Antarktisexpedition GANOVEX 13: Forschung in unbekanntem Gebiet und Besuch einer koreanisch-chinesische Delegation - Teil 5
11. November 2018: Nach und nach trafen alle Kollegen an diesem frühen Morgen im Frühstücksraum ein. Gespannt wartete man auf die nächste Wettervorhersage, die jeden Morgen von der Mario Zucchelli-Station um 07:15 Uhr an alle umliegenden Stationen, Camps und Piloten durchgegeben wird. Nach der Durchsage trat Ernüchterung ein. Es war klar, dass auch heute wieder kein Tag im Feld möglich war. Zumindest in unserem Einsatzgebiet lag es dieses Mal nicht am Wind, sondern an tiefhängenden Nebelwolken, aus denen ab und an auch vereinzelte Schneeflocken ihren Weg auf den Boden fanden. Diese Wetterlage versperrte damit unseren Weg in die geplanten Einsatzgebiete, da sie eine sehr schlechte Sicht bewirkte. Das war gerade bei den nötigen Helikopterflügen äußerst gefährlich, da das typische Phänomen namens "Whiteout" auftreten konnte, bei dem die hellen Schnee- und Eisflächen der Küstenklippen sowohl mit dem weißen See-Eis als auch den weißen Wolken verschwimmen und dann wie eine einzige homogene weiße Wand erscheinen. Keine Konturen sind in einem solchen Fall mehr erkennbar und ein Flug käme einem extremen Russischen Roulette gleich. Gerade unsere noch fehlenden Einsatzgebiete namens Tarn Flat und Inexpressible Island befanden sich aber in einem solchen Küstenbereich und der Flug wäre zum Spießroutenlauf geworden.
Somit blieb uns nichts anderes, als uns wieder in Geduld zu üben und das Beste aus der Zeit an der Station zu machen. Da es aber immer wieder etwas zu tun gibt, kann man sich hier nicht langweilen. Waschen, Kochen, Abwaschen, Böden wischen, Schnee in den Schmelzer zur Wassergewinnung schaufeln, Arbeitsprotokolle, Kartenstudium, Literaturarbeit, Blog schreiben und andere Kleinigkeiten beschäftigten uns den gesamten Tag.
Zudem hatten wir heute sogar Besuch von zwei koreanischen Wissenschaftlern der benachbarten südkoreanischen Jang Bogo-Station. Chris empfing sie gegen 10:00 Uhr morgens zu Kaffee und von Raquelle gebackenen vorzüglichen Blaubeer-Muffins und führte sie durch die Station. Dabei stellte er uns die beiden sympathisch und fokussiert wirkenden Kollegen vor. Beide Wissenschaftler waren Sedimentologen vom Koreanischen Polarforschungsinstitut (KOPRI). Während der eine sich als Herr Dr. Moon Young CHOE durch Überreichen seiner Visitenkarte vorstellte und sich als klastischer Sedimentologe und gar Hauptwissenschaftler präsentierte (Principal Research Scientist), stellte sich sein Kollege mit Namen Jusu Woo ebenfalls als Sedimentologe mit einer Spezialisierung auf Karbonate vor.
Es kam zu einem freundlichen Austausch über die verschiedenen Arbeitsprogramme an beiden Stationen und dabei bemerkten wir, dass Jusu Woo bereits von der letzten GANOVEX-Expedition unser damaliges Camp in Helliwell Hills kannte und auch mit seinen Kollegen vor unserer Ankunft damals genutzt hatte. Ich merkte an, dass wir somit also ihnen vor drei Jahren die leckeren im Camp zurückgelassenen Naschereien zu verdanken hatten. Freudig nickten beide. Immer mehr lockerte sich die Atmosphäre und so erfuhren wir, dass neben geologischen Arbeiten auch biologische Forschungsprogramme, insbesondere über die Meeres-Ökosysteme der Küstenregion in der Terra Nova Bay, durchgeführt werden. Daher war auch erklärbar, warum ein mobiler Container von KOPRI gerade auf dem See-Eis direkt vor unserer Station bei den Robben stand. Zudem arbeiten aktuell neben einem Astrophysiker, der die Station offensichtlich jetzt leitet, auch weitere Mikrobiologen dort, deren Arbeit mich sicherlich interessieren würde. Nach dem netten Gespräch verabschiedeten sich alle höflich und wir vereinbarten, uns möglichst in den nächsten Tagen noch einmal auf Jang Bogo zu sehen. Das wäre auch für uns die Gelegenheit, die von außen futuristisch wirkende Station einmal von innen kennenzulernen.
