Das Fliegen klimaverträglich machen: DLR-Forschung zum Einsatz alternativer Kraftstoffe
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat sich zum Ziel gesetzt, die Luftfahrt emissionsarm und damit klimaverträglich zu machen, indem es alle verfügbaren Technologien – Wasserstoff, elektrische Antriebe und nachhaltige synthetische Kraftstoffe – weiter vorantreibt. Mit dem fliegenden Testlabor Uplift eröffnet sich nun zum ersten Mal die Chance, sie gemeinsam und in unterschiedlichen Kombinationen zu untersuchen.
Das DLR-Forschungsflugzeug D328 UpLift fliegt mit 100 Prozent synthetischem Treibstoff von Oberpfaffenhofen nach Berlin zur ILA 2024 (Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung) und wird dort zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Genauer gesagt handelt es sich um einen Fischer-Tropsch-Treibstoff, der zukünftig mit grünem Wasserstoff und nachhaltiger CO2-Quelle als Power-to-Liquid (PtL) hergestellt werden kann. Anders als herkömmliches Kerosin enthält er keine Aromaten – und wird deshalb deutlich weniger Rußpartikel in der Atmosphäre hinterlassen. Der in UpLift verwendete Treibstoff stammt zwar nicht aus einem PtL-Prozess, ist aber chemisch und prozesstechnisch äquivalent. Man spricht in so einem Fall von einem Proxy Fuel oder auch PtL-Proxy.
Am 28. Mai 2024 hat UpLift den ersten Testflug am DLR-Standort Oberpfaffenhofen unter Verwendung von 100 Prozent dieses Proxy Fuels auf einem Triebwerk absolviert. Dieser Flug bereitet den Betrieb beider Triebwerke auf dem Weg nach Berlin vor. Bei der Verbrennung dieses Treibstoffs ist zu erwarten, dass sich nicht nur die Emission von Rußpartikeln, sondern in der Folge auch die Klimawirkung von Kondensstreifen reduziert.
Das DLR beschäftigt sich seit 2008 mit alternativen Flugkraftstoffen. Es begann mit dem EU FP7 Projekt ALFA-BIRD. Damals waren SAFs noch sehr rar – selbst die kleinen Mengen, die für Labor- oder Verbrennungsanlagen-Tests benötigt werden, waren kaum erhältlich. Für die zweite Phase der Tests an Triebwerkskomponenten in diesem Projekt wurden vier synthetische Kraftstoffe ausgewählt und beschafft, die aus fossilen Rohstoffen hergestellt wurden. Darunter war auch ein vollsynthetischer Kraftstoff (FSJF), der genau wie der nun verwendete Proxy ebenfalls mittels Fischer-Tropsch-Synthese (FTS) hergestellt wurde.
Das Comeback der Fischer-Tropsch-Synthese
Die Verfahren zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe auf der Grundlage der Fischer-Tropsch-Synthese (FTS) sind nicht rohstoffabhängig – anders gesagt, es können sehr viele unterschiedliche Einsatzstoffe verwendet werden, um auf diesem Weg einen Kraftstoff zu produzieren. Sie werden dann in ein Synthesegas (H2 und CO) zerlegt. Dieses Zwischenprodukt wird dann in den FTS-Reaktor eingespeist. Die Zusammensetzung des Endprodukts ist unabhängig vom Aggregatzustand (gasförmig, flüssig oder fest) und von der Art (fossil oder erneuerbar) des Ausgangsmaterials. Es war von Anfang an klar, dass die technische Relevanz eines Gemischs aus synthetischen Kraftstoffmolekülen für die Forschung des DLR nicht von seinem Nachhaltigkeitszertifikat abhängt, sondern zunächst von seiner chemischen Zusammensetzung und seinen thermophysikalischen Eigenschaften.
Für die Lebenszyklusanalyse (LCA) und die Untersuchung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit der verschiedenen alternativen Kraftstoffherstellungswege (einschließlich, aber nicht beschränkt auf SAFs) sind die erforderlichen Eingangsdaten oft schon früh in der Entwicklung verfügbar, da sie aus Prozesssimulationen und techno-ökonomischen Analysen auf Systemebene stammen. Wenn es jedoch um die technische Bewertung von Kraftstoffen und die In-situ-Studie ihrer Klima- und Umweltauswirkungen geht, beides wichtige Forschungsthemen des DLR, können die Daten nur mit tatsächlichem Kraftstoff generiert werden, und dann sind große Mengen erforderlich. Fossile synthetische Kraftstoffe, die den Mengenbedarf decken können, können dann als Proxy Fuel verwendet werden. Die Vergleichbarkeit der Kraftstoffe stellen wir durch chemische Analysen und einen Abgleich mit unserer SimFuel-Plattform sicher, in der mehr als 15.000 Kraftstoffe und Kraftstoffkomponenten sowie deren Eigenschaften gespeichert sind – es ist eine der weltweit größten Datenbanken dieser Art.
