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AGBRESA: Ein Proband berichtet: Mit Willenskraft und guter Einteilung ans Ziel

Das :envihab auf dem DLR-Gelände in Köln
Credit:
DLR (CC-BY 3.0)

Bettruhetag siebenundvierzig. Noch 13 Tage - und der Rest von heute. Gestern Abend habe ich mit meiner Frau telefoniert, sie kann sich immer noch nicht vorstellen, sechzig Tage freiwillig liegend im Bett zu verbringen, und das auch noch ohne Kissen. "Hast du denn nie den Drang aufzustehen?" will sie wissen. Etwas Ähnliches fragte mich einer der Probandenbetreuer neulich auch. Also wäre es vielleicht einmal Zeit für ein kleines Resümee, mit nicht einmal zwei Wochen bis zum Ende der Liegephase darf man das. Und das Fazit lautet in meinem Fall: Es kam genau so, wie ich mir es vorgestellt hatte.

Akzeptanz und Meilensteine

Als ich mich auf die AGBRESA-Studie einließ - und das ist meiner Meinung nach sehr wichtig, sich einlassen können - drehten sich meine Gedanken um die Zeitspanne, die man ohne aufzustehen im Bett verbringen würde, und damit das auch richtig Spaß macht mit 6° Kopftieflage. Die bedingungslose Akzeptanz, dass dieses Setting keine Schikane, sondern aus wissenschaftlicher Sicht absolut notwendig ist, war für mich kein Problem. Aber die sechzig Tage? Aufgrund der Informationen, die wir erhielten, stellte ich sie mir als nur noch einen Tag vor, der sich sechzig Mal wiederholen würde. Murmeltier-Tag sozusagen. "Ein Tag" klingt schon viel harmloser, nur die ständige Wiederholung muss man noch in den Griff kriegen. Also überlegte ich mir ein paar Meilensteine, die ich bei Erreichen feiern würde: Nach sechs Tagen die ersten 10%, nach sieben Tagen die erste Woche, nach zehn Tagen erstmals zweistellig und nach dreißig Tagen Bergfest. Es gibt also immerfort etwas zu feiern.

Strategien aus dem Ausdauersport

Außerdem sind es ja auch nicht wirklich sechzig Tage. Ich mache viel Ausdauersport, Radfahren um genau zu sein, und daher weiß ich, dass sich bei kluger Einteilung die letzten Kilometer von alleine fahren. Bei einer 150 km-Etappe braucht man also nur Willenskraft für 130 km, den Rest besorgt der Stallgeruch. Für die AGBRESA-Studie bedeutet das, aus sechzig Tagen werden nur fünfzig, und die kann man schon vom 40. Tag aus sehen, also findet das Bergfest schon am 20. Tag statt. Wieder etwas zu feiern. Während der Liegephase kamen dann noch weitere Anlässe hinzu: Der erste Monatswechsel, und dann noch einer, man kommt aus dem Feiern gar nicht mehr heraus. Außerdem stellte ich fest, dass man gar nicht erst bis zum eigentlichen "Feier"-Tag warten muss, die Party geht schon zwei Tage vorher los: "morgen kann ich sagen, morgen ist es soweit". Und so rattert man dann routiniert die ständige Wiederholung des Murmeltier-Tags ab und lässt sich in seiner Zeitempfindung langsam einlullen.

Um exakt 6 Grad geneigt: Das Bett der Probandinnen und Probanden bei der AGBRESA Bettruhestudie
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DLR (CC-BY 3.0)

Struktur durch studienbedingte Abläufe

Strukturiert wird dieser Ablauf von festen Größen, den morgendlichen Messungen der Vitalfunktionen, dem Frühstück mit dem anschließenden Stretching, den Zentrifugenfahrten und so weiter. Zwischendurch finden dann immer wieder Experimente statt, so dass einem die Erinnerung daran leicht fällt, worum es hier geht, nämlich um Wissenschaft. Durchweg alle Experimentatoren sind mit Begeisterung bei der Sache und geben uns Probanden das Gefühl, ein Teil des Teams zu sein, das an einer Mission arbeitet, so dass in mir schnell der natürliche Ehrgeiz geweckt wurde, meine Sache so gut wie möglich zu machen. Und das bedeutet erst einmal liegen. Das wird zu einer selbstverständlichen Daseinsweise, und der Gedanke an heimliches Aufstehen, beispielsweise in der nicht überwachten Dusche, ist völlig absurd.

Motivation durch Teamerfahrung

Wesentlich bei der Aufrechterhaltung der Motivation ist - von den Probanden selbst einmal abgesehen - das Team, angefangen bei den Probandenbetreuern bis hin zu den Ärzten, die sich um uns kümmern. Die anhaltend positive Ausstrahlung und uns zugewandte Aufmerksamkeit ist schon bewundernswert, und somit ist völlig klar, die letzten dreizehn Tage ziehen wir auch noch durch. Es ist eine schöne persönliche Erfahrung, dass man mit einer Situation gut zurecht kommt, die vorher in der Vorstellung mit vielen Fragezeichen behaftet war. Eine Frage, die ich öfter höre, lautet: "Würdest du das noch einmal machen?". Ich würde sie gerne folgendermaßen beantworten: stünde ich noch einmal vor der Entscheidung, an dieser Studie teilzunehmen, würde ich ohne zu zögern sagen: "Ja, auf jeden Fall!"