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Die Feuerkranz-Sonnenfinsternis über der Osterinsel

Die riesigen Steinstatuen auf Rapa Nui
Die Osterinsel oder Rapa Nui ist weltweit bekannt für ihre riesigen Moai-Statuen aus Stein.
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Rivi / CC BY-SA 3.0

Am 2. Oktober 2024 wird sich über dem Stillen Ozean eine ringförmige Sonnenfinsternis ereignen. Die Zone der ringförmigen Phase beginnt gegen 19 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit nördlich des Kingmanriffs und des Palmyra-Atolls bei 165 Grad 31 Minuten westlicher Länge und 8 Grad 22 Minuten nördlicher Breite und eilt von dort südöstlich über den Pazifik hinweg, überquert sodann in einer knappen Viertelstunde Patagonien zwischen der „Halbinsel der drei Berge“ auf der Pazifik- und Punta Buque auf der Atlantikseite, verfehlt auf dem weiteren Weg die Falklandinseln um knapp 50 Kilometer und löst sich schließlich rund 400 Kilometer nördlich von Südgeorgien von der Erdoberfläche ab. Das ganze Himmelsschauspiel dauert rund drei Stunden und 40 Minuten. Die ringförmige Phase erreicht maximal eine Dauer von sieben Minuten und 25 Sekunden. Die Finsternis kann somit zu den längeren ihrer Art zählen; bei „idealer“ Konstellation von Sonne und Mond zur Erde ist theoretisch sogar eine maximale Dauer von zwölfeinhalb Minuten möglich. Dieser Wert wurde zuletzt mit zwölf Minuten und 23 Sekunden am 7. Dezember 150 beinahe erreicht. Auf die nächste lange ringförmige Verfinsterung der Sonne mit mehr als zwölf Minuten zentraler Dauer müssen wir allerdings bis zum 14. Januar 3080 warten.

Ringförmige Sonnenfinsternis am 3. Oktober 2005
Fast auf den Tag genau ereignete sich vor 19 Jahren am 3. Oktober 2005 eine ringförmige Sonnenfinsternis, die unter anderem gut von Spanien aus zu beobachten war. Das Bild in markant hoher Auflösung gelang dem Fotografen Stefan Seip.
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Stefan Seip – astromeeting.de

Die „ideale“ Konstellation tritt dann ein, wenn sich die Erde in Sonnennähe befindet und zur selben Zeit ein Neumond hinreichend nah an einem der beiden Schnittpunkte von Mond- und Erdbahnebene durch das Apogäum, die Erdferne, zieht. Dann sind die Voraussetzungen für eine langanhaltende ringförmige Phase der Sonnenverfinsterung, wie in den Jahren 150 und 3080, besonders günstig.

Am 2. Oktober befindet sich der Mond mit 406.516 Kilometern im Apogäum, am erdfernsten Punkt seiner Bahn, und kann mit seinem scheinbaren Durchmesser von nur 29,4 Bogenminuten die 32 Bogenminuten durchmessende Sonnenscheibe nicht vollständig verdunkeln. Die Sonnenrandzone erscheint hierbei wie ein heller Feuerkranz, der sich kontrastreich von der schwarzen Neumondscheibe abhebt und sie umsäumt. Je nach Standort auf der Zentrallinie des Finsternispfades wird dieses Schauspiel zwischen fünf Minuten 39 Sekunden und sieben Minuten 25 Sekunden dauern.

Globaler Verlauf der Sonnenfinsternis am 2. Oktober 2024
Darstellung des globalen Verlaufs der Sonnenfinsternis am 2. Oktober 2024. Im roten Band ist die Finsternis ringförmig zu sehen, sonst innerhalb des Liniennetzes nur partiell.
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Fred Espenak, AstroPixels Publishing

Der Feuerkranz über dem „Nabel der Welt“

Außerhalb der bis zu 332 Kilometer breiten, variablen Zone der Antumbra, oft etwas missverständlich als „Ringschatten“ bezeichnet, lässt sich das Himmelsspektakel im gesamten mittleren und östlich gelegenen nord- und südpazifischen sowie im westantarktischen Raum, im südlichen Teil des südamerikanischen Kontinents und im südwestlichen Atlantik als partielle Sonnenverfinsterung verfolgen. Sogar am Südpol würde man noch eine knapp dreiprozentige Bedeckung der Sonnenscheibe wahrnehmen können.

