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Ferngesteuert durchs Hafenbecken

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DLR-Forschungsboot "Josephine"​ im Jarßumer Hafen - im Einsatz für das Projekt AMISIA.
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DLR

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"Josephine" fährt langsam durch das Becken im Jarßumer Hafen auf die Kaimauer zu. Auch wenn Arne Lamm und Christian Steger vom DLR-Institut für Systems Engineering für zukünftige Mobilität mit an Bord des Forschungsboots sind - keiner der beiden hat seine Hand am Steuer oder gibt Gas. Gesteuert wird das acht Meter lange Boot von Land aus: In dem als Schiffsbrücke ausgestatteten Container hält Matthias Steidel vom DLR Kontakt mit der Bootscrew, wissenschaftlicher Mitarbeiter Janusz Piotrowski von der Universität Oldenburg bedient die Steuerung des Boots.

"Wir fahren euch steuerbord an den Bojen entlang und dann möglichst nah die Kaimauer entlang", kündigt Steidel über das Funkgerät an. Auf den Bildschirmen sind nicht nur die Echtzeitbilder der Kameras auf dem Boot zu sehen, sondern auch Daten beispielsweise zu Geschwindigkeit, Position und Bewegungen des Schiffruders. Heute beim Test ist jede Unsicherheit, jeder Fehler willkommen, denn das Team klopft mit den Fahrten zum ersten Mal in Realität ab, welche Bedingungen für das Projekt AMISIA gegeben sein müssen.

Den Schlick in der Schwebe halten

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Wirtschaftsinformatiker Matthias Steidel leitet das Projekt AMISIA.

AMISIA steht für "Advanced Port Maintenance: Intelligent, Sustainable, Innovative and Automated Dredging". Die Betreiber des Emder Hafens, die Seaports Niedersachsen GmbH, wollen in Zukunft die Mindesttiefe in den Hafenbecken mit einem automatisierten Baggerschiff gewährleisten. Der abgesetzte Schlick wird in Emden aber nicht wie üblich ausgebaggert - stattdessen wird das Rezirkulationsverfahren angewandt. Dabei wird der Schlick angesaugt und dem Luftsauerstoff ausgesetzt. Die Sedimente bleiben dadurch in der Schwebe, und die Schiffe können diese Schwebeteilchen durchfahren. Um zu verhindern, dass sich die Schlickteilchen wieder auf dem Hafengrund absetzen, ist es notwendig, dass das Baggerschiff kontinuierlichen und systematisch alle Hafenbecken abfährt.

Hier setzt AMISIA an: Mit dem Projekt sollen innovative Technologien für das Verfahren getestet werden, damit die kostenaufwendige Hafenunterhaltung in Zukunft nachhaltiger, produktiver und wirtschaftlicher wird. Möglich sind verschiedene Automatisierungsstufen, bei der sich im Extrem überhaupt keine nautische Crew mehr an Bord befinden muss. Als Projektpartner erforscht das DLR, welche Automatisierungssysteme ausreichend stabil und sicher funktionieren.

Ausgerüstet mit Kameras und Antennen

Auf dem zum Forschungsboot umgerüsteten Sportboot "Josephine" sind daher zusätzliche Sensoren und Kameras angebracht. Später, wenn Arne Lamm und Christian Steger wieder zum Liegeplatz zurückkehren, wird die Hafenpolizei mit ihrem Boot neben "Josephine" auftauchen und nachfragen. Die auffälligen Kameras und Antennen auf dem Schiffsdach fallen auf, im Hafengebiet ist das nicht üblich. Im Container an Land hingegen sind die Kameras auch etwas unangenehm aufgefallen: Die Weitwinkelobjektive erschweren bei der Fernsteuerung, die Entfernungen und Abstände mit den Videobildern einzuschätzen. Und dann friert die Kamera-Übertragung auch noch für einen Moment ein. Die Internetverbindung setzt aus und Kommandos werden nicht mehr ans Boot gesendet. "Ohne Kamerabild fehlt mir die Rückmeldung, was ich eigentlich tue, und ohne Internetverbindung kann ich nicht steuern", sagt Janusz Piotrowski, der jetzt konzentriert durchs Fenster auf das Forschungsboot blickt. Auch die Bewegungen des Bootes, die Reaktionen des 250 PS starken Schiffsmotors, Wind und Wellen sind an der Steuerkonsole an Land nicht zu spüren. Das macht eine präzise Fernsteuerung nicht einfach.

