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Für die Klimaforschung: Projektmanagement am Amazonas

Thomas Sprünken
Projektmanager Thomas Sprünken von der Einrichtung Flugexperimente ist für die Durchführung von Flugkampagnen zuständig. (Alle Bilder: DLR)

Wenn Thomas Sprünken derzeit zur Arbeit fährt, geht es mitten durch den Stadtverkehr von Manaus. Draußen sind es um die 30 Grad Celsius, die Luftfeuchtigkeit liegt bei mehr als 80 Prozent. Die brasilianische Stadt am Zusammenfluss von Amazonas und Rio Negro hat keine Straßenbahn und keine U-Bahn und so ist der Straßenverkehr die einzige Möglichkeit, von A nach B zu kommen. Der Projektmanager ist auf dem Weg zum Flugzeughangar am „Eduardo Gomes“-Flughafen – dort steht das Forschungsflugzeug HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft), das 16 Messinstrumente von Klimaforschern über den tropischen Regenwald bringen soll.

Manaus in Brasilien
Startpunkt für die Flüge mit HALO für die Klima-Kampagne CAFE-Brazil.
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20 Messflüge sind für die Messkampagne CAFE-Brazil geplant, an der etwa 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beteiligt sind. Thomas Sprünken von der DLR-Einrichtung Flugexperimente sorgt mit seinem Team dafür, dass die aufwendige Kampagne möglichst reibungslos verläuft und mit HALO die wichtigen und einzigartigen Daten gesammelt werden können. Seine Aufgabe dabei: alle Fäden in der Hand zu halten, den Überblick zu bewahren und mit den Beteiligten vom Techniker über die Forscherteams bis hin zu den Piloten im steten Austausch zu bleiben.

Überblick über alle Bereiche

Vorbereitungen im Hangar des "Eduardo Gomes"-Flughafens
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Im Sommer 2019 wechselte der Luft- und Raumfahrtingenieur von einem Flugzeughersteller zum DLR – und seitdem begleitet die Mission CAFE-Brazil auch seinen Arbeitsalltag. Ursprünglich für 2020 geplant, musste die Kampagne aufgrund der Corona-Situation verschoben werden. „Vor einem Jahr haben wir dann damit begonnen, alles vorab Geplante aufzufrischen: Hat sich etwas an der wissenschaftlichen Instrumentierung geändert? Können die damals abgeschlossenen Mietverträge für einen Hangar am brasilianischen Flughafen so bestehen bleiben? Wie sieht es mit Hotels aus, in dem das große Team aus Wissenschaft und Technik für mehrere Wochen leben und arbeiten kann?“, zählt Thomas Sprünken auf.

Bevor HALO in die Luft gehen kann, sind viele Einzelschritte erforderlich, die von der Kostenkalkulation mit Leistungsbeschreibung über den Einbau von Instrumenten in das Flugzeug und deren luftrechtliche Zulassung bis hin zu Mietverträgen, Routenplanung, Logistik und Verzollung sowie der Abstimmung mit Behörden vor Ort reichen. Die Kalkulation und die Vertragsverhandlung mit Partnern wie in diesem Falle dem Max-Planck-Institut für Chemie stehen unter anderem auf der To-Do-Liste des Projektmanagers. Für vieles andere gibt es in der DLR-Einrichtung Flugexperimente die entsprechenden Profis.

Jedes Projekt hat seine Eigenarten

In Teamarbeit wird der Einsatz von HALO geplant und durchgeführt
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„Für mich gilt dabei vielleicht: Ich kann vieles, aber nichts richtig.“ Was er damit sagen will: Er muss ein Flugzeug nicht warten können – muss aber sicherstellen, dass die Wartung planmäßig veranlasst wurde und alle Dokumente vorliegen. Er muss nicht die Flugrouten planen und beantragen – muss aber dafür sorgen, dass zwischen der Einsatzplanung, den Piloten und dem Kunden die Kommunikation läuft und die optimale Kampagne umgesetzt werden kann. Eine Flugkampagne ist das Ergebnis einer gut funktionierenden Teamarbeit: Erst wenn alles akribisch und den Vorschriften entsprechend vorbereitet ist, darf ein Forschungsflieger starten. Die Verantwortung für das funktionierende Zusammenspiel aller Beteiligten liegt dabei beim Projektmanagement. Wieviel Aufwand und Zeit in der gesamten Koordination und in der Umsetzung stecken, hängt auch vom Land ab, in dem die Messkampagne durchgeführt wird.

