte. Doch die Eigenbewegung des Sternhaufens ist mit viertausendstel Bogensekunden pro Jahr sehr gering. Nach 25.000 Jahren ist die Sternansammlung lediglich um weniger als zwei Bogenminuten, das ist ein Zehntel ihres Gesamtdurchmessers, an der Himmelsphäre weitergewandert. Die Botschaft wird also in jedem Fall am vorgesehenen Ziel eintreffen.

Ob ein solcher alter Sternhaufen wirklich ein geeignetes Ziel für intelligente Radiowellenbotschaften ist, sei dahingestellt, denn dessen Sterne gehören zu der Sternpopulation II mit einer niedrigen Metallizität. Sie sind sehr alt und enthalten weniger Elemente, die schwerer als Helium sind. Folglich ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Planeten entwickeln, die genügend Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Phosphor usw. für die Entstehung von Leben besitzen, geringer. Andererseits könnte das hohe Alter der Sterne, statistisch betrachtet, die Langlebigkeit einer weit fortgeschrittenen technisierten Zivilisation begünstigen. Es kann darum nicht völlig ausgeschlossen werden, dass in einem Kugelsternhaufen doch jemand auf eine Nachricht von draußen wartet...

Aufreihung erdähnlicher Planeten
Künstlerische Darstellung erdähnlicher Planeten in habitablen (bewohnbaren) Zonen. Von links: Kepler-22b, Kepler-69c, Kepler-452b, Kepler-62f und Kepler-186f. Der letzte in der Reihe ist die Erde selbst.
Credit:

NASA/JPL-Caltech

Die Suche geht weiter

Aussichtsreicher, Leben im All zu finden oder gar einen Kontakt mit einer fremden Zivilisation herzustellen, dürfte der Weg sein, der seit 1995 mit der Entdeckung extrasolarer Planeten bei metallreichen Sternen der Population I begann. Rund 7.500 extrasolare Planeten, von denen viele Planetensysteme bilden, hat man inzwischen gefunden, darunter zahlreiche Gesteinsplaneten mit Atmosphären.

Niemals zuvor war man in einer solch vorzüglichen Lage, auf der Basis konkreter boden- und weltraumgestützter Entdeckungen die Randbedingungen für Leben außerhalb der Erde disziplinübergreifend zu analysieren und zu diskutieren. Allein die schiere Zahl an Sternen, die in Milliarden von Galaxien versammelt sind, verleitet zu der Annahme, dass Leben, sofern es nicht auf einem ungewöhnlichen, extrem seltenen Entstehungsvorgang beruht, auf zahlreichen Planeten im Universum vorkommen könnte. Erdähnliche Planeten in habitablen Zonen sind dabei nach heutiger Kenntnis die vielversprechendsten Kandidaten. Einen Zwilling der Erde mit gleicher Masse, gleichem Radius und gleicher Sternumlaufszeit haben wir gleichwohl noch nicht entdeckt. Die ESA-Mission PLATO soll ab dem Jahr 2026 versuchen, solche Planeten in den lebensfreundlichen Zonen sonnenähnlicher Sterne aufzuspüren.

Die Arecibo-Botschaft blieb nicht die einzige ihrer Art. Etliche Botschaften folgten, einige gut durchdacht, andere weniger – und weitere werden folgen. Allen ist gemeinsam, dass nicht mehr ein weit entfernter Sternhaufen das Ziel der Nachricht ist, sondern sonnennahe Sterne, die vorwiegend von einem oder mehreren Planeten umgeben sind. Planeten von der Größe der Erde und mit einer Atmosphäre, die auf organische Kreisläufe auf deren Oberfläche schließen lässt, könnten dabei künftig ideale Ziele für neue interstellare Radiobotschaften sein.

Künstlerische Darstellung der Oberfläche von Kepler-1649c
Blick von Kepler-1649c, einem der erdähnlichsten Planeten, auf seinen Mutterstern, einem M5-Hauptreihenstern. Er dürfte den Planeten gebunden rotieren lassen und einer hohen Röntgen- und UV-Strahlung aussetzen.
Credit:

NASA/Ames Research Center/Daniel Rutter

Sollten wir eines Tages eine Antwort bekommen oder unversehens Signale empfangen, von denen wir annehmen, dass sie nur von einer außerirdischen Zivilisation stammen können, so sind wir zum Glück darauf schon vorbereitet. In der Declaration of Principles Concerning Activities Following the Detection of Extraterrestrial Intelligence wurden bereits im Jahr 1989 die ersten Schritte festgelegt, die in einem solchen Fall zu unternehmen sind. Ein Kontakt mit einer außerirdischen Intelligenz wäre zweifellos für die Menschheit ein Paradigmenwechsel historischen Ausmaßes, vergleichbar mit den Revolutionen durch Kopernikus, Darwin und Freud, deren Einsichten den Menschen jeweils aus seiner bis dahin einzigartigen Stellung geworfen haben.

Friedliche Welt und zivilisatorische Lebensdauer

Die Arecibo-Botschaft war keineswegs die allererste extraterrestrisch motivierte Botschaft. Zwölf Jahre zuvor, am 19. November 1962, war vom sowjetischen Jewpatorija Planetary Radar Complex auf der Halbinsel Krim mit einem Array aus acht 16-Meter-Radioantennen ein Morsesignal zur Venus gefunkt worden. Von dort zurückreflektiert, erreichte es nach vier Minuten und 33 Sekunden wieder die Erde und ist seitdem weiter zum Stern HD 131336 im Sternbild Waage unterwegs, bei dem es nach mehr als einem Millennium eintreffen wird. Diese erste Botschaft des 19. November 1962 bestand lediglich aus einem einzigen Wort: Mir, das sowohl „Welt“ als auch „Frieden“ im Russischen bedeutet. Dass wir in einer Welt des Friedens leben, wäre wahrlich eine vortreffliche Botschaft an jeden Außerirdischen.

Frank Drake, der Vater der Green-Bank-Formel und Architekt der Arecibo-Botschaft, verstarb 2022 im Alter von 92 Jahren. Es dürfte gewiss in seinem Sinne sein, wenn jeder in seinem Verantwortungsbereich auf der Erde daran mitarbeiten würde, die Lebensdauer der menschlich-technischen Zivilisation, der eine Schlüsselrolle für interstellare Kommunikation zukommt, nach Kräften auszudehnen. Doch lassen wir ihn zum Schluss selber zu Wort kommen (Aufzeichnung einer Vorlesung von Frank Drake zum Thema „Estimating the Chances of Life Out There")

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