Ein wichtiger Schritt: Die ECLIF-Flugmesskampagnen
Unter dem Namen ECLIF (Emissionen und Klimaauswirkungen von alternativen Kraftstoffen) hat das DLR seit 2015 mehrere große Emissionsmesskampagnen organisiert, bei denen sowohl Bodentests als auch In-situ-Sondierungen im Flug von einem Verfolgungsflugzeug aus durchgeführt wurden. Die Wissenschaftler in diesem Verfolger schnüffelten also förmlich am Abgasstrahl – ein Experiment, für das man aufgrund der Turbulenzen einen stabilen Magen brauchte.
Während der ECLIF-1-Kampagne (2015) verwendete das DLR fossil-synthetische Kraftstoffe, darunter halbsynthetische Jetkraftstoffe und einen vollsynthetischen Jetkraftstoff, die ebenfalls mit der Fischer-Tropsch-Synthese produziert wurden. Mit diesen synthetischen Kraftstoffen als Proxy für SAF war es möglich, die Auswirkungen auf den wichtigsten klimawirksamen Effekt des Flugverkehrs zu untersuchen und zu quantifizieren. Zu diesem Zeitpunkt sind in Europa gerade die ersten kommerziellen SAF-Produktionsanlagen in Betrieb genommen worden.
In der zweiten ECLIF-Messkampagne im Jahr 2018 gelang es dann, in Zusammenarbeit mit der NASA die Ergebnisse mit einem „echten“ SAF zu validieren – verwendet wurde ein HEFA-SPK, gemischt mit konventionellem Jet A-1, der nur wenige Tage vor den Tests zugelassen wurde. Das gesamte Team hat damals Außergewöhnliches geleistet. Dabei spielten das Kraftstoffkonzept und die Methoden, die auf der Grundlage der bei ECLIF-1 gewonnenen Erkenntnisse entwickelt wurden, eine wichtige Rolle. Die Kampagne ermöglichte den Nachweis, dass sich eine Reduktion der Aromaten eindeutig positiv auswirkt, weil sich weniger Kondensstreifen bilden. Der Einsatz aller Beteiligten hat sich also gelohnt.
In der jüngsten Kampagne der ECLIF-Serie, ECLIF-3 (2021) arbeitete das DLR mit AIRBUS, Rolls-Royce, Neste, NRC Canada und Manchester University zusammen. Dabei wurden die ersten Emissionsmessungen hinter einem kommerziellen Passagierflugzeug (A350 mit RR Trent-XWB) gemacht, das in beiden Triebwerken 100 Prozent SAF (HEFA-SPK) verbrennt. Die Erkenntnisse, die in der Grundlagenforschung und den großen Kampagnen durch die Verwendung von synthetischem Treibstoff gewonnen wurden, waren entscheidend für die Weiterentwicklung des Treibstoffdesigns, die Verringerung des Risikos und die Optimierung aller folgenden Kampagnen mit 100 Prozent SAF.
Uplift: Ein neues Kapitel beginnt
Auf dieser langen Reihe an außergewöhnlichen Tests baut nun die Testreihe im Projekt Uplift auf, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert und vom DLR betrieben wird. Noch stehen keine größere Mengen Power-to-Liquid (PTL) SAF zur Verfügung – deshalb wird die Dornier 328-100 der Deutschen Aircraft mit einem fossilen vollsynthetischen Treibstoff als E-Fuel Proxy betankt. Vom Konzept bis zur Produktion sind moderne Flugzeuge und insbesondere ihre Treibstoffsysteme und die Verbrennungssysteme heute so ausgelegt, dass sie mit der großen Vielfalt herkömmlicher fossiler Kraftstoffe des Typs Jet A-1 genauso wie mit SAFs sicher fliegen können. Im Projekt „UpLift“, dem fliegenden Prüfstand für klimafreundliche Luftfahrttechnologien, wird das DLR die Vorteile zukünftiger vollsynthetischer nachhaltiger PTL-SPK bewerten.
Diese Kraftstoffe werden auf absehbare Zeit die einzige Möglichkeit sein, um Langstreckenflüge emissionsfrei zu fliegen. Allerdings gibt es noch viel zu tun, um die Technologie in die industrielle Produktion zu bringen. Unsere Arbeit zielt deshalb darauf ab, den Markthochlauf der alternativen Kraftstoffe zu beschleunigen – sei es mit dem Bau der Technologieplattform für Power-to-Liquid-Kraftstoffe TPP oder mit der Entwicklung unserer Simfuel-Plattform, die es Herstellern ermöglicht, ihre Produktion von Anfang an effektiv zu gestalten.
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