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Philae calling ...

 
Credit:
CNES/DUCROS David/ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM

Von Cinzia Fantinati und Koen Geurts

Am 9. Juli hatte das Team im DLR-Lander-Kontrollzentrum in Köln den letzten Kontakt zu Philae. Ende Oktober soll erneut versucht werden, mit der Muttersonde Rosetta den Lander Philae zu erreichen. In fünf Wochen befindet sich Rosetta wieder näher an Philaes Kometen.

Was geschah seit der Landung?

Am 12. November 2014 landete Philae als erste Raumsonde in der Geschichte der Menschheit auf einem Kometen - um 16:34 Uhr MEZ setzte sie an der Landestelle Agilkia am Kopf des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko auf, das Signal zur ersten Bestätigung der Landung kam 28 Minuten später auf der Erde an. Die Landung verlief allerdings nicht ganz nach Plan, da die Harpunen des Landers nicht richtig auslösten. Die Eisschrauben allein reichten nicht aus, um ihn beim Aufsetzen sicher zu fixieren. Dieser hob deshalb noch einmal vom Kometen ab, und kehrte erst nach einem weiteren zweistündigen Flug zum Kometen zurück. Seine endgültige Landestelle namens "Abydos" liegt allerdings etwas ungünstig im Schatten eines Felsvorsprungs.

Philae nach der Abkopplung von Rosetta am 12. November 2014 aus Sicht des Kamerasystems OSIRIS.
Credit:
ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA

Die zehn Instrumente an Bord von Philae begannen sofort mit ihrer Arbeit, indem sie die Umgebung "beschnüffelten", sich in das Gestein bohrten und den Kometenboden behämmerten - eine mit großen Felsbrocken übersäte Landschaft mit einer überraschend harten Oberfläche, die der Thermalsonde MUPUS (Multi-Purpose Sensors for Surface and Sub-Surface Science) so manche Schwierigkeiten bereitete. Auch das Team von SESAME (Surface Electrical, Seismic and Acoustic Monitoring Experiments) musste feststellen, dass die Festigkeit der Eisschicht extrem hoch war. COSAC (Cometary Sampling and Composition) konnte die Anwesenheit von organischen Molekülen feststellen. ROLIS (Rosetta Lander Imaging System) machte Aufnahmen der Kometenoberfläche aus nächster Nähe. Philae und Rosetta analysierten mithilfe von CONSERT (Comet Nucleus Sounding Experiment by Radio wave Transmission) den Kometenkern. Nach 60 Stunden Arbeit verabschiedete sich Philae in den Schlafmodus, nachdem die Energie seiner Primärbatterie erschöpft war - seine wissenschaftliche Arbeitsphase war damit abgeschlossen, und es konnten die ersten Daten von der Oberfläche eines Kometen zur Erde gesendet werden. War das nun das Ende?

Kontakt mit Philae

Um mit dem Lander Philae kommunizieren zu können, muss die Verbindungselektronik (Electrical Support System, ESS) an Bord von Rosetta, die die Schnittstelle zwischen Philae und Rosetta bildet, aktiviert und in den „Forschungsmodus“ geschaltet werden. Der Orbiter sendet dann Signale an den Lander. Nach dem Empfang schaltet dieser seinen Sender ein und antwortet. Philae beginnt daraufhin sofort mit der Übertragung der wissenschaftlichen Daten sowie Daten über seinen Betriebszustand. Rosetta kann ebenfalls Steuerbefehle an Philae übermitteln - zum Beispiel zur Ausführung und Übermittlung von wissenschaftlichen Messungen.

Nach sieben Monaten nahm der Lander am 13. Juni 2015 wieder Kontakt mit dem Orbiter Rosetta auf. 78 Sekunden bestand eine wechselseitige Verbindung. Philae sendete dabei 343 Datenpakete über seinen Gesundheitszustand mit Informationen über seine Betriebstemperatur, den Ladezustand seiner Batterie und die an Bord befindlichen Subsysteme - alles gesund und munter, der Lander war ausreichend aufgeheizt und seine Solarmodule wurden mit Sonnenenergie versorgt.