Hiernach ging der Tag seinen gewohnten Gang. Arbeiten an der Station wurden erledigt und weiteres Studium der zugänglichen Literatur erfolgte. Am Abend gab es dann für uns ein sonntägliches Highlight: Sauna-Gänge mit reichlich Aufgüssen in der neuen Sauna der Station mit wunderschöner Sicht auf die Bucht standen an, die fast ohne Ausnahme von allen genutzt wurde. Der Abkühlprozess in freier, eisiger Natur konnte nur abhärten und uns für weitere Feldarbeit stärken, sofern das Wetter es noch einmal vor unserer Abreise zulassen sollte.
12. November 2018
Leider wiederholte sich heute dieselbe Prozedur wie in den vergangenen Tagen. Kaum hatten wir um 07:15 Uhr gefrühstückt und dem Wetterbericht gelauscht, war wieder klar, dass die tiefhängenden Wolken uns einen Strich durch die Rechnung machen würden und Tarn Flat sowie Inexpressible Island heute nicht angesteuert werden könnten. Hamish streute trotzdem Zuversicht und bat um etwas Geduld. Wir würden vielleicht in zwei Stunden schauen, ob das Wetter sich bessern würde. Aber anstatt, dass es besser wurde, setzte auch noch leichter Schneefall ein.
Wir verbrachten also wieder den Tag wie die vergangenen zwei Tage mit kleineren Arbeiten rund um die Station. Nach dem Mittagessen klarte es auf einmal auf. Da diese Wetterlage immer stabiler wurde, kam unser Pilot Hamish und deutete an, dass wir wohl nun doch einen Testflug starten würden, und dass dieser Flug in das fehlende Einsatzgebiet rund um Tarn Flat gehen sollte. Das war eine schöne Nachricht. Zwar war es bereits fast 15 Uhr am Nachmittag, aber da die Sonne schien, wollten wir jede Gelegenheit nutzen, um unsere Feldstudien weiter zu vervollständigen.
Wenig später hoben wir mit dem Helikopter ab. Zunächst führte der Flug über die Mario Zucchelli-Station, wo wir eine Zwischenlandung einlegten und unsere Maschine erst einmal auftanken mussten. Dazu mussten wir als Passagiere pflichtgemäß aus Sicherheitsgründen den Helikopter verlassen und in einiger Entfernung darauf warten, bis der Tankvorgang beendet war und der Pilot wieder zum Einsteigen bat. Wenig später waren wir wieder in der Luft und flogen geradewegs auf das riesige Nansen-Schelfeisgebiet zu, das von den Reeves und Priestley Gletschern gespeist wird.
Als wir über den gewaltig großen Reeves-Gletscher hinwegflogen, bot sich uns eine grandiose Sicht auf das gebirgige Umland mit den vielen Seitengletschern. Vor uns erschien der sehr lange Gebirgszug der Eisenhower Range mit seinen bestimmt an die 800 bis 1000 Meter hohen Wänden. Es ist im Prinzip ein langgezogener Tafelberg. Rechterhand von der Eisenhower Range konnten wir auch unsere früheren Einsatzgebiete erkennen. So war die Sicht auf den dunklen Bergsporn von Black Ridge und den Priestley-Gletscher gegeben, während linker Hand der Reeves-Gletscher von einem Eisplateau aus zwei dunkle Nunataks (unvergletscherte Felsinseln im Eis) umschlossen wurde und in Richtung Polarmeer floss. Das Eis glitzerte gleißend weiß bis stark bläulich in der Sonne. Am Rand des Reeves-Gletschers konnten wir bereits in der Ferne unser nächstes Einsatzgebiet Tarn Flat erkennen.
