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Auf dem Weg zum ultimativen Vollmondbild

Panoramabild des Vollmondes, aufgenommen in der Nacht vor der Mondfinsternis am 21. Januar 2019. Um sich die hochaufgelöste Version dieses Bildes anzusehen, klicken Sie bitte auf die Lupe und speichern das Bild auf Ihrem Computer ab.
Credit:
Rolf Hempel (CC-BY 3.0)

Seit vielen Jahren träume ich davon, den Vollmond möglichst detailreich zu fotografieren. Auf dieses Ziel hin habe ich meine Fototechnik im Laufe der Zeit immer weiter verfeinert. In der Nacht vor der Mondfinsternis am 21. Januar war es endlich soweit: Über viereinhalb Stunden lang habe ich mit zwei Teleskopen und zwei Kameras viele Tausend Einzelaufnahmen belichtet. Die riesige Datenfülle hat mein Computer jetzt zu meinem "ultimativen Vollmondbild" verarbeitet.

Die meisten Sternfreunde mögen den Vollmond nicht. Er stört mit seiner Lichtfülle die Beobachtung von Galaxien und Gasnebeln, und mit der Sonne im Rücken vermissen selbst Mondbeobachter die bizarren Schatten an der Tag-Nacht-Grenze. Aber gerade der Vollmond hat einiges zu bieten. Mit der Beleuchtung von oben werden subtile Helligkeits- und Farbvariationen, sogenannte Albedostrukturen, besonders deutlich sichtbar. Gerade farbverstärkte Aufnahmen des Vollmondes sind daher besonders reizvoll.
Eine tiefe Zoomfahrt in das Vollmondpanorama (Bild oben) zeigt eine Fülle interessanter Details. Dazu ein Beispiel:

Der Kopernikus-Krater in der Vollmondansicht.
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Rolf Hempel (CC-BY 3.0)
Aufnahme des Kopernikus-Kraters auf dem Mond kurz vor Sonnenuntergang.
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Rolf Hempel (CC-BY 3.0)

In diesem Gebiet südöstlich des prominenten Kopernikus-Kraters fallen in der Vollmondansicht viele kleine dunkle Pünktchen auf. Zuerst denkt man an Bildfehler, verursacht etwa durch Staub auf dem Sensor. Tatsächlich sind die Fleckchen aber real. Gesteinsbrocken haben hier beim Einschlag auf der Mondoberfläche die hellere Deckschicht durchdrungen und dunkleres Material aus der Tiefe nach oben befördert. In der unteren Aufnahme derselben Region kurz vor Sonnenuntergang fallen diese Stellen kaum auf.

Ein weiteres Beispiel zeigt den mysteriösen Krater Alphonsus etwas südlich der Mondmitte. Schon vor der Raumfahrtära vermuteten Forscher hier Spuren von Vulkanismus. Einige irdische Beobachter berichteten sogar von gelegentlichen Leuchterscheinungen. Die NASA wählte daher diesen Krater im März 1965 als Ziel für ihre letzte Ranger-Mondsonde. Bis zum harten Aufschlag auf der Mondoberfläche schickte Ranger 9 Fernsehbilder zur Erde, die live im US-Fernsehen übertragen wurden.

Ansicht des Kraters Alphonsus bei Vollmond.
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Rolf Hempel (CC-BY 3.0)

Im Vollmondbild oben ist von der Kraterform kaum etwas zu erkennen. Stattdessen fallen neben dem hellen Zentralberg eine Reihe dunkler Flecken auf dem Kraterboden auf, die in der Ansicht kurz vor Sonnenuntergang (unten) weniger prominent erscheinen. Heute weiß man, dass es sich hierbei tatsächlich um Ascheablagerungen vulkanischen Ursprungs handelt.

Ansicht des Kraters Alphonsus auf dem Mond kurz vor Sonnenuntergang.
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Rolf Hempel (CC-BY 3.0)

Haben Sie die beiden Detailansichten im Panoramabild wiedergefunden? Dem aufmerksamen Auge fallen bei der Wanderung durch das Panorama noch eine Vielzahl weiterer interessanter Stellen auf, die nur bei Vollmondbeleuchtung voll zur Geltung kommen.