Ein Beobachtungsort sticht bei dieser Finsternis besonders heraus: die Osterinsel, in der Sprache der einheimischen Polynesier Rapa Nui, genannt. Diese geographisch entlegene Insel wurde am 5. April 1722 von dem Niederländer Jakob Roggeveen (1659 bis1729) und seiner Mannschaft auf der Suche nach dem vermuteten Südkontinent entdeckt und erhielt, weil dieser Tag ein Ostersonntag war, entsprechend ihren Namen. 3500 Kilometer trennen sie von der chilenischen Küste, zur nächsten bewohnten Nachbarinsel Pitcairn, bekannt geworden als Zufluchtsort der Meuterer auf der Bounty, sind es „nur“ rund 2.000 Kilometer.

Wenngleich die Osterinsel nicht exakt auf der Zentrallinie des Ringschattenpfades liegt, so wird im äußersten Südwesten der Insel immerhin bis zu sechseinhalb Minuten lang die Mondscheibe komplett vor und innerhalb der Sonnenscheibe zu sehen sein. Im nordöstlichen Teil der Insel ist es rund eine Minute weniger. Auf der gut sechzig Kilometer südwestlich entfernten Zentrallinie würde man mit sieben Minuten und 24 Sekunden nahezu die maximal mögliche Dauer der ringförmigen Phase erleben.

Zu erwarten ist, dass sich rund um den Erdball etliche Profi- und Amateurastronomen – wie zuletzt im Juli 2010 – mit ihrer Ausrüstung wieder in den Pazifik aufmachen. Damals leuchtete am 11. des Monats die Sonnenkorona über der Osterinsel auf und zugleich tauchte der Mondschatten den „Nabel der Welt“ des Eilands fast fünf Minuten lang in eine magische Dunkelheit. Für die Insel als Standort sprechen diesmal ein ausgenommen hoher Sonnenstand im Vergleich zu anderen Plätzen in Chile und Argentinien und akzeptable Wetterprognosen. Möge Makemake, die Schöpfer- und Fruchtbarkeitsgottheit der Insel, die im Jahr 2006 am Firmament einen Zwergplanetenstatus erlangt hat, das Ihre dazu beitragen!

Der „Nabel der Welt“ auf der Osterinsel
Über den „Nabel der Welt“ (Te Pito o Te Henua) auf der Osterinsel wird am 2. Oktober 2024 die Antumbra des Mondes sechs Minuten lang hinwegziehen.
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Jean-Paul Corlin / CC-BY-SA-4.0

Die ringförmige Sonnenfinsternis am 2. Oktober 2024 gehört zum solaren Saroszyklus Nummer 144. Dieser begann am 11. April 1736 in der Antarktis und wird am 5. Mai 2980 in der sibirisch-arktischen Region nach insgesamt 70 Finsternissen enden. Auf die jetzige Finsternis werden noch weitere dreißig ringförmige und danach 23 partielle Finsternisse folgen; die längste zentrale Dauer wird mit neun Minuten und 52 Sekunden am 29. Dezember 2168 erreicht. Totale Sonnenfinsternisse kommen in diesem Saroszyklus nicht vor.

Einige Hinweise zur Beobachtung

Wer die ringförmige Sonnenfinsternis am 2. Oktober mit dem bloßen Auge beobachten kann, muss sein Augenlicht durchgehend mit einer qualifizierten Sonnenfinsternis-Brille schützen; eine kurze „ungefährliche“ Finsternisphase wie bei einer totalen Sonnenfinsternis gibt es nicht. Für Teleskope und andere vergrößernde optische Geräte sind Schutzfolien und Filter erhältlich, die vor dem Objektiv angebracht werden. Okularsonnenfilter sind zu vermeiden, da sie von der Sonnenstrahlung erhitzt platzen können.

Die exakten Zeiten und wichtigsten Verlaufsdaten lassen sich für einen bestimmten Beobachtungsstandort unter anderem mithilfe dieser Finsterniskarte finden. Zudem wird es mindestens einen englischsprachigen Livestream geben, sodass alle Daheimgebliebenen am Bildschirm in den Genuss dieses faszinierenden Naturschauspiels kommen können.