Vorher flogen wir aber noch an den im Gletscher liegenden Inseln "Vegetation Island" und "Inexpressible Island" vorbei. Letztere Insel ist berüchtigt für die fast immer vom Gletscher herunterstürmenden katabatischen Winde und hat nicht von ungefähr diesen Namen erhalten. Heute war es aber windstill. Tarn Flat, was wir jetzt geradewegs ansteuerten, war aber nicht minder bekannt dafür, dass der Wind hier jedem Einsatz einen Strich durch die Rechnung machen konnte. Das musste ich bereits bei der GANOVEX 10-Expedition unter meinen weniger schönen Erlebnissen verbuchen. Der Wind war damals so stark, dass man sich an ihn anlehnen konnte, ohne umzufallen. Glücklicherweise war es heute auch hier windstill und so konnte der Helikopter erst einmal ruhig das gesamte Gebiet ohne Durchschütteln abfliegen. Ernst erkundete aus der Luft dann eine sehr interessante Stelle direkt an der Randmoräne des Reeves-Gletschers, wo Frostmuster erkennbar waren, die wir somit näher studieren sowie abermals eine Beprobung des Untergrunds vornehmen wollten.
Nachdem wir gelandet waren, merkten wir nach dem Aussteigen aus dem Helikopter, dass gerade wegen des fehlenden Windes eine unglaubliche Stille herrschte. Aber bald wurde diese Stille von unserer Arbeit durch die Spitzhacke, die Schaufel und den Geologenhammer beim Ausheben eines Polygongrabens unterbrochen. Entgegen den Erwartungen, wieder schwer zu bearbeitenden Boden vorzufinden, war die Arbeit mit unserem Werkzeug leichter als gedacht. Die Regolithauflagen und auch unteren Schichten waren zunächst sehr locker, während wir mit zunehmender Tiefe auch wieder etwas zementiertes Material vorfanden. Jedoch hatten wir auch nach bald 55 Zentimetern Tiefe kein Eis erreicht. Das stand ganz im Gegensatz zu der Tiefenlage des Eises bei den anderen Frostmusterböden an den anderen Untersuchungslokalitäten. Dort waren wir bereits spätestens bei 30 Zentimeter auf Eis gestoßen. Ernst protokollierte dies alles in seinem Feldbuch, während ich wieder mit meinen sterilisierten Eisschrauben in Lagen von 5, 10, 20 und 30 Zentimetern Proben herausbohrte, die dann in speziellen Behältnissen fest für die zukünftige Analyse in unseren Laboren verschlossen wurden. Mein Interesse bei dieser Beprobung lag an den möglichen Organismen, die im Permafrost unterhalb der Oberfläche leben. Eventuell könnten einige der dort zukünftig nachgewiesenen Organismen ebenfalls unter simulierten Planetenbedingungen getestet werden oder auch auf ihre Detektierbarkeit mit Hilfe bestimmter Instrumente wie etwa Spektrometer untersucht werden.
Zusätzlich hielt ich auch Ausschau nach den an der Oberfläche lebenden Organismen. Ich konnte aber im Umfeld unserer Bodenarbeiten nur zwei Flechtenarten erkennen, die aber bisher an jedem Standort, den wir bei dieser Expedition aufgesucht hatten, gefunden wurden. Nachdem wir das Loch wieder zugeschüttet hatten und so gut es ging den Ursprungszustand unserer Arbeitslokalität wiederhergestellt hatten, waren wir überrascht, dass uns noch viel Zeit blieb, um an anderer Stelle weiterzuarbeiten. Da auf unserer Liste interessanter Standorte auch die Insel "Inexpressible Island" stand, baten wir den Piloten, doch zu der Insel, die sich gar nicht weit entfernt im Reeves-Gletscher befand, hinüber zu fliegen. Gesagt, getan. Wir flogen in einem großen Bogen über das Nansen-Eisschelf mit seiner beeindruckenden Abbruchkante, die mindestens zwanzig Meter senkrecht ins Meer stürzt. Zum Vergleich konnten wir auf einem vor der Abbruchkante schwimmenden Eisberg eine Robbe erkennen, die aus unserer Flughöhe fast punktförmig erschien.
