Studienalltag mit Eishacken und Steigeisen-Training
4 Uhr, draußen vor der Regina Margherita-Hütte ist es noch stockdüster. Für die Probanden der Höhenkrankheitsstudie klingelt der Wecker. Während die ersten Bergsteiger das Quartier verlassen und zu ihren Touren in den Walliser Alpen aufbrechen, müssen die Studienteilnehmer schon die ersten Daten liefern: Kopfschmerzen, Schlafqualität, Übelkeit, Schwindel, alles wird im individuellen Tagebuch nach Skalen bewertet und festgehalten. Dann folgt der Griff zum Blutdruckmessgerät und zum Clip, der an der Fingerkuppe die Sauerstoffsättigung im Blut misst. "Mittlerweile ist das Routine für alle", sagt DLR-Studienarzt Ulrich Limper. Ebenso wie der anschließende Gang zur Waage. Jeden Morgen tragen die Probanden ihr Körpergewicht in eine Liste ein.
Ab 4.30 Uhr werden die ersten Proben eingesammelt - Blutabnahme, Speichelprobe, auch der Urin der Probanden wird gesammelt. Später, wenn im Kölner Labor im DLR jede Probe analysiert wird, soll beispielsweise festgestellt werden, ob Eiweißmoleküle aus der Lunge in das Blut und andere Eiweißmoleküle in den Urin gelangt sind. Das wäre ein Zeichen dafür, dass die Hypothese der Studie zutrifft: Wird der Körper einem reduzierten Atmosphärendruck und einem Sauerstoffmangel ausgesetzt, entwickelt sich eine Entzündung im Körper, durch die die Blutgefäße durchlässig werden - Flüssigkeit und auch Eiweiße können aus den Blutgefäßen in das umliegenden Gewebe gelangen.
Die Zeit bis zum Frühstück um 6.30 Uhr kann jeder verbringen, wie er möchte. Danach geht es gleich weiter mit Experimenten: Jeden Tag werden Stirn, Hände, Füße und Lunge der Probanden mit dem Ultraschall untersucht. Der Kohlenstoffmonoxid-Anteil in der Ausatemluft wird erfasst. Jeder muss mithelfen, assistiert bei den Untersuchungen oder trägt Werte in Tabellen ein.
Manchem Probanden ist die Beschäftigung ganz recht: "Morgens merke ich die Höhenkrankheit stärker, mit Kopfschmerzen, ein wenig Übelkeit und Appetitlosigkeit", erzählt einer. "Wenn ich dann aber aufstehe und der Kreislauf angekurbelt wird, läuft es dann schon wieder besser."
Laborarbeit mit Zusatz-Job
Im Mehr-Bett-Lager, aus dem ein improvisiertes Labor entstanden ist, ist es eng. Die Hütte ist zwar als Ort für höhenphysiologische Forschung bekannt, aber auch zugleich eine normale Bergsteigerunterkunft. Ultraschallgerät, Zentrifuge für die Blutproben, Material, alles ist mit dem Team aus Köln angereist und dient nun als Labor, in dem die Proben gesammelt, verarbeitet und schließlich eingefroren werden. Mitgereist ist auch eine große Menge Trockeneis zum Kühlen der Proben. Notwendiges Instrument für die Lagerung im Trockeneis - der Eispickel. Um das Trockeneis kühl zu halten und vor der Sonneneinstrahlung zu schützen, wird der Behälter mitsamt den Proben nämlich vor der Hütte im Eis gelagert. Und vor der Lagerung heißt es erst einmal Eishacken, um die wertvolle Fracht angemessen tief ins Eis stellen zu können.
Verfrühte Rückkehr für eine Probandin
Mittlerweile geht auch der Einsatz von Kopfschmerzen-Tabletten und den Mitteln gegen die Übelkeit zurück, die die Studienteilnehmer nehmen durften, um die Symptome der Höhenkrankheit zu lindern. "Alle Probanden entwickeln sich positiv", sagt Studienarzt Ulrich Limper. Alle bis auf eine. Schon beim Aufstieg hatte eine Teilnehmerin die ersten Auswirkungen der Höhenkrankheit deutlich zu spüren bekommen. Auch auf der Hütte in 4554 Metern Höhe ließ die Kombination aus schwerer Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen und Wassereinlagerungen mit der Zeit nicht nach. "Nicht vertretbar", entschied der Studienarzt - und ließ die Probandin per Hubschrauber zu einem Mitglied des DLR-Teams ins Tal fliegen. Auf 1200 Metern Höhe im italienischen Alagna besserte sich ihr Gesundheitszustand schnell. Für die Studie ist der Datensatz dennoch nicht verloren: Ihr erstes MRT wurde bereits bei der Bundeswehr in Fürstenfeldbruck aufgenommen. Auch bei den Nachfolgeuntersuchungen im September und Dezember wird sie mit dabei sein.
Für die übrigen Probanden bleibt es bei der täglichen Routine: Wecker, Tagebuch, Blutabnahme, Frühstück und Untersuchungen bis zum Nachmittag. Anschließend wird mit den Bergführern trainiert: Mit Steigeisen, Eispickel und Seil geht es unter anderem auf die benachbarte Zumsteinspitze. Am Montag steht schließlich wieder der Abstieg ins Tal an. Die Abende selbst sind kurz auf der Regina Margherita-Hütte: Um 22 Uhr geht das Licht aus, bis morgens um 4 Uhr der Wecker wieder klingelt.
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