Test für einen Verband ganz besonderer Art
Wenn ich das nächste Mal eine Sanitätsausbildung gebe, dann kann ich auf meiner Folie mit den alt-(zum Teil sehr-alt-)bekannten Verbandsmaterialien wie Dreieckstuch, Mullbinde, Verbandspäckchen oder Fingerkuppenverband ein funkelnigelnagelneues hinzufügen: die Verbandspistole!
Ja, richtig gehört - genau so sieht das Gerät nämlich aus, das Matthias Maurer mit der Unterstützung von den Experten in Toulouse und uns vom Columbus Control Center (Col-CC) im europäischen Forschungslabor der Internationalen Raumstation ISS ausprobiert hat.
Natürlich müssen sich die Astronautinnen und Astronauten auf der ISS in medizinischen Notfällen möglichst umfassend selbst behelfen können - im Portfolio der "MedOps"-Prozeduren, die auf der ISS vorhanden sind, sind so ungewöhnliche Dinge wie das Ziehen von Zähnen oder das Nähen von Wunden und Ähnliches beschrieben. In ihrer Ausbildung werden sie auch in derartigen "handwerklichen Tätigkeiten" unterwiesen. Unsererseits haben wir mit den Biomedical Engineers (BMEs) auch Experten an der Konsole, die zusätzlich schnell einen Flugarzt zur Unterstützung hinzuziehen können. Solange sich die Astronautinnen und Astronauten "nur" in Erdnähe aufhalten (die ISS fliegt in einem sogenanntem LEO, einem "low Earth orbit"), ist auch ein notfallmäßiger Rückflug eine Möglichkeit. Innerhalb von einigen Stunden wäre das betroffene Besatzungsmitglied dann in einem Krankenhaus.
Aber: Immer mehr richten wir in der astronautischen Raumfahrt unseren Blick Richtung Mond und - vielleicht auch in nicht allzu großer Ferne - Richtung Mars. Da ist eine schnelle Rückkehr auf die Erde in einem medizinischen Ernstfall freilich keine Option mehr. Und auch eine Unterstützung durch medizinische Experten von der Erde aus funktioniert nur sehr, sehr eingeschränkt: Die bei größerer Entfernung länger werdenden Signallaufzeiten ermöglichen keinen "Videoblick" über die Schulter des "außerirdischen" Sanitäters mehr und auch keine anleitenden Worte über Sprechfunk durch einen Mediziner im Kontrollzentrum.
Deshalb wird immer mehr an Verfahren und Möglichkeiten geforscht, die eine möglichst umfassende Autonomie in der medizinischen Versorgung erlauben. So wie eben Bioprint First Aid, die "Verbandspistole"! In dem Versuch musste Matthias eine fiktive Fleischwunde an seinem Oberschenkel versorgen: An den obligatorischen Klett-Streifen seiner Astronautenhose hatte er "Wunden" aus Folie befestigt, die er dann mit der Bioprint-Pistole mit einem flächigen Film aus einem Zweikomponenten-Gel überzog. Nach dem Trocknen des Gels zog er dann die Wunde samt Verbandsfilm ab und verstaute sie für den Rückflug zur Erde: Das Resultat soll analysiert, die Handhabung in Schwerelosigkeit diskutiert werden mit dem Ziel, eine zukünftige Version der Bioprint-Pistole mit einer gewebebildenden "Biotinte" auszustatten, die die Wunde dann wie mit einem 3D-Druckverfahren verschließen kann – ein Forschungsprojekt der TU Dresden.
Forschung im Weltall ist immer auch Forschung, die bei uns auf der Erde letztlich Dinge bewegt und maßgeblich verbessert. Vielleicht müssen sich in ein paar Jahren unsere "Sanitäter in Spe" in ihrer Ausbildung tatsächlich mit einer "Verbandspistole" vertraut machen...
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