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GALA auf JUICE Teil 2: Von der ersten Idee zum fertigen Instrument – eine Entwicklungsgeschichte

Die Galileischen Monde des Jupitersystems, dem Ziel der JUICE-Mission
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NASA/JPL/DLR

Im ersten Teil zum Ganymede Laser Altimeter (GALA) haben wir das Instrument und seine wissenschaftlichen Ziele vorgestellt. In diesem Beitrag soll nun die langjährige Entwicklungsgeschichte von GALA beschrieben werden, die ein solch komplexes Instrument durchläuft, bis es in den Weltraum starten kann.

Im Jahr 2007, also vor mehr als 15 Jahren, wurde von der ESA der Vorschlag für eine Jupiter-Mission für eine sogenannte „Assessment Phase Study“ ausgewählt. Man wollte zu den unerforschten Eismonden des Jupiters fliegen und von ihm selbst die Atmosphäre, Magnetfelder und Strahlungsgürtel untersuchen. Die Mission hatte den Namen Laplace.

Erstes Blockdiagramm von GALA. Der grundlegende Aufbau mit einer Transceiver Unit für Laser und Empfangsteleskop sowie einer weiteren Elektronik-Einheit ist zu erkennen.
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© DLR. Alle Rechte vorbehalten

Die wissenschaftlichen Zielstellungen wurden in der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft erarbeitet und es wurde auch vorgeschlagen, welche Art von Instrumenten in Frage kommen, um mit entsprechenden Messungen die wissenschaftlichen Daten zu erhalten. Ein Laseraltimeter war eines der vielen Kandidaten.

Im September 2008 stellten wir bei einem ersten Payload-Meeting das erste GALA-Blockdiagramm vor, noch ganz einfach gehalten und nur das Grundprinzip zeigend.

Hier eine erste Vorhersage, wie die Abdeckung der Oberfläche aussehen könnte, auch hier mit sehr vorläufigen Annahmen bezügliche der Orbitparameter um Ganymed:

Frühe Simulation der Bodenspuren auf der Ganymed-Oberfläche, hier nach zwölf Tagen in einem 200 Kilometer hohen zirkularen Orbit.
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In den Jahren 2009 und 2010 gab es aus programmatischer Sicht eine interessante Entwicklung: Die NASA hatte parallel zur Laplace-Mission der ESA eine eigene zum Jupiter-Mond Europa in Planung. Nun wurden die beiden Programme kombiniert, das heißt es gab einen Jupiter Europa Orbiter von der NASA und einen Jupiter Ganymede Orbiter von der ESA, ehemals Laplace.

Das gemeinsame Programm wurde Europa Jupiter System Mission (EJSM) genannt und durch die gleichzeitige Anwesenheit der beiden Raumsonden im Jupitersystem sollte sich der wissenschaftliche Output ergänzen und verbessern. Eine gute Idee, aber leider verabschiedete sich die NASA in den kommenden Jahren aus finanziellen Gründen aus dem Projekt. Die Geschichte ist hier aber noch nicht zu Ende: Um 2015 herum wurde eine abgespeckte Version der ursprünglichen NASA-Mission unter dem Namen Europa Clipper aus der Taufe gehoben. Der Start ist für Oktober 2024 geplant, Ankunft im Jupitersystem im Jahr 2030 und somit werden wieder zwei Sonden gleichzeitig im Jupitersystem unterwegs sein und können sich perfekt ergänzen. Es ist sogar in Planung, dass die europäische JUICE-Sonde die amerikanische Europa-Clipper-Sonde filmt, wenn diese am Ende ihrer Lebenszeit auf der Ganymed-Oberfläche aufschlagen wird und dabei Eis und Staub in die Höhe schleudern wird. Die Partikelmessgeräte und Spektrometer auf JUICE werden begeistert sein, Laseraltimeter und Kamera könnten einen frischen Krater erkunden.

Doch zurück zu GALA im Jahr 2009: Die Berechnungen zur erforderlichen Leistungsfähigkeit, insbesondere das sogenannte Link-Budget wurden stetig verfeinert. Unzählige technische Parameter zu optischen und elektrischen Baugruppen mussten berücksichtigt werden, die Alterung der Bauteile während der jahrelangen Mission, die Charakteristik des Detektors (eine Silizium-Photodiode), die Algorithmen der Pulserkennung und so weiter.

Dies alles wird mit lückenhaften, oft ungenauen Daten aus vergangenen Jupiter-Missionen simuliert, etwa aus der Galileo-Mission (Mitte der 1990er-Jahre), um zu erkennen, ob die anvisierten Leistungsparameter von GALA ausreichend sein würden. Natürlich birgt dieser Schritt eine große Ungewissheit, denn wir fliegen ja zu bisher unerforschten Eismonden.