Beim Überflug über die Insel sahen wir auch bereits die ersten rotgefärbten Container der Baustelle für die neue chinesische Polarstation, die gerade errichtet wurde. Bald würde es in der Terra Nova Bay dann vier Stationen geben, was möglicherweise die Logistik in dieser bisher doch sehr extremen Region etwas vereinfachen wird. Wenig später waren wir auf einem Plateau im höchstgelegenen Bereich der Insel gelandet. Dort hoben wir abermals ein Loch im Boden aus, damit ich eine Beprobung für weitere biologische Untersuchungen im Institut vornehmen konnte. Auch hier kamen wir sehr schnell voran und waren in ungefähr einer Stunde fertig. Es war bereits 19:15 Uhr als wir zu unserer Basisstation Gondwana zurückflogen. Dieses Mal hatten wir etwas Zeit, die an uns vorbeigleitende weiß bis tiefblau erscheinende Landschaft, die nur mit den dunklen Farbklecksen von Inseln und Bergspitzen oder Hochplateaus unterbrochen wurde, zu genießen.
Als wir an der Gondwana Station gelandet waren, stand auch schon alles für das Abendessen bereit. Es gab eine Süßkartoffel-Karotten-Gemüsepfanne mit Zwiebeln und Chilli gewürzt sowie einem Chilli-Dip zum Essen. Ich muss hierzu bemerken, dass ich während einer Polarexpedition noch nie so viel vegetarisch gegessen hatte, wie bei der aktuellen Expedition. Der Grund war, dass die neuen Proviantlieferungen mit den Fliegern und insbesondere die Fleischlieferungen auf sich warten ließen. Nun, so gesundes Essen kann ja nicht schaden.
Nach dem Essen ging aber dann für mich noch die eigentliche Dokumentationsarbeit los. Ich musste die Proben vollständig beschriften, in meine Übersichtstabelle mit den GPS-Daten eintragen und katalogisieren sowie außerhalb der Station zur Aufbewahrung auf Eis legen. Später würde unser Chef-Logistiker und Stationsleiter die Proben für den Weitertransport an meine italienischen Kollegen auf der Mario Zucchelli-Station übergeben, damit sie unter gleichmäßig gekühlt beziehungsweise gefrorenen Bedingungen bei minus 25 Grad Celsius bis nach Europa weitertransportiert werden. Ebenfalls sichtete ich noch das Bildmaterial, protokollierte unsere Beobachtungen und arbeitete noch an einer aussagekräftigen Präsentation. Weit nach Mitternacht, war dann ein arbeitsreicher Tag zu Ende. Glücklich und zufrieden suchten wir unsere Zelte auf, um die wohlverdiente Nachtruhe zu bekommen.
Dienstag, 13. November
Unser Tag begann wie jeden Morgen mit dem Wetterbericht zur Frühstückszeit um 07:15 Uhr. Offensichtlich erwarteten die italienischen Meteorologen einen ruhigen und heiter bis wolkigen Vormittag, bevor es dann am Nachmittag wieder ein Einsetzen der katabatischen Winde geben und auch die Bewölkung zunehmen würde. Durch einen Anruf unseres BGR-Kollegen Felix aus dem Satelliten-Camp erfuhren wir, dass am Mariner-Gletscher offensichtlich fünf Zentimeter Schnee gefallen seien und heute aufgrund der Bewölkung kein Einsatz geflogen werden konnte. Man sieht, dass jedes Tal oder jeder Gletscher ein eigenes Mikroklima in Nord-Viktorialand hat, und dass die Wetteraussichten nicht überall gleich gelten konnten. Da offensichtlich aber das Wetter zumindest für den Vormittag für unser heutiges Einsatzgebiet an der Eisenhower Range als stabil bezeichnet wurde, beschlossen wir mit unserem Piloten, die auf der Satellitenkarte ersichtliche und auch auf der BGR-Karte eingezeichnete Moräne anzufliegen und gegebenenfalls dort zu landen.
