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Für die Fernerkundung – 40 Jahre DFD

Satellitenkontrollzentrum vor der Gründung des DFD
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© DLR

Dieses Jahr feiert das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) sein 40-jähriges Jubiläum. 1980 gegründet, erlebte das DFD viele Veränderungen. Heute umfasst es die komplette Systemkette der Fernerkundung und vereint die Kompetenz von Ingenieuren, Informatikern und Geowissenschaftlern. Stefan Dech – seit 1998 Direktor des DFD – blickt aus seiner ganz persönlichen Perspektive auf vier Dekaden zurück.

Der erste Kontakt

Sommersemester 1985: Ich sitze bei meinem Professor Detlev Busche in Würzburg im Büro. Bei ihm habe ich „Luftbild- und Satellitenauswertung“ absolviert und meine erste Satellitenaufnahme des US-amerikanischen Landsat ausgewertet. Ich war begeistert und drauf und dran, mich um ein Praktikum bei der europäischen Raumfahrtorganisation ESA zu bewerben. „Nein, ich glaube, da gibt es noch etwas Besseres…“ antwortete Busche. „Die DFVLR in Oberpfaffenhofen bei München macht auch Fernerkundung, aber deutlich angewandter.“ Und so begann am 1. März 1986 mein berufliches Abenteuer im Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum – als junger Praktikant.

Erste Jahre als Doktorand

Dem Praktikum folgten Diplom- und Doktorarbeit. Schon damals erlebte ich die DFVLR als einen geradezu magischen Ort. Hier boten sich mir Möglichkeiten, die wo anders kaum zu finden waren. Es gab nahezu keine Fachfrage, die nicht wenigstens ein Kollege beantworten konnte. Ich brannte für die Fernerkundung. Besonders in den Nächten – zum Leidwesen des Sicherheitspersonals – hatten wir Doktoranden freie Bahn und konnten die ungeheuren Ressourcen nutzen. Ich arbeitete an einem Perkin-Elmer Rechnersystem mit wechselbaren magnetischen Laufwerken und überwiegend im Haus entwickelter Software. Eine ASCII-Konsole diente für die Kommandoeingabe, ein kleiner Kontrollmonitor zeigte die Jobs, und auf einem TV-Monitor war ein Live-Bild des Rechnerraums zu sehen. Das war praktisch, denn an den drehenden Bandlaufwerken erkannte man, ob die Kommandos ausgeführt wurden. Und natürlich arbeiteten wir mit Rollkugel statt Maus.

Von der harten Welt, eine Abteilung oder ein Institut zu leiten, hatte ich freilich keine Ahnung. Und der Vorstand des DLR war weit weg – fast wie Neil Armstrong auf dem Mond. Aber das sollte sich ändern…

Noch vor Abschluss meiner Promotion bat mich zu meiner Verblüffung unser Direktor, Prof. Winfried Markwitz, zu einem persönlichen Gespräch. Recht nervös saß ich schließlich in seinem Büro. Ob ich mir vorstellen könnte, zu bleiben. Welche Frage… Ein Sechser im Lotto. Mit Zusatzzahl!

So führte mich meine Reise zur Abteilung Satellitendatenakquision. Ich bekam freie Hand bei der Umsetzung erster Ideen. Mein Ziel war, mit langen Zeitreihen Entwicklungen, deren Ursachen und Auswirkungen zu erforschen und durch Computeranimationen zu visualisieren. Damals eher ungewöhnlich. Mit dieser Idee konnte ich 1991 meine eigene Arbeitsgruppe aufbauen. Mit selbst empfangenen NOAA- und Terra/Aqua Daten erzeugten wir Zeitreihen der Meeres- und Landoberflächentemperaturen, Vegetationsindizes und Ozon-Konzentration und generierten daraus Animationen. Meine wohl unbeschwerteste Zeit im DLR mit Freiräumen für spannende, selbst entwickelte Projekte.

