Mit Atmosphärenforschung und Physik gegen Sonnenbrand
Julian Meyer-Arnek ist ein Outdoor-Fan. Und Vater einer kleinen Tochter. Und theoretischer Physiker und Atmosphärenforscher. Aus der Kombination ist vor drei Jahren etwas entstanden, dass er – unterstützt durch unser DLR Technologiemarketing – auf den Markt gebracht hat: den UV-Bodyguard, der die UV-Strahlung misst und über eine App warnt, wenn dem Nutzenden ein Sonnenbrand droht. Damit sind dann noch weitere Rollen für ihn hinzugekommen: Unternehmensgründer von und Entwickler bei ajuma GmbH.
Was der Wissenschaftler, der in unserem Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum arbeitet, dafür mitbringt, um einen UV-Bodyguard zu entwickeln, erzählt er im Interview.
Was weiß man als theoretischer Physiker, um einen UV-Bodyguard zu erfinden?
Ich komme aus der Atmosphärenphysik und bin danach auch im Bereich der Atmosphärenbeobachtung geblieben. Schon während der Promotion habe ich einen großen Teil meiner Zeit in Strahlungstransfersimulationen gesteckt, das heißt in Computermodelle, die beschreiben, wie solare Strahlung sich in der Atmosphäre verteilt. Dabei werden die typischen Einflussfaktoren berücksichtigt – also beispielsweise die Streuung an kleinen Partikeln auf molekularer Ebene und an größeren Tröpfchen, aber auch die Absorption der Strahlung durch Spurengase wie Ozon. So simuliert man dann, was tatsächlich unten auf der Erde ankommt. Und bei der UV-Strahlung ist das Gefährliche für den Menschen, dass wir sie nicht wahrnehmen. Wir merken die Wärme der Sonne, wir sehen das Licht der Sonne, aber wir spüren nicht die UV-Strahlung. Die Wärmestrahlung mag durch eine geschlossene, dünne Wolkendecke nicht mehr durchdringen, aber das Licht enthält dann trotzdem viel mehr UV, als wir denken.
Wie sehen Deine Aufgaben derzeit an unserem Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum aus?
Ich arbeite in der Abteilung Informationstechnik, also an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und IT. Da leite ich unter anderem ein Projekt, in dem Technologien untersucht werden, die die Verarbeitung von satellitenbasierten Langzeitreihen optimieren. Hierfür entwickeln, testen und implementieren wir neue Ansätze. Außerdem bin ich an der Aufbereitung von wissenschaftlichen Datensätzen aus dem Forschungsumfeld beteiligt – mit dem Ziel der Veröffentlichung in unserem „EOC-Geoservice“. Hier geht vor allem darum, Informationen, die die Wissenschaft hervorgebracht hat, für interne und externe Nutzenden visuell und greifbar zur Verfügung zu stellen. Die Produkte verlassen somit den wissenschaftlichen Elfenbeinturm und werden so veröffentlicht, dass sie leichter zu verstehen sind – für andere Wissenschaftler, aber auch für die Öffentlichkeit und Entscheidungsträger.
Der UV-Bodyguard von ajuma ist ja eine sehr praktische Anwendung - fern von jedem Elfenbeinturm. Wie funktioniert das Messsystem?
Der Nutzende trägt den Sensor am Körper – am besten so ausgerichtet oder befestigt, dass er die gleiche Ausrichtung zu Sonne hat wie die am stärksten exponierten Körperteile. Das ist auch davon abhängig, ob jemand aktiv Beachvolleyball spielt, ruhig auf der Sonnenliege liegt oder vielleicht im Winter Ski fährt. Der UV-Bodyguard ist via Bluetooth mit einer App verbunden. Hauttyp und Lichtschutzfaktor der Sonnencreme sind die einzigen Informationen, die die App vom Nutzer benötigt. Um die Sensordaten des UV-Bodyguard in die hautrelevante UV-Intensität zu konvertieren, verwendet die App den Standort des Smartphones, die vom Sensor ermittelten Informationen zum Sonnenstand sowie zur Bewölkung und die Ozonmenge. Die Ozonsituation bekommen wir vom Copernicus Atmosphere Monitoring Service (CAMS), das ist ein Element der Copernicus Services, die von der EU etabliert wurden.