Mich interessierte insbesondere die Lage dieser Moräne, da die Lokalität ziemlich isoliert zwischen zwei Bergeinschnitten quer zur Längsachse der sonst zum Meer verlaufenden Gletscher lag. Die katabatischen Winde vom Eishochplateau wurden hier entweder unterbrochen oder umgelenkt. Das hätte sicherlich auch Bedeutung für die oberflächliche Besiedlung durch Organismen. Vor Ort wäre das aber zu überprüfen.
Nach dem Frühstück bereiteten wir uns also auf den nächsten Flug in für uns noch unbekanntes Terrain vor. Die Probenröhrchen wurden wieder mit dem Beprobungsmaterial in den Rucksack gepackt, ohne dabei den Proviant zu vergessen. Nachdem wir unsere Feldkleidung im Umkleideraum der Station angelegt hatten, begaben wir uns zum Pilotenoperationszelt, um dort auf Hamish und seinen Ingenieur Ross sowie auf Raquelle zu warten, denn dieses Mal wollten beide mitkommen. Somit würden wir bei dieser Neuerkundung und Feldarbeit zu fünft im Zielgebiet arbeiten. Punkt 09:30 Uhr trafen wir dann alle am Zelt ein. Nach einigen kleinen Checks am Helikopter ging es dann los. Wir flogen wieder zum Auftanken nach Mario Zucchelli, um dann zur ausgesuchten Moräne in der Eisenhower Range weiterzufliegen.
Der Flug dorthin war atemberaubend. Wir flogen in einer Höhe von circa 1400 Metern und die steil aufragenden hohen Wände der Eisenhower Range erhoben sich noch einmal um weitere 800 Meter über uns. In diesen Flanken öffnete sich vor uns ein kleines Trockental, dessen Boden komplett aus einer Moräne bestand, die im Kern noch Eis des ehemaligen Gletschers in sich trägt. In bogenförmigen Strukturen mit Frostmusterböden und einigen kleinen schneegefüllten Senken im Gelände erstreckte sich das Moränengebiet über den gesamten Talboden. Da ich vorne beim Piloten saß, hatte ich die bessere Übersicht über das Gelände. Aber trotzdem vergewisserte ich mich auch noch einmal bei Ernst, ob er mit dem ausgesuchten Landeplatz einverstanden sei. Immerhin ist er der Geologe beziehungsweise Geomorphologe. Wir stimmten alle überein, am oberen, bergnahen Teil der Moräne zu landen. Als wir ausgestiegen waren, bot sich uns eine nach Nordosten öffnende alpine Bergarena. Die Berge selber bestehen aus dem Ferrar-Dolerit mit Beacon-Sandsteinen in Gipfelnähe sowie Granit. Einzelne dunkle Basaltgänge durchziehen das Gestein. Während erstere Gesteinsarten sogar Mars-relevant sind, war es der Granit leider nicht. Trotzdem konnten wir sofort erkennen, dass es sich hier um ein Trockental handeln musste, was die wenigen Organismenarten bei genauerer Untersuchung der Nischen im Gestein sogar bestätigen konnten, da sie äußerst klein ausfielen.
Wir alle schwärmten aus dem Helikopter aus, um unsere unterschiedlichen Arbeiten zu erledigen. Ernst begab sich wieder an einen der Frostmusterböden und schlug mit dem Geologenhammer in den Boden, um zwei kleinere Löscher auszuheben. Dabei gelangte er bereits nach etwa 15 bis 20 Zentimetern an das im Untergrund liegende Eis. Raquelle, unsere Bergführerin, war mir behilflich bei der Suche nach Organismen, die die Oberfläche der Gesteine besiedeln. Diese waren zum Beispiel Flechten, Cyanobakterien und Pilze. Sie hatte offensichtlich auch das bessere Auge. Sie fand mit wenig Aufwand sehr bald nur wenige Millimeter große Flechtenexemplare, die ich sogar als Proben einsammelte. Letztendlich kamen wir auf drei verschiedene Flechtenarten und eine endolithische Cyanobakterien-Art, die erst beim Abschlagen des besiedelten Gesteins zum Vorschein kam. Also war es sogar an diesem auf der Karte sehr isoliert erscheinenden Ort kein Problem für das mikroskopische Leben, Fuß zu fassen.
