Mal wieder ein Semester zu Ende…
Wie immer waren wir mit einem internationalen Team von "Lehrern" am Start: Anna Rita, Ciro und Marco kommen aus Italien, Niko ist Kroate, Julio Franzose, Sjoerd ist aus den Niederlanden, Misbahur gar aus Indien, Ferit hat aramäische Wurzeln. Und eine starke deutsche Fraktion mit Tom, Savio und meinereiner. Uns allen ist gemein: Wir sind erfahrene Flight Controller, haben mehrere Jahre an der Konsole "auf dem Buckel" – und sind daher prädestiniert dazu, unser Wissen an die nächste Generation weiterzugeben.
Voraussetzung, um sich für die aufregende Arbeit als Flight Controller bewerben zu können, ist ein abgeschlossenes Studium, üblicherweise entweder einer Natur- oder einer Ingenieurswissenschaft. Freilich sind auch gute Englischkenntnisse und eine hohe Motivation entscheidende Auswahlkriterien.
Meine eigene Ausbildung habe ich noch sehr gut in Erinnerung: Es war pfundig! Für jeden Raumfahrtenthusiast sicher etwas ganz besonderes. Neben viel Selbststudium stehen zunächst einmal zwei Wochen am Astronautenzentrum in Köln auf dem Stundenplan. Dort bekommt man - ähnlich wie die Astronauten - die Grundfunktionen von Columbus und der europäischen Experimentschränke vermittelt.
Dann folgt die operationelle Ausbildung, die durch mein Team bestritten wird: Die neuen Flight Controller müssen alles über unser Betriebskonzept, die entsprechenden Prozesse und Prozeduren, die Softwaretools, die wir an den Konsolen und zusammen mit der amerikanischen Weltraumbehörde NASA verwenden, die Reaktionen auf kritische Situationen oder unsere sehr gewöhnungsbedürftige Art der operationellen Kommunikation lernen. Üblicherweise bringen wir diese Inhalte in drei oder vier Wochen unter - die Kurse finden entweder auch am Astronautenzentrum oder bei uns am Columbus-Kontrollzentrum statt. Freilich überprüfen wir das Wissen der Neulinge auch regelmässig über Multiple-Choice-Tests - oder in den beiden so genannten Columbus Operations Readiness Boards (CORB), die dann die Eintrittskarte in die jeweils nächste Ausbildungsstufe darstellen: Die Simulationsphase - und schließlich die finale Zertifizierung, die durch die Europäische Weltraumorganisation ESA ausgesprochen wird.
Während unsere "Studenten" sich das entsprechende Fachwissen anlesen, was sie ganz speziell für ihre zukünftige Konsolenposition benötigen – ein Flugdirektor hat später ganz andere Aufgaben zu bewältigen als beispielsweise ein STRATOS (Safeguarding Thermal Resources Avionics Telecommunications Operations Systems) – absolvieren sie auch "On-The-Job-Trainings" (OJTs) mit ihren zukünftigen Kollegen auf Schicht: Anfänglich beobachten sie nur die verschiedenen Prozesse und Aufgaben im Kontrollraum, gegen Ende der Ausbildung dagegen kann sich der erfahrene Flight Controller zurücklehnen, getrost die Konsole dem "Newbee" überlassen und muss nur noch eingreifen, wenn etwas „aus dem Ruder laufen“ sollte.
Ein anderes OJT ist ein besonderes Highlight: Unsere Neuen "müssen" auch einmal Kontrollraumluft in Houston schnuppern: Dort bei der NASA bekommen sie einen Eindruck der Arbeit ihrer zukünftigen Kollegen auf der anderen Seite des Atlantiks - und können auch die privaten Kontakte aufbauen, die später die Zusammenarbeit wesentlich erleichtern werden.
Ein wesentlicher Baustein des Trainings sind schließlich die Simulationen: Gemeinsam mit anderen neuen Kollegen wird ein typischer ISS-Tag simuliert - ein Computer gaukelt Columbus und die Interrnationale Raumstation ISS vor, reagiert auf gesendete Kommandos und erlaubt auch das Einspielen von Fehlern, die es dann zu bewältigen gilt. Wir spielen dann im Hintergrund sowohl die NASA-Kollegen als auch die Astronauten - manchmal zeigen wir uns den Studenten sogar per Video und simulieren die Arbeit der Crew in unserem Columbus-Mockup. Aber eigentlich ist unsere Hauptaufgabe, unseren neuen Kollegen bei der Arbeit an der Konsole insgeheim über die Schulter zu schauen und ihnen danach das entsprechende Feedback und die "Tipps der alten Hasen" mitzugeben.
Weitere Unterrichtseinheiten führen in die soft skills ein, die man an der Konsole gut brauchen kann: Kommunikation, Entscheidungsfindung unter Stress, Teamwork oder auch die Kunst, in komplexen Lagen die Übersicht zu behalten. Auch die sehr speziellen Prozesse, die sicherstellen, dass die Astronauten keinerlei Gefahren ausgesetzt werden, müssen erlernt werden.
Sind alle Hürden genommen, so steht am Ende die Zertifizierung und damit der "Führerschein" für die Konsole. Dann ist es auch Zeit für den ersten "Solo-Flug", das erste Kommando, das an die ISS geschickt wird, den ersten Plausch mit den Astronauten an Bord.
Dann ist man Teil der verschworenen Gemeinschaft, die rund um die Uhr über die ISS und die Astronauten wacht - und die ihren Beitrag zum Abenteuer bemannte Raumfahrt leistet.
Im Trainingsraum des Columbus-Kontrollzentrums in Oberpfaffenhofen. Bild: DLR CC-BY (3.0)
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