Der UV-Bodyguard schützt aber nicht nur vor zu viel UV, sondern bietet auch die Möglichkeit, Empfehlungen für die Vitamin D-Produktion im Körper zu geben. Dafür benötigt der Körper nämlich eine bestimmte Sonnenmenge. Gerade begleiten wir die Sporthochschule Köln bei einer Studie, bei der die Jugendmannschaften des 1. FC Köln und von Bayer Leverkusen die UV-Bodyguards rund um die Uhr tragen. Damit wird der Zusammenhang des Vitamin D-Spiegels und der Sonnenexposition genauer erforscht.
Und wie kam die Idee zustande, ein Messgerät zu entwicklen, das die UV-Strahlung individuell am Menschen selbst erfasst?
Ich habe am DLR jahrelang in einem Projekt namens UV-Check mitgearbeitet, das im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Dermatologen durchgeführt wurde. Da ging es darum, die gesunde Aufenthaltsdauer in der Sonne in Echtzeit für einen bestimmten Standort zu berechnen und über einen SMS-Service – später einen WAP-Service und zuletzt via App - zur Verfügung zu stellen. Allerdings wurde dabei die Bewölkung nicht berücksichtigt. Da war immer mein Gedanke, dass man das mit einer In-Situ-Komponente anreichern müsste. Der letzte Anstoß war dann die Geburt unserer Tochter, die wir als Outdoor-Fans auf unseren Ausflügen mitnehmen wollten. Aber dabei wollten wir natürlich sie und uns vor Sonnenbrand und im schlimmsten Fall Hautkrebs schützen.
Was waren denn die größten Herausforderungen auf dem Weg, aus wissenschaftlichen Erkenntnissen ein Produkt auf den Markt zu bringen?
Es gibt auf dem Markt zum Beispiel keinen UV-Sensor in einer konsumentenfreundlichen Preisklasse, der das wiederspiegelt, was auf der Hautoberfläche exakt passiert. Unser Sensor ist nur für UV sensitiv, aber er ist spektral zu breitbandig, im Verhältnis zu dem, was für die Haut in Bezug aus Sonnenbrand und Vitamin D relevant ist. Dafür musste ich dann eine Gewichtung ableiten, die das Sensorergebnis für verschiedene Sonnenstände und Ozonsituationen in der Stratosphäre in hautrelevante Informationen übersetzt. Praktische Arbeit gab es aber auch: Um unsere UV-Bodyguards zu testen, habe ich mich mitten in der Corona-Zeit in einem Hotel auf Teneriffa auf dem Balkon eingerichtet – von morgens bis abends hatte ich insgesamt über 100 UV-Bodyguards und ein sehr genaues, kalibriertes UV-Spektrometer dort aufgebaut, um die Messungen und ihre Genauigkeiten zu vergleichen und zu validieren.
Ist Deine Arbeit am UV-Bodyguard damit abgeschlossen oder geht die Entwicklung weiter?
Wir machen uns gerade Gedanken dazu, wie wir das Gesamtsystem anpassen können, damit der Bodyguard auch für den Arbeitsschutz eingesetzt werden kann. Zum Beispiel für Baustellenpersonal, Gärtnerinnen und Gärtner oder auch Mitarbeitende in Dachdeckbetrieben.
Das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des DLR
Unser Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) befindet sich in Oberpfaffenhofen bei München und in Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern. Zusammen mit dem Institut für Methodik der Fernerkundung bildet das DFD das Earth Observation Center EOC – das Kompetenzzentrum für Erdbeobachtung in Deutschland.
Es stellt mit seinen nationalen und internationalen Bodenstationen den unmittelbaren Zugang zu den Daten nationaler und internationaler Erdbeobachtungssatelliten her, prozessiert die Daten zu Informationsprodukten, verteilt diese an die Nutzer und sichert alle Daten langfristig im Deutschen Satellitendatenarchiv. Dabei arbeitet es national und international mit Partnern zusammen.
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