Nur mit einer wahren "Materialschlacht" kann man den Mond in dieser Schärfe fotografieren. Das größte Hindernis ist die turbulente Erdatmosphäre, die bei hoher Vergrößerung feine Strukturen zu einem wabernden Brei verschwimmen lässt. Am geringsten ist ihre Wirkung bei langwelligem Licht. Daher fotografieren Amateurastronomen den Mond meistens in Schwarzweiß durch ein Nahinfrarotfilter. Am besten geeignet sind hierfür größere Spiegelteleskope und spezielle USB-Kameras, deren Daten direkt in den Computer gehen. Tatsächlich habe auch ich den Mond mit dieser Technik aufgenommen, wie hier zu sehen ist.

"Set-up" für die Mondaufnahmen.
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Rolf Hempel (CC-BY 3.0)

Die kleine rote Kamera hinten am Teleskop ist mit dem Computer links verbunden. Dieser steuert Teleskop und Kamera vollautomatisch mit meiner Open-Source-Software MoonPanoramaMaker und nimmt die Daten auf. Für das superscharfe Schwarzweißpanorama kamen so in über zwei Stunden 600 Gigabytes zusammen.

Ein apochromatischer Refraktor diente als Objektiv für die Vollformatspiegelreflexkamera.
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Rolf Hempel (CC-BY 3.0)

Aber wie kommt die Farbe ins Bild? Tatsächlich musste ich dafür die Geräte wechseln. Ein apochromatischer Refraktor mit 130 Millimeter Öffnung und 3600 Millimeter Brennweite diente als Objektiv für eine Vollformatspiegelreflexkamera vom Typ Canon 5D MKII. In weniger als einer Viertelstunde belichtete ich damit 542 Aufnahmen der vier Mondquadranten. Der Computer hat diese später zu einem rauscharmen Farbbild zusammengesetzt. Wegen der stärkeren Luftunruhe bei kürzeren Wellenlängen und der kleineren Fernrohröffnung zeigt dieses Farbbild deutlich weniger Details als das im nahinfraroten Licht gewonnene Schwarzweißbild.

Und jetzt kommt der kritischste Schritt: Die Zusammensetzung der beiden Panoramen zu einem superscharfen Farbbild. Eigentlich geht das ganz einfach in einem Bildverarbeitungsprogramm mit der LRGB-Technik. Hierbei liefert das Schwarzweißbild den sogenannten Luminanzkanal, also die Helligkeits- beziehungsweise Schärfeinformation, und das Farbbild nur die Farbe. Allerdings muss man vorher beide Bilder pixelgenau übereinander bringen. Auch mit ausgefeilter Ebenentechnik in einem Bildverarbeitungsprogramm geht das nicht manuell. Selbst wenn man die beiden Bilder in Größe und Drehwinkel zur Deckung bringt, sorgen Verzerrungen bei der Panoramabildung in der Fläche für deutliche Abweichungen. Die Folge wären sehr unschöne Farbsäume.

Tatsächlich musste ich für diese Aufgabe eine neue Software entwickeln, die ich unter dem etwas sperrigen Namen PlanetarySystemLRGBAligner in Open-Source-Form öffentlich zur Verfügung gestellt habe. Das Programm verformt das Farbbild auf der ganzen Fläche so lange, bis es überall genau über dem Schwarzweißbild liegt. Danach können beide Panoramen mit ein paar Mausklicks in Photoshop zum ersehnten LRGB-Komposit vereinigt werden.

Ach ja: Nach der viereinhalbstündigen Aufnahme-Session bei minus sechs Grad kam ich erst um 0:30 Uhr ins Haus zurück. Danach war ich einfach zu erschöpft, um vier Stunden später meine Geräte schon wieder zur Beobachtung der Mondfinsternis aufzubauen. Die habe ich mir dann nur aus der warmen Stube mit dem Fernglas angeschaut.