Von der Osterinsel zum Osterfest

Rapa Nui erhielt, wie bereits erwähnt, von den europäischen Entdeckern den Namen „Osterinsel“, weil der Tag ihrer Entdeckung ein Ostersonntag war. Die spanische Bezeichnung „Isla de Pascua“ bringt darüber hinaus etymologisch noch den Ursprung des christlichen Hochfestes zum Ausdruck, das im jüdischen Passahfest wurzelt. Dem Mond beziehungsweise dem Vollmond des ersten Monats im jüdischen Kalenderjahr am 14. Nisan kam in der Schilderung der biblischen zehnten Plage und der damit verbundenen Einsetzung des Passahfestes eine wichtige Rolle zu. In abgewandelter und mathematisch komplexer Form ist sie bis heute für die Terminierung des christlichen Osterfestes beibehalten worden.

Wie das Osterfest festzulegen und vom jüdischen Passahfest abzugrenzen sei, wurde erstmals auf dem ersten Konzil von Nicäa im Jahre 325 n. Chr. verhandelt. 2025 jährt sich dieses bedeutende Konzil zum 1.700sten Mal. Damals wurde beschlossen und von Kaiser Konstantin dem Großen angeordnet, dass Ostern in allen Kirchengemeinden einheitlich an ein und demselben Tag gefeiert werden sollte. Alexandrinische Gelehrte sollten verbindlich die mathematisch-astronomischen Berechnungen dazu ausführen, da sie als die erfahrensten für diese Arbeit galten. Doch in der Praxis gab es in den folgenden Jahrhunderten immer wieder heftigen Streit: die Geschichte des Computus, der Osterterminbestimmung, füllt Bände. Erst ab dem neunten Jahrhundert kann man sagen, dass das Ziel des Konzils im Wesentlichen erreicht wurde.

Ikone, die das erste Konzil von Nicäa darstellt
Auf dem ersten Konzil von Nicäa wurde unter Leitung von Kaiser Konstantin dem Großen nach dem übereinstimmenden Urteil aller Anwesenden beschlossen, dass Ostern von allen und an allen Orten an ein und demselben Tag gefeiert werden soll.
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Gemeinfrei

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Infolge der Gregorianischen Kalenderform im Jahre 1582 wurde das mühsam erzielte Ergebnis jedoch wieder zunichte gemacht. Weil die Ostkirchen den älteren julianischen Kalender für die Festdaten im Kirchenjahr beibehalten haben, die Westkirchen hingegen den neueren gregorianischen verwenden, weichen die Osterdaten, von gelegentlichen kalendarischen Übereinstimmungen abgesehen, wieder voneinander ab. Seit 1997 sind allerdings erneut Bestrebungen aufgelebt, diese Spaltung endlich zu überwinden und für alle Christen dauerhaft zu einem einheitlichen Ostertermin zu kommen. Ob dies nach genau 1.700 Jahren gelingen und im kommenden Jahr verkündet wird, bleibt abzuwarten. Beide großen Weltkirchen müssten gleichsam über den Schatten „ihres“ Mondes springen und sich auf einen Kompromiss einigen. Mit einem sogenannten „Kompromissmond“, der den jeweiligen Kalendermond der beiden Kalendersysteme in mathematischer Form ausgewogen ersetzt, ließe sich dabei die jüdische Wurzel des Osterfestes sowie der symbolische Aspekt bewahren, dass niemals irgendwo auf der Welt an diesem Tag das österliche Licht und der Glanz des Auferstandenen durch eine Sonnenfinsternis verdunkelt wird.

Darüber soll es unter anderem im ersten Vortrag des kommenden DLR-Astroseminars von Heiner Lichtenberg gehen, der die mathematisch-kalendarischen Grundlagen für einen solchen „Kompromissmond“ bereits seit längerem ausgearbeitet hat.

Eines ist den Sonnenfinsternissen und den Osterfestterminen gemeinsam: Sie lassen sich berechnen und dadurch verlässlich vorhersagen. Bei den Finsternissen konnte jüngst sogar dank des Lunar Reconnaissance Orbiters (LRO) die topographische Genauigkeit der Schattenpfade weiter erhöht werden.

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