Exakte Planung und schnelle Improvisation

Arbeitsort Brasilien
Klima, Logistik und Verwaltung stellen besondere Ansprüche an das Projektmanagement von Thomas Sprünken.
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Brasilien und Manaus, die Stadt mitten im Regenwald, machen es dem DLR-Team nicht ganz so einfach: Alleine die Anreise der neunköpfigen Mannschaft zum Einsatzort erfolgte über mehrere Flughäfen. HALO musste aufgrund der Entfernung einmal auf den Kapverdischen Inseln übernachten und von angereisten DLR-Technikern dort auf den Weiterflug vorbereitet werden. Manchmal braucht es aus nicht nachvollziehbaren Gründen auch länger, bis die brasilianischen Behörden Flugrouten freigegeben – dann startet HALO mit Verspätung zu seinem Messflug. Es ist eine perfekte Mischung aus exakter Planung und schneller Improvisation, mit der Thomas Sprünken durch die Messkampagne führen muss. „Allen ist aber klar, dass nicht immer alle Abläufe vor Ort so funktionieren, wie man sie am Schreibtisch im Büro geplant hat.“

Hotel und Hangar statt Büro

Der Flugplan gibt die Arbeitszeiten vor
Thomas Sprünken ist auch nachts und früh morgens im Einsatz.

Während der Kampagne wechseln sich bei dem Projektmanager die reinen „Bürotage“ mit den Flugtagen am Flugzeughangar ab. Bleibt HALO am Boden, weil beispielsweise die Piloten vorgeschriebene Ruhezeiten beachten müssen oder Instrumente kalibriert oder gewartet werden, steht für Thomas Sprünken die Schreibtischarbeit mit Planungen, Emails, Telefonaten und Briefings zu üblichen Arbeitszeiten an. Ist ein Flugtag angesetzt, fährt er bereits Stunden vor der Abflugzeit zum Flughafen und ist dort Ansprechpartner für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihre Instrumente für den Flug vorbereiten, aber auch für sein Team, das das Flugzeug für den acht- bis neunstündigen Flug vorbereitet. HALO ist ein Langstreckenflieger für Atmosphärenforschung und Erdbeobachtung - die Flugtage sind lang und aufwendig, beginnen früh morgens oder bei Nachtflügen spät am Abend und sind für alle Beteiligten anstrengend. Die Arbeitswochen sind intensiv: Das Wochenende ist nicht tabu, und nur jeder siebte Tag ist ein „Day Off“ für das Team. Alle Ressourcen werden so gut wie möglich eingeplant, damit die Messkampagnen möglichst effektiv sind. Auch HALO ist für CAFE-Brazil bis zum letzten Zentimeter mit Instrumenten ausgestattet, neben den Piloten und dem Techniker bleibt nur noch Platz für vier wissenschaftliche Mitarbeitende.

Mal installiert Thomas Sprünken sein mobiles Büro an Flugtagen im Hangar, mal fährt er ins Hotel zurück, arbeitet dort, kann sich gegebenenfalls auch etwas ausruhen und kehrt dann abends zur Ankunftszeit des Fliegers wieder zum Hangar zurück. „Das können dann lange Tage werden, bis nach der Rückkehr von HALO alle wissenschaftlichen Daten gesichert und die Instrumente kalibriert sind.“ Es ist ein mobiles, flexibles Arbeiten, manchmal improvisiert, aber immer sehr präzise, damit alle Fäden zusammenbleiben.

Klimaforschung möglich machen

Insgesamt 20 Messflüge mit 16 Instrumenten an Bord führt der DLR-Forschungsflieger HALO aus
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Das Ziel von CAFE-Brazil ist es, Daten zu den chemischen Prozessen in der Atmosphäre über dem Amazonasregenwald zu gewinnen. Die wissenschaftlichen Partner wollen besser verstehen, wie sich Luftverschmutzung auf die Atmosphäre auswirkt und welche Rolle der Regenwald im Erdsystem spielt. „Gerade unsere HALO wird für topaktuelle Themen eingesetzt, die sich mit dem Klima beschäftigen“, sagt Thomas Sprünken. Dass mit dem Forschungsflieger immer wieder unterschiedliche Messinstrumente an allen möglichen Orten auf der Welt zum Einsatz kommen, das macht für ihn seine Arbeit so speziell. Fünf Kampagnen hat er mittlerweile im DLR als Projektmanager geleitet. „Schon großartig, was wir mit unseren Forschungsfliegern ermöglichen.“