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AGBRESA: Erfahrungsberichte terrestrischer Astronauten aus der Zentrifuge

Die Kurzarm-Human-Zentrifuge ist ein Hauptbestandteil der AGBRESA-Bettruhestudie
Credit:
DLR.

In der AGBRESA-Studie wird erstmals in einer Langzeit-Bettruhe die DLR-Kurzarm-Human-Zentrifuge als Gegenmaßnahme gegen die negativen Effekte der Schwerelosigkeit, die durch die Bettruhe provoziert werden, getestet. Dabei fahren acht der insgesamt zwölf terrestrischen Astronautinnen und Astronauten, unsere AGBRESA-Probanden, täglich 30 Minuten im Kreis, und zwar im Liegen mit dem Kopf nach innen, bei 2g außen an den Füßen und 1g am Körpermittelpunkt. Dadurch erfahren sie künstliche Schwerkraft, Artificial Gravity, die in der Zukunft eine mögliche neue Trainingsmethode für Langzeitmissionen im All sein könnte. Am Ende ihrer 60-tägigen Bettruhe werden die Probandinnen und Probanden in insgesamt 1800 Minuten 54000 Runden auf der Zentrifuge gedreht haben.

Hier berichten nun einige der Zentrifugen-Probanden, wie sie die täglichen Fahrten erleben und was das Besondere an ihrem "Sportprogramm" ist.

"Das Gefühl, auf der Stelle zu stehen"

Proband A: "Ich fand die Fahrten anfangs noch recht aufregend, mittlerweile sind sie für mich zum normalen Tagesgeschäft geworden. Die Fahrt sieht von außen viel spannender aus als sie wirklich ist!", sagt er lachend. "Ich habe mal ein Video von mir selbst gesehen und muss sagen, dass ich das gar nicht als so schnell empfinde, es ist vielmehr richtig entspannend." Lediglich die Starts und Stopps seien noch etwas actionreicher, dann spürt er den Druck, der sich in den Beinen aufbaut und beim Abbremsen wieder abnimmt. "Wenn ich die Augen schließe, merke ich gar nicht wirklich, dass ich mich drehe, die Bewegung ist kaum spürbar und man hat fast das Gefühl, auf der Stelle zu stehen. Die täglichen Fahrten sind für mich so etwas wie ‚Beine vertreten‘ geworden, sozusagen ein Ersatz zum Laufen, auf das ich ja während meiner Bettruhe 60 Tage lang verzichten muss." Als Unterhaltungsprogramm zwischen den wissenschaftlichen Experimenten und dem Austausch mit dem Zentrifugen-Team hört er während seiner Fahrt Musik aus seiner Playlist, meist R&B: "Eher ruhigere Sachen, kein Heavy Metal!"

30 Minuten im Kreis: Einer unserer Probanden fährt auf der Zentrifuge
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DLR.

"Eine willkommene Abwechslung zum Alltag"

Ähnlich wie Proband A empfindet Proband B die Zentrifugenfahrten als willkommene Abwechslung zu seinem Bettruhe-Alltag. "Ich höre dabei meist Pink Floyd, das passt irgendwie richtig gut dazu, finde ich. Manchmal lasse ich mir auch einen Französisch-Lern-Kurs oder Hörbücher vorspielen, zum Beispiel eine Kurzversion von '20000 Meilen unter dem Meer' - das ist ja auch eine Art von Mission. Und ich habe schon überlegt, wie sich so eine Zentrifuge als Hometrainer wohl machen würde, dafür müsste ich aber zuhause erst einmal anbauen."
Bei der allerersten Zentfugenfahrt, die die Probanden vor der eigentlichen Studie absolviert haben, habe er noch das Gefühl gehabt, aufgerichtet zu werden, das hätte sich aber mittlerweile gelegt: "Man liegt einfach so rum, nur wenn ich den Kopf zur Seite drehe, nehme ich die Bewegung der Zentrifuge richtig wahr."