Aufnahme der OSIRIS-Kamera, die den ersten Hüpfer von Philae nach dessen Berührung mit der Kometenoberfläche am 12. November 2014 zeigt.
Credit:
ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA

Seither arbeiten die Teams des DLR Lander-Kontrollzentrums (LCC), des Science Operations and Navigation Center (SONC, CNES), des Rosetta Mission Operations Center (RMOC, ESOC) und des Rosetta Science Ground Segment (RSGS - ESAC) zusammen mit den Missionskontrolleuren ununterbrochen am Aufbau regelmäßiger und planbarer Kontakte mit Philae sowie daran, den Lander wieder für wissenschaftliche Messungen betreiben zu können.

Eine neue Flugbahn für Rosetta

Die ersten von Philae übermittelten Signale lösten eine wahre Flut an Telefonkonferenzen und Debatten aus und drängten die Beteiligten dazu, schnelle Entscheidungen zu treffen. Es war offensichtlich, dass die Flugbahn von Rosetta angepasst werden musste, um den Kontakt mit Philae zu ermöglichen - dieses Ziel hatte höchste Priorität. Als günstiger Breitenbereich wurde ein Wert zwischen 0 und +55 Grad Nord festgelegt. Für die Durchführung der Bahnkorrektur waren die RMOC Flight Dynamics und Flight Control Teams verantwortlich.

Ein zweiter Kontakt mit Philae konnte am 14. Juni hergestellt werden, das "Gespräch" dauerte exakt 04:04 Minuten - wenn auch gestört durch häufige Unterbrechungen. Der dritte Kontakt kam am 19. Juni zustande. Dauer: 18:53 Minuten, und auch dieses Mal wurde die Verbindung einige Male unterbrochen. Der vierte Kontakt, ebenfalls mit mehrmaligen Unterbrechungen, konnte am 20. Juni hergestellt werden, er dauerte 31:01 Minuten. Der fünfte Kontakt ereignete sich am 21. Juni und dauerte 11:25 Minuten mit einer Unterbrechung von 10:37 Minuten. Der sechste und letzte Kontakt am 24. Juni 2015 bestand für 17:11 Minuten, die Verbindung war aber ebenfalls nicht stabil und brach immer wieder ab. Insgesamt ergab sich aus den Auswertungen der wenigen gespeicherten sowie der in Echtzeit übertragenen Daten, dass die innere Temperatur des Landers von -55 Grad Celsius im Mai auf -5 Grad Celsius am 13. Juni gestiegen war, die Akkus sich wieder aufluden und die Kometentage allmählich wieder länger wurden.

Die rote Ellipse in dieser Aufnahme der OSIRIS-Kamera an Bord der Raumsonde Rosetta kennzeichnet den Bereich, in dem Philae höchstwahrscheinlich nach seinem "Dreifach-Hüpfer" auf dem Kometen gelandet ist.
Credit:
ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA

Natürlich hatte sich das Team mehr erhofft und unternahm deshalb alles, um eine Verbesserung dieser Situation herbeizuführen. Damals überflog Rosetta die Kometenoberfläche in einer Entfernung von etwa 200 Kilometern - und befand sich damit gerade noch innerhalb einer Reichweite, die den Kontakt zu Philae überhaupt ermöglichte. Dass nicht an jedem Kometentag eine Verbindung zum Lander hergestellt werden konnte, lag vermutlich am Winkel zwischen dem Standort des Landers und dem Orbiter. Die Wissenschaftler und Ingenieure haben noch immer keine Erklärung dafür, weshalb es so schwierig war, den Kontakt mit dem Lander aufrechtzuerhalten.