GARS O'Higgins in den Neunzigern
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DLR (CC-BY 3.0)

Ein bewegtes Jahrzehnt

In dieser Zeit, zu Beginn der Neunziger, erlebte das DFD fundamentale Weichenstellungen, wie den vom DFD initiierten Zusammenschluss mit der Fernerkundungsstation Neustrelitz 1992. Dort gab es ähnliche Kompetenzen, und so errichteten wir in Neustrelitz bald die erste X-Band-Empfangsstation für die Mission PRIRODA/MOMS-2P auf der russischen Raumstation MIR. Fünf weitere Antennen folgten. Das DFD in Neustrelitz zählt heute zu den ersten Adressen im weltweiten Bodenstationsnetzwerk und empfängt im Auftrag der ESA auch Daten des Copernicus-Programms.

Die Akquisitions-Services für die ESA begannen 1991 in der Antarktis für ERS-1. Später kamen ERS-2 und Envisat dazu, seit 2014 die Sentinels. Diese europäische Integration ist eine der Säulen des DFD. Ohne die Weitsicht in den 80er Jahren, das DFD im ESA-Kontext zu verankern – damals gab es nur wenige signifikante DLR-Missionen – wären viele unserer Entwicklungen nicht möglich gewesen.

Eigens für die erste ESA-Mission bauten wir die Bodenstation GARS O’Higgins in der Antarktis auf. Seit 1991 leistet sie uns – heute 365 Tage im Jahr für TerraSAR-X und TanDEM-X – wertvolle Dienste. Nach mehreren temporären Antennen auf der ganzen Welt, ergänzt seit über zehn Jahren eine zweite feste polare Bodenstation im kanadischen Inuvik das Empfangsnetzwerk.

Antarktisstation GARS O'Higgins neben den roten Gebäuden der chilenischen Nachbarstation
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DLR (CC-BY 3.0)

Vieles hätte sich ohne die Erfolgsgeschichte „Radar“ anders entwickelt. Vor allem ERS-1 und die späteren Radar-Missionen auf den Space-Shuttles beflügelten den neuen Schwerpunkt SAR-Datenverarbeitung. 1989 stieß ein dynamischer, frisch habilitierter Ingenieur dazu: Dr. Richard Bamler. Er sollte einen völlig neuen X-Band-Prozessor entwickeln. Unter seiner Leitung erlebte die SAR-Prozessorentwicklung einen fulminanten Schub und das Haus baute eine bis heute international führende Expertise im Bereich der Prozessorentwicklung auf. Ein unüberhörbares Raunen ging durch die internationale Szene – bis hin zum JPL  in Pasadena, als wir schließlich 2000 mit unserem interferometrischen SAR-Prozessor die komplexen SRTM -Daten zu Höhenmodellen prozessieren.

Die Neunziger waren eine sehr fruchtbare – und dennoch schwierige Zeit. Aufgrund stark sinkender Grundfinanzierung standen wir vor großen Herausforderungen. Zudem musste auch noch der Direktor aus gesundheitlichen Gründen seinen Dienst beenden. Ich war gerade zum Leiter der Abteilung Fernerkundungsanwendung ernannt worden, als wir ab 1996 ohne Direktor dastanden.

Jörg Gredel überreicht 1991 Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber das erste ERS-1-Bild
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© DLR

Mehr Verantwortung

Der Vorstand setzte auf die Jungspunde Richard Bamler und Stefan Dech. Im Frühjahr 1998 wurden wir gebeten, ein Zukunftskonzept für das DFD zu entwickeln. Noch am Tag unserer Präsentation wurden wir zu kollegialen Leitern des DFD berufen. Kaum in der neuen Position, drohte Ungemach durch eine Strukturkommission. Wir mussten das eigene, frisch aufgestellte Institut noch einmal völlig neu denken, wollten wir die Hoheit über die notwendige Umgestaltung behalten.