Simulationen zum Tidenhub von Ganymed
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Die Berechnungen führten zu einer ersten Abschätzung der erforderlichen Laserpulsenergie von 15 bis 26 Millijoule (später werden es 17 Millijoule sein) und einem Durchmesser des Teleskopes von 10 bis 25 Zentimeter (es werden letztlich 25 Zentimeter sein). Die Handskizzen wurden nun endlich in ein erstes CAD-Design gegossen, bei dem viele Erfahrungen aus unserem vorherigen Laser-Altimeter-Projekt BELA berücksichtigt wurden.

So ist die Transceiver Unit mit Laser und Empfangsteleskop sehr kompakt gebaut, was die Stabilität der optischen Ausrichtung zwischen Laserstrahlachse und Achse des Empfangsteleskopes enorm verbessert. Dies verkleinert zudem das Volumen der Baugruppe, was die Masse reduziert, obwohl die Außenwände aus Gründen der Strahlungsabschirmung vergleichsweise dick sein müssen. Zum Thema Strahlung im Jupitersystem wird es mehr im dritten Teil der Blogserie geben!

Erster CAD-Entwurf der GALA Transceiver Unit
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Die elektrische Übertragungsstrecke für das schwache elektrische Signal vom Detektor zur Digitalisierungselektronik kann auf wenige Zentimeter verkürzt werden. Im Elektronikdesign wurden signifikante Verbesserungen eingefügt, Störungen durch den Pumpstrom von 200 Ampère für die Laserdioden gelang es beinahe komplett zu unterdrücken.

Die Elektronikeinheit enthält die Strom- und Spannungsversorgung, das Rangefinder-Modul zur Pulsanalyse und Berechnung der Pulslaufzeit, den Hauptcomputer des Instruments (hier ICM genannt) und das Laserkontrollmodul, das später in ein eigene Unit ausgelagert wurde. Auch hier sieht man deutlich die dicken Außenwände zur Abschirmung sowie die damals noch eingeplante komplette kalte Redundanz.

Erster CAD-Entwurf der GALA Electronic Unit
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In den Jahren bis 2012 wurde nicht nur das internationale GALA-Konsortium (Japan, Schweiz, Spanien) und die jeweiligen Arbeitspakete definiert. Auch die technische Entwicklung schritt zügig voran.

Die Baugruppen der Transceiver Unit wurden auf einer stabilen optischen Bank angeordnet: Ganz oben befindet sich das Teleskop, darunter der Detektor mit seiner detektornahen Elektronik und ganz unten der Laser, dessen Laserstrahl über einen Umlenkspiegel gen Mondoberfläche emittiert werden sollte.
Die wichtigsten Kennzahlen für den Energieverbrauch sind immer die benötigte Leistung und die Masse. Zum damaligen Zeitpunkt mit dem vorläufigen Design lagen die Werte bei 47,3 Watt und 24,5 Kilogramm, was sich kaum von den späteren Werten des Flugmodells unterschied. Gute Arbeit!

Weiterentwicklung der Transceiver Unit mit Anordnung der Baugruppen
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In den Jahren 2013 bis 2014 wurde das GALA-Projekt mehr und mehr in die Missionsplanung der ESA mit eingebunden; die Schnittstellen zur Raumsonde wurden gezielt betrachtet. Es folgten die ersten Reviews mit den schönen Namen Instrument Preliminary Requirement Review und Instrument Consolidation Review, die für die ESA die Basis für eine Ausschreibung zum Bau der Raumsonde waren. 2015 wurde Airbus der sogenannte Prime Contractor und fortan ein weiterer wichtiger Ansprechpartner für alle Beteiligten. Seitens GALA wurde mit unserem deutschen Industriepartner Hensoldt Optronics (vormals Zeiss Optronics) die vertragliche Grundlage für die kommenden Jahre gelegt.

In den Jahren 2015 und 2016 wurde die technische Entwicklung in einem immer größer werdenden Team mit voller Kraft vorangetrieben. Neben dem CAD-Design wurden mathematische Simulationsmodelle in den Bereichen Mechanik, Thermaldesign, Optik und Strahlungsfestigkeit erstellt und stetig verfeinert. Die Schnittstellen mit der Raumsonde wurden weiter verbessert und abgestimmt. Da für eine Mission in das Jupitersystem strahlungsfeste Bauteile, Beschichtungen und Materialien überlebenswichtig sind, wurde eine Vielzahl von Strahlungstests durchgeführt. Starke Elektronenkanonen schossen die hochenergetischen, geladenen Teilchen auf Optiken und Schaltkreise, die diese Tortur bestenfalls unbeschädigt überstehen mussten.

Entwicklung des Designs in den Jahren 2015 bis 2016
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Hensoldt Optronics

Im Oktober 2016 dann das erste große Review der ESA. Im Preliminary Design Review wurde geprüft, ob das Instrument alle wissenschaftlichen und technischen Anforderungen erfüllt, der Zeitplan stimmig ist und die Vorbereitungen für die kommenden Phasen von Produktion der Einzelteile, Zusammenbau und Test getroffen wurden.