Komet 67P hat eine Rotationsdauer von 12,4 Stunden. Die Position von Philae ist deshalb von der Muttersonde aus nicht immer einsehbar. Ungefähr zweimal pro Erdtag wäre bei einem Überflug der Muttersonde ein Kontakt möglich, wobei die Antennen des Orbiters und des Landers dann aufeinander ausgerichtet sein müssen. Die Antennen von Philae werden teilweise durch Objekte in der direkten Umgebung beim Senden und Empfangen gestört. Der Orbiter muss außerdem seine Antenne möglichst genau auf den Kometen ausrichten.

Probleme mit der Hardware und beim Aktivieren von CONSERT

Aufgrund der wenigen Kontakten stellten die übermittelten Daten die Ingenieure vor weitere Rätsel. Die am 19. Juni empfangenen Telemetrie-Daten zeigten, dass nur einer der beiden Empfänger eingeschaltet wurde, obwohl laut Konfiguration die Nutzung beider vorgesehen war. Weitere Untersuchungen brachten Licht ins Dunkel: An einem der beiden Empfänger (RX1) trat ein Kurzschluss auf, welcher deshalb vom Hardware- (HW-) Überlastungsschutz abgeschaltet wurde. Dies war zwar beunruhigend, aber genau für solche Fälle gibt es ja redundante Systeme.

Das erste Bild von der Oberfläche des Kometen 67P, aufgenommen von der CIVA-Kamera. Es zeigt einen der drei Füße von Philae im Vordergrund. Die Aufnahme ist aus zwei Einzelbildern zusammengesetzt.
Credit:
ESA/Rosetta/Philae/CIVA

Nach zwei Wochen des Schweigens bestand die Befürchtung, dass auch der zweite Empfänger durch den Kurzschluss in Mitleidenschaft gezogen worden sein könnte. Um diese Zweifel aus dem Weg zu räumen, beschloss man, das auf Rosetta und Philae befindliche Instrument CONSERT mit unabhängigen Antennen zu nutzen. Indem "Blindsignale" an Philae gesendet wurden, um der Landeeinheit den Befehl zum Anschalten von CONSERT zu erteilen, sollte die Einheit an Bord von Rosetta  feststellen können, ob die Einheit auf Philae tatsächlich eingeschaltet ist. Damit ließe sich der Beweis erbringen, dass der Empfänger tatsächlich noch funktioniert.

Der erste Versuch scheiterte, da von Philae kein CONSERT-Signal empfangen werden konnte. Der zweite Versuch jedoch war eine große Überraschung, da sich Philae am 9. Juli wieder zurückmeldete. Obwohl die Verbindung mit einer Dauer von insgesamt 22 Minuten mehrfach abbrach, blieb der Kontakt zum Lander über insgesamt 12 Minuten stabil - der bislang längste Kontakt! Ein Funksignal vom CONSERT-Instrument an Bord von Philae konnte jedoch seltsamerweise nichtaufgefangen werden.

Das DLR Lander-Kontrollzentrum
Credit:
DLR (CC-By 3.0)

Was die Zukunft bringt

Seit jenem Tag setzen die beiden Kometenjäger gemeinsam mit dem Kometen ihre faszinierende Reise durch das Weltall fort. Am 13. August 2015 erreichte der Komet den sonnennächsten Punkt auf seiner Bahn, das Perihel. Ab dem 23. September wird sich Rosetta bis auf 1500 Kilometer vom Kometenkern entfernen, um die Koma des Kometen untersuchen zu können.

Ende Oktober möchten die Missionskontrolleure erneut versuchen, mit der dann wieder sehr viel näher am Kern befindlichen Muttersonde Rosetta den Lander zu kontaktieren. Prognosen bezüglich der Temperatur und der Elektronik lassen vermuten, dass Philae noch bis Ende 2015 betriebsbereit sein wird. Bis dahin sind noch viele Kontaktaufnahmen möglich.

Cinzia Fantinati ist Operations Manager für den Philae-Lander. Koen Geurts ist technischer Projektleiter für Philae. Beide arbeiten am DLR Lander-Kontrollzentrum (LCC).