"Meinen Teil zum Experiment beitragen"

Proband K: "Ich finde es gut, dass ich zur Zentrifugengruppe gehöre, weil ich dadurch auch ganz für mich sein kann und nicht Gefahr laufe einzuschlafen. Ich kann dabei meinen Gedanken nachhängen und genieße jede Fahrt von Anfang bis Ende. Außerdem können wir uns auf der Zentrifuge durch die geforderten Muskelkontraktionen in den Beinen etwas bewegen, es ist fast wie Sport machen und eine gute Unterbrechung des Liegens im Bett." Auch er hört viel Musik, wenn nicht gerade Experimente auf dem Programm stehen. Immer wieder müssen die Probanden bei ihren Fahrten zum Beispiel Rechenaufgaben lösen oder sich selbst die Halsvene schallen: "Das macht richtig Spaß, wenn man erfolgreich die Vene gefunden hat und so auch seinen Teil zum Experiment beitragen kann."
Beim Anfahren schließt er meistens die Augen: "Ich spüre dann, wie die Füße schwer werden und der Körper wieder auf den Füßen steht. Dann öffne ich die Augen und konzentriere mich meist auf die Teile der Zentrifuge, die sich mitdrehen. Vor meiner ersten Testfahrt war ich noch sehr aufgeregt, da hatte ich einen sehr hohen Blutdruck und war unter Stress, aber das hat sich während der ersten Fahrt direkt gegeben, es ist wie eine Spazierfahrt."
Für ihn ist die bisherige Zeit in der Studie sehr schnell vergangen: "Die ersten Tage waren noch sehr aufregend und neu, seitdem ist es aber alles wie im Flug vergangen und wir bereiten uns fast schon wieder mental auf das Aufstehen vor!"

Eine unserer Probandinnen total entspannt auf der Zentrifuge
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DLR.

"Wie auf einem Kinder-Karussell"

Probandin H: "Ich finde, die Geschwindigkeit der Zentrifuge ist nicht wirklich zu bemerken, man fühlt sich leicht wie auf einem Kinder-Karussell auf der Kirmes, aber nicht wie auf einer Achterbahn. Man spürt die Kraft in den Waden und den Füßen, es entsteht eine Art Spannung, die aber dann durch die Muskelpumpe weniger wird. Ich kann mich dabei auch umschauen und die Arme bewegen, ohne dass mir schwindelig wird, das habe ich mich anfangs nicht getraut, klappt jetzt aber sehr gut. Ich höre dabei oft Charts, bunt gemischt, und freue mich wenn Experimente anstehen: Es ist schon etwas herausfordernd, vor allem die Mathe-Aufgaben, bei denen man um die Ecke denken muss, aber es macht Spaß. Auch die Ultraschallmessungen, bei denen man den richtigen Winkel und die Vene treffen muss, sind etwas, was ich sonst nie im Leben machen würde. Ich bin richtig stolz, wenn ich das auf Anhieb schaffe und empfinde es als Ehre, hier dabei sein zu dürfen."

"Wie ein Astronaut in der Rakete"

Proband M hatte zu Anfang der Studie befürchtet, dass ihn die Zentrifugenfahrten mit der Zeit langweilen würden: "Das ist aber gar nicht der Fall, ganz im Gegenteil, sie bringen für mich Abwechslung und Struktur in den Tagesablauf." Sein musikalischer Begleiter ist Led Zeppelin und mittlerweile ist die Zentrifugenfahrt wie ein Spaziergang für ihn. "Ich bin immer wieder begeistert, wenn ich in den Zentrifugenraum geschoben werde: All die moderne Technik, die Kabel und Lampen - es kommt mir vor wie eine startbereite Rakete! Ich muss jedes Mal an Apollo denken und fühle mich wie ein Astronaut, der in seiner Kapsel sitzt und von der Crew mit den letzten Handgriffen für den Start vorbereitet wird." Die 30 Minuten vergehen auch für ihn wie im Flug - und er ist stolz, Teil dieses Teams zu sein: "Alle hier sind sehr professionell, hilfsbereit, sympathisch und sehr begeistert von ihrer Sache, das macht es umso faszinierender für mich."