| Raumfahrt

Rochade im Weltall

Unser Team im Columbus-Modell
Das Team, das sich monatelang die Tage (und auch die Nächte) um die Ohren geschlagen hat, um den „Rack-Dance“ vorzubereiten.

Mir fällt der Namen des Schiebespiels nicht ein, bei dem man in einem Quadrat angeordnete Plättchen in die richtige Ordnung bringen muss, und dabei nur immer genau eine Lücke hat, in die man jeweils eins der Plättchen schieben kann. Der Halbleiterphysiker würde es „Lochwanderung“ nennen, weil man – ein bisschen verquer gedacht – sich das Ganze ja auch nicht als sich verschiebende Plättchen, sondern wie eine wandernde Lücke vorstellen kann... Details über die Verbindung zu Halbleitern erspare ich uns. So eine Art Lochwanderung hatten wir vor Kurzem in unserem Columbus-Modul auf der Internationalen Raumstation ISS – und an deren Nachwirkungen arbeiten wir momentan immer noch.

Unsere Experimentschränke in Columbus, die wir auch Racks nennen, kann man prinzipiell von einer Rack-Location in eine andere schieben. In der Realität machen wir das ziemlich selten – warum sollten wir auch?

Wir haben vier Rack-Reihen – davon je eine oben, eine unten, eine „rechts“ und eine „links“. Warum rechts und links in Anführungszeichen? Nun, wir nennen es eigentlich „vorne“ und „hinten“: Die Seite vom Columbus-Labor, die in Flugrichtung der ISS zeigt, die andere eben entgegengesetzt der Flugrichtung. Etwas nautisch angehaucht sprechen wir also von deck (D), overhead (O), forward (F) und aft (A). Weiterhin gäbe es dann noch starboard (S) und port (P) – aber da haben wir in Columbus keine Racks. Und damit sind wir bei den Location-Codes, die wir auf der Raumstation nutzen. Wenn wir von COL1_A1 reden, dann wissen alle, dass wir das Rack in Columbus meinen, das „beim Reinkommen“ gleich rechts ist. COL1_O4 wäre entsprechend das letzte Rack oben hinten.

Und damit können wir den „Rack-Dance“, wie unsere Flight Controller die derzeitige Aktion getauft haben, wie in Schachsprache darstellen: EDR2 von COL1D4 nach NOD2D2 (damit haben wir uns „das Loch“ nach Columbus reingeholt – vorher war es im Node 2, 2. Deck-Rack…), ZSR von COL1F3 nach COL1D4, Biolab von COL1A2 nach COL1F3 und schließlich EDR2 von NOD2D2 nach COL1A2. Schach! Und Loch wieder draußen! Alles klar?

Wie bei der Halbleiterphysik erspare ich Ihnen die Details – nur so viel: EDR2 ist neu, war bislang an einem Platz ohne Stromversorgung „geparkt“ – jetzt wollen wir es aktivieren, also brauchen wir einen Rack-Platz mit Stromzugang. Außerdem haben wir noch Pläne für die Zukunft, die wir bereits im Auge haben und für die wir mit dieser neuen Konfiguration gut aufgestellt sind. Und ein weiterer Aspekt, der bei der Rack-Verteilung interessanterweise eine Rolle spielt: Die Schwerelosigkeit „ist besser“, je kleiner die Nummer der Rack-Location ist… Klingt komisch, ist aber so: Zum einen „fällt“ ja nur der Schwerpunkt der ISS so richtig optimal um die Erde – je weiter man von diesem entfernt ist, desto „unvollkommener“ ist die Schwerelosigkeit. Und zum anderen: Je weiter man vom Zentrum der ISS entfernt ist, desto mehr „spürt“ man die Schwingungen und Vibrationen, die durch die zahlreichen Pumpen und Aggregate, aber auch durch die Bewegungen der Astronautinnen und Astronauten verursacht werden. Vibration bedeutet „hin- und herbewegen“, periodische Bewegungen bedeutet dauernde Beschleunigungen – und dahin ist die schöne Schwerelosigkeit… Deshalb sprechen wir auch von „Mikrogravitation“ anstatt von Schwerelosigkeit.

Tanz im Weltraum
...und nochmals das Team, wie sie sich vorstellen, den „Rack-Dance“ im Weltraum zu bewerkstelligen, wenn sie die Astronauten wären...

Die Experimente, die eine „gute Schwerelosigkeit“ brauchen, befinden daher eher in der Nähe des Eingangs von Columbus: Kristallwachstumsforschung wäre ein Beispiel dafür. Für humanphysiologische Experimente ist dagegen auch „schlechte Mikrogravitation“ ausreichend – der Astronaut oder die Astronautin merken das gar nicht. Also: Alle Forschung in dieser Sparte ab nach ganz hinten!

Zurück zum „Rack-Dance“: Dadurch, dass jetzt mehrere Racks eine andere Position haben, ist unsere Software durcheinandergeraten: Diese hat noch die „alte Columbuseinrichtung“ im Sinn, weswegen keine ordentliche Kommunikation zwischen den Racks und dem Columbus-Labor mehr möglich ist. Nun installieren wir an Bord und auch in unseren Bodensystemen einen „Patch Cluster“, der das Problem behebt und auch in der Software die Racks an die neuen Positionen verschiebt. Wie immer in der Raumfahrt hört sich das einfacher an als es ist – wieder steckt monatelange Arbeit dahinter, wieder musste alles auf Herz und Nieren geprüft werden, wieder musste man sich auf alle Eventualitäten vorbereiten. Und wieder ist alles gut gegangen – gerade wegen der peniblen Vorbereitung!