Mit einem radikalen Vorschlag griffen wir in fünf bestehende Institute an drei Standorten ein und schlugen ein neues Institut vor. Eines sollte geschlossen werden. Das neue Institut für Methodik der Fernerkundung (IMF) sollte zusammen mit dem DFD standortübergreifend wie ein Großinstitut geleitet werden, mit (einmalig im DLR ) gemeinsamen Abteilungen für Strategie, Ressourcen und Öffentlichkeitsarbeit. Ein gewagter Vorschlag, und mancher "DLR-Altvordere" winkte nur ab. Vorstand und Strukturkommission stimmten dennoch im Herbst 1999 zu. Am 1. Januar 2000 nahm das "Cluster Angewandte Fernerkundung" (C-AF) seinen Betrieb auf. Richard Bamler wurde zum Leiter des IMF und ich stand einem neu formierten DFD vor.

Vom Cluster AF zum Earth Observation Center (EOC)

Ein Meilenstein für die funktionale Wirkungskraft und den inneren Zusammenhalt des Clusters war der Bezug eines gemeinsamen Gebäudes. Zur Gebäudeeinweihung am 10. Juli 2010 in Oberpfaffenhofen kam das Who-is-who der Prominenz, unter ihnen ESA-Generaldirektor Jean-Jaques Dordain und Bundeswirtschaftsminister Brüderle. Der ehemalige Vorstandsvorsitzenden Prof. Kröll merkte launig an, das Cluster AF sei heute das Erdbeobachtungszentrum in Deutschland und längst auf dem Weg "the Earth Observation Center" auch international zu werden. Ein Steilpass: Noch im selben Jahr wurde das Cluster AF formell das Earth Observation Center (EOC).

Sea Surface Temperature: frühes Animationsprodukt
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DLR (CC-BY 3.0)

Die vierte Dekade bis zum Jahr 2020

In den vergangenen 10 Jahren haben wir unser wissenschaftliches Profil weiter geschärft. Heute ist gut die Hälfte der 230 Mitarbeiter des DFD fernerkundlich oder geowissenschaftlich tätig. Mehr als die Hälfte unserer Mittel stammen aus erfolgreich eingeworbenen Projekten. Blicke ich zurück auf 1985 und die zirka 15 Mitarbeiter der Abteilung Fernerkundungsanwendung, so weiß ich, dass nur an einem Ort wie dem DLR so eine Entwicklung möglich war. Mit guten Argumenten, Hartnäckigkeit und Engagement kann man auch heute noch fast alles möglich machen.

Und wir bleiben nicht stehen! Seit etwa fünf Jahren widmen wir uns der High Performance Data Analytics (HPDA). Daten, Rechenpower und Schnittstellen für eigene Algorithmen, in der Cloud gebündelt, ermöglicht es selbst Einzelpersonen, globale Erdbeobachtungsprodukte in hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung zu berechnen. Mit dem Projekt „terrabyte“, einer Allianz der Erdbeobachtung in Oberpfaffenhofen mit dem Leibniz-Rechenzentrum in Garching erschließen wir nun diese gewaltigen neuen Möglichkeiten auch für die Erdbeobachtung im DLR, ohne uns von internationalen Konzernen abhängig zu machen.

Die unglaubliche Datenmengen und neuen Fähigkeiten von heute vor Augen, wird mir bewusst, welchen Weg wir gegangen sind. Was wir mit Begeisterung und Beharrlichkeit erreicht haben. Wir, das sind Mitarbeiter des DFD aus vier Dekaden. Ganz besonders kluge, phantasievolle, engagierte und begeisterungsfähige Menschen. Ein Team, für das einzutreten und zu kämpfen eine Selbstverständlichkeit ist. Willi Wildegger, langjähriger IT-Manager im EOC und absolutes DFD-Urgestein, viele Jahre als gute Seele des Hauses bekannt, gab nach 39 Jahren im Februar 2020 seinen Ausstand. Dabei sagte er: „Ich hatte immer das Gefühl, an etwas Sinnvollem mitzuwirken.“

Ein Video zum 40-jährigen Bestehen DFD finden Sie hier.