Wir haben den Review erfolgreich gemeistert und konnten damit mit der Produktion der ersten GALA-Modelle beginnen. Zum einen das Struktur-Thermal-Modell (kurz STM), das die mechanische Stabilität und geforderte thermale Eigenschaften nachweisen muss, und zum anderen das Electrical Model (kurz EM), das elektrisch repräsentativ ist und für das Testen der GALA-Software benutzt wird.

Gleichzeitig ging damit das Design des GALA-Flugmodells in die kritische Phase, die Ende 2018 seinen fast finalen Stand erreichte. Dies war eine besonders intensive Zeit, da neben Bau und Test von STM und EM bei uns und den internationalen Partnern auch das Design des Flugmodells finalisiert werden musste. Die Strahlungstests waren fast abgeschlossen, die Schnittstellen mit der Raumsonde musste bis ins Detail festgelegt werden.

Design des GALA-Flugmodells Ende 2018 (v.l.n.r.). Die Transceiver Unit (mit Radiator), die Electronic Unit und die Laser Electronic Unit
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TRU & LEU: Hensoldt Optronics, ELU: © DLR

Höhepunkte dieser Phase waren 2019 drei Meilensteine:

Im April haben wir mit Bravour das Critical Design Review bestanden. Es gab also die Freigabe für den Bau des Flugmodells. Im Juni konnten wir die Tests des STM abschließen und dieses Modell an ESA/Airbus ausliefern, im August ebenso das EM. Uff!

Das Jahr 2020 wurde komplett anders als wir uns das je vorstellen konnten. Normalweise ist in dieser Phase von Montage und Test des Flugmodells eine intensive Arbeit im Labor direkt an der Hardware das Ziel, aber Covid-19 hat diese Planung zunichte gemacht.

Das Personal im Labor musste auf das absolute Minimum reduziert werden und es wurde in Schichten gearbeitet. Wir haben Webcams im Labor installiert, um auf diese Weise aus dem Homeoffice mit den Kolleginnen und Kollegen im Labor die Arbeiten in „hybrider“ Weise durchführen zu können. Fast jeder Kontrollrechner wurde fernsteuerbar gemacht – oft unter Schmerzen unserer IT-Abteilung.

Der Zeitplan war zu diesem Zeitpunkt schon enorm angespannt. Wir hatten alle Aktivitäten der nächsten zwölf Monate tagesgenau durchgeplant. Die ESA und Airbus haben keine Verzögerung erlaubt. Das GALA-Team zog an einem Strang, war flexibel und schaffte es, im Juni 2020 beide Elektronik-Einheiten des Flugmodells fertigzustellen und im Oktober 2020 dann die Transceiver Unit.

Von oben links nach unten rechts: 
Bild 1: Analog-Elektronik-Module aus Japan. Es verstärkt und digitalisiert das Detektorsignal und ist in der Transceiver Unit eingebaut. Credit: JAXA
Bild 2: Elektronic Unit im "gestreckten Aufbau" während der Integrationsphase. Credit: © DLR
Bild 3: Kondensator-Bänke innerhalb der Laser Electronic Unit. Hier wird die Energie gespeichert, mit der die sehr kurzen Laserpulse von fünf Nanosekunden erzeugt werden. Credit: Hensoldt Optronics
Bild 4: Flugmodell der Transceiver Unit kurz vor Abschluss der Montage. Credit: Hensoldt Optronics
Bild 5: Flugmodell der Electronic Unit. Credit: © DLR
Bild 6: Flugmodell der Laser Electronic Unit. Credit: Hensoldt Optronics
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Quellenangaben: s. Bildbeschreibungen

Nun musste das komplette Flugmodell auf Herz und Nieren getestet werden. Dies geschah in den folgenden zehn Monaten bis August 2021. Noch immer unter Covid19-Beschränkungen führten wir EMC-Tests inklusive AC-Magnetic-Tests, Vibrationstests, Thermal Cycling und Balance Tests, DC-Magnetic-Tests, Softwaretests und viele andere durch.

Am 14. August 2021 war der große Moment gekommen: Die umfangreiche Testkampagne war zu Ende, ESA und Airbus haben die Testergebnisse begutachtet, akzeptiert und die Freigabe erteilt sowie der Auslieferung des GALA-Flugmodells in Richtung Toulouse zu Airbus zugestimmt. Nochmal: Uff!

Die Integration von GALA auf die JUICE-Raumsonde sowie die dann folgende weitere Testkampagne waren die nächsten großen Abschnitte. Eine Zusammenfassung kann hier nachgelesen werden. Auch diese 15 Monate andauernde Phase hat GALA gut absolviert und konnte seine volle technische Leistung beweisen. Jetzt sind wir optimistisch, dass wir während der Mission exzellente wissenschaftliche Daten gewinnen werden.