Wenig später hörten wir nach unserer kleinen Mittagspause ein sirrendes Geräusch in unserem Tal. Ein zweiter Helikopter flog über uns und landete unweit unseres Landeplatzes. Ich hatte gerade die Beprobung der von Ernst ausgehobenen Löcher begonnen, als aus dem gelandeten Helikopter ein alter Bekannter von unserer früheren GANOVEX 11- Expedition, nämlich der Pilot Dion, und eine italienische Kollegin, nämlich Laura, ausstiegen und von weitem zuwinkten. Nach einem kurzen Austausch über unsere Arbeiten hier am Ort waren wir wieder zum Aufbruch bereit, da die Zeit bereits weit fortgeschritten war und wir noch vor 15:00 Uhr zurück sein wollten, da uns heute auf der Station eine Koreanisch-Chinesische Delegation besuchen sollte. Hamish flog uns zum Abschluss in einem großen Bogen über unser Arbeitsgebiet zwecks fotografischer Dokumentation herum und erhob sich dann über das Plateau des Tafelgebirges der Eisenhower Range mit seiner großen Gletscherauflage. Von dort flogen wir anschließend durch beeindruckend schroffe alpine Gebirgsketten über den majestätischen Priestley-Gletscher zu einem unserer früheren Arbeitsgebiete am Black Ridge herunter. Sprachlos und bewundernd flogen wir über diese bläulich-weiß erscheinenden Wunder der Natur hinweg. Nur ab und an war zwischen dem lauten Rattern des Helikopters das Klicken der Kameras zu hören.
Wir landeten tief beeindruckt von dem Gesehenen wieder an der Gondwana-Station, um dort festzustellen, dass die koreanisch-chinesische Delegation den Besuch in der Station bereits begonnen hatte. Die Kollegen aus Fernost waren mehr als pünktlich. Wir erfuhren von unserem Stationsleiter Chris, dass sie sogar 20 Minuten vor der vereinbarten Zeit an der Station angekommen waren. Schnell zogen wir unsere Feldsachen aus und begannen die Gäste zu bewirten. Chris zeigte eine Präsentation über die Renovierungsarbeiten unserer deutschen Station, was gerade die Chinesen sehr interessierte, da sie ja begonnen hatten, auf Inexpressible Island ihre eigene Station aufzubauen. Der neue Stationsleiter der Koreanischen Jang Bogo-Station zeigte während eines Gesprächs mit Ernst und mir sogar Interesse an unserer Planetenforschung und Astrobiologie und wollte sogar den Kontakt zu einer jungen Astrobiologin aus Korea herstellen. Ich hinterließ ihm meine Karte und bin gespannt, ob da ein Kontakt zustande kommt.
Nachdem die neunköpfige Gästeschar wieder aufgebrochen war, musste ich erst einmal per Satellitentelefon unser Hotel in Christchuch anrufen, da sich im Gespräch mit den Koreanern herausstellte, dass wohl unser Flieger am 15.11. ankommen würde, uns aber dann erst am 16.11. nach Christchurch transferieren würde. Chris bestätigte das sogar etwas später. So musste ich in jedem Fall unsere Verspätung um einen Tag im Hotel bekannt geben, sodass wenigstens ein Tag storniert werden konnte. Es klappte offensichtlich ohne Probleme und so sahen wir einem entspannten Abend entgegen. Einem der letzten, bevor wir unsere Heimreise antreten werden.
Weitere Bilder gibt es im Flickr-Album zur Expedition.
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