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Janusz Piotrowkis, wissenschaftlicher Mitarbeiter, steuert das Boot von Land aus.

Probeläufe mit gewünschten Problemen

Alle vier im heutigen Testteam sind Wirtschaftsinformatiker. Der Bezug zum Maritimen - ein wenig kommt das schon alleine dadurch, dass man in Norddeutschland lebt und arbeitet. Arne Lamm hat zwar den Sportsbootsführerschein, und der Großvater fuhr zur See, aber für die Risikoabschätzung bei der Automatisierung ist das nur am Rande hilfreich. Schon die ersten Probeläufe haben einige Bedingungen deutlich gemacht, die im AMISIA-Projekt bei der Konzeption eines automatisierten Baggerschiffs einfließen müssen: „Ein möglichst stabiles und flächendeckendes Internet und zusätzliche Kommunikationsmittel für Netzausfälle“, sagt Projektleiter Matthias Steidel. „Und weitere Sensorik, die Abstände erfasst.“ Denn noch fährt das ferngesteuerte Boot in zu großem Abstand zur Kaimauer - so einfach lassen sich Entfernungen über Kamerabilder und Positionsdaten dann doch nicht einschätzen, und ein größerer Sicherheitsabstand als notwendig ist einfach nur menschlich für einen vorsichtigen Kapitän an Land. Dabei fährt "Josephine" gerade einmal mit drei Knoten - also etwa sechs Kilometer in der Stunde - durch das Hafenbecken.

Vom Hafen an den Schreibtisch

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Christian Steger (l.) und Arne Lamm (r.) können auf dem Boot jederzeit die Steuerung übernehmen.

Auf dem Boot selbst ist jetzt Matthias Steidels Stimme zu hören. "Fahrt bitte in die Mitte des Beckens und übergebt uns dann die Steuerung." Arne Lamm nimmt kurz darauf die Hände vom Steuer. Ein roter Knopf rechts an der Seite gibt ihm jederzeit die Möglichkeit, die Fernsteuerung auszuschalten und selbst aktiv zu werden. Im Jarßumer Hafenbecken findet kaum noch Schiffsverkehr statt - zumindest mit anderen Schiffen kann "Josephine" nicht kollidieren. Bis zum Nachmittag fährt das Team seine Runden, steuert vom Land aus auf die Kaimauer zu, wendet an Bojen und sammelt Erfahrungen. Dann übernehmen Arne Lamm und Christian Steger wieder das Kommando über das Forschungsboot und fahren zum Liegeplatz zurück.

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Der Container wurde zur Schiffsbrücke umgebaut.
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Nach den Testtagen geht es für "Josephine" dann wieder zum Heimathafen in Wilhelmshaven zurück. Der Seecontainer mit der simulierten Schiffsbrücke wird wieder zum DLR-Institut in Oldenburg transportiert. Nun heißt es erst einmal wieder Schreibtisch und Simulation statt Hafen und Testfahrt.

Bis Ende September 2024 läuft das Projekt von Niedersachsen Ports, DLR und dem Ingenieursbüro MAREVAL. Am Ende soll ein Konzept entstanden sein, bei dem ein neu entworfenes Baggerschiff mit digitalisierter Navigation und automatisierten Systemen sicher und präzise im Hafen dafür sorgt, dass alle Schiffe ausreichend Wasser unter dem Kiel haben werden. "Dafür werden wir die Grenzen des Systems gründlich austesten", sagt Projektleiter Matthias Steidel.