Mit HALO unterwegs
Schon die Ankunft hat der DLR-Crew gezeigt, dass HALO hier als besonderer Gast betrachtet wird. Nach der Anmeldung im Anflug auf den Zielflughafen wurde das Flugzeug ungewöhnlich schnell durch den stark frequentierten Luftraum über Denver geführt. Die dann folgenden beiden Tage waren verplant mit Meetings und Präsentationen, in denen sich amerikanische und deutsche Wissenschaftler, Ingenieure und Piloten gegenseitig über Missionen und Experimente im wissenschaftlichen Flugbetrieb ausgetauscht haben. Auch über die Probleme und Herausforderungen, die der Betrieb von Forschungsflugzeugen mit sich bringt, beispielsweise die umfangreichen, für jedes wissenschaftliche Instrument notwendigen Zulassungsprozesse. So muss jede Schraube, jedes noch so kleine Teil, das am Boden ohne weiteres in einer wissenschaftlichen Anlage verbaut werden kann, für den Einsatz im Forschungsflugzeug zugelassen werden.
Sicher durch den Vogelschlag
Dass die Kollegen des DLR in allen Belangen ziemlich gut aufgestellt sind, das bestätigt mehrfach Jeffrey Stith, der Chef des NCAR-Flugbetriebes, in den Gesprächen. NCAR betreibt selbst seit mehr als fünf Jahren eine Gulfstream und mit großem Interesse besichtigen die Kollegen das DLR-Forschungsflugzeug. Und sie können von ähnlichen Problemen bei der Inbetriebnahme eines solch anspruchsvollen Flugzeuges berichten. Vor allem, wenn es um Messinstrumente an der Außenseite des Flugzeuges geht, die für den diesen Typ von Flugzeugen eigentlich nicht vorgesehen sind. So erfolgen umfangreiche Untersuchungen zur Sicherheit bei Vogelschlag, nicht zuletzt wegen der durch einen Vogelschwarm verursachten Notlandung eines Airbus A320 auf dem Hudson River in New York. Insbesondere alle außen am Rumpf oder unter den Tragflächen montierten Einrichtungen müssen so ausgelegt sein, dass die Kollision mit einem Vogel nicht zum Risiko für das Flugzeug und seine Besatzung wird.
"Good friends, good science"
Der Visite von HALO, die in einem grau-weißen NCAR-Hangar steht, folgt, verbunden mit einem leichten Ausdruck des Erstaunens, die ehrliche Anerkennung, was die deutschen Kollegen in den vergangenen beiden Jahren bereits geleistet haben. Denn auch hier ist bekannt, dass sich nicht immer die Wünsche und Vorstellungen der Wissenschaftler realisieren lassen. Selbst Roger Wakimoto, Chef von mehr als tausend US-Wissenschaftlern der UCAR (University Corporation for Atmospheric Research), hat sich einen halben Tag Zeit genommen, um sich HALO anzusehen. Am Ende des Treffens definiert Jeffrey Stith eine ansehnliche Liste von Punkten, die er gern mit der deutschen Seite besprechen möchte. Er hofft, begleitet vom zustimmenden Nicken seiner Kollegen, auf eine zukünftig enge wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit von NCAR und DLR. Alles im Sinne des Ausspruchs eines amerikanischen Wissenschaftlers bei einem gemeinsamen Dinner: "Good friends, good food, good drinks, good science!"
Boulder war aber nicht die erste Station von HALO bei diesem Flug in die USA, denn jeder muss mal zur Durchsicht. Menschen, Autos, Flugzeuge - so auch HALO. Mitte November 2010 war es mal wieder soweit, von Oberpfaffenhofen aus wurde HALO nach Savannah/Georgia zum Hersteller Gulfstream überführt, um sich der jährlichen Durchsicht zu stellen. Zumal auch noch die Garantie läuft. Gerade bei den sogenannten Special Mission Aircraft ist es notwendig, "Herz und Nieren" aufs Genaueste zu untersuchen. Genau wie Kampfflugzeuge, die für extreme Belastungen ausgelegt sind, gehen auch Forschungsflugzeuge an die Grenzen des Machbaren, in großen Höhen oder unter extremen Wetterbedingungen. Anfang Januar flogen dann DLR-Kollegen in die USA, um die Arbeiten zu begleiten. Nicht immer stimmen dabei die Meinungen überein, welche Leistung wie zu erledigen ist. So fielen die mühsam in Deutschland aufgebrachten Aufkleber der an HALO beteiligten Einrichtungen dem Eifer der amerikanischen Mechaniker "zum Opfer". Aber dann ist es doch geschafft und HALO kann weiter nach Boulder fliegen.
Der Glanz der Polarlichter
Dunkelheit breitet sich über der verschneiten Prärie aus. Seit dem Wetterumschwung in der Mittagszeit war der Winterdienst des Flughafens unermüdlich im Einsatz, um die Piste für den Start von HALO am frühen Abend freizuhalten. Die Starterlaubnis wird erteilt, die Schubhebel gehen auf Vollast und nach knapp 2000 Metern auf der Startbahn 29R erhebt sich HALO Richtung Westen in den abendlichen und jetzt plötzlich sternenklaren Himmel. Nach einer halben Stunde ist die Reiseflughöhe von 43.000 Fuß (rund 12.000 Meter), erreicht, das sind 3000 Meter über den herkömmlichen Flugtrassen der Verkehrsmaschinen. In dieser Höhe erzeugt das fahle Mondlicht einen seltsamen, aber faszinierenden Schimmer in der Atmosphäre. Es kommt noch besser. Über der Hudson Bay im Norden Kanadas entfalten auf der Backbordseite beeindruckende Polarlichter ihren Glanz. Weit unter HALO zeichnen die Kondensstreifen der Airliner die zivilen Luftstraßen nach. Und es soll noch höher gehen. Der letzte Teil des Fluges, der kurz vor der Küste Schottlands beginnt, findet in 49.000 Fuß, fast 15.000 Metern, statt. Im Headup-Display meint man die Erdkrümmung zu erkennen. In dieser Höhe lassen sich die neuen Möglichkeiten, die HALO bietet, nur erahnen. Nach fast zehn Stunden Flug setzt HALO in Oberpfaffenhofen wieder auf. An Bord erschöpfte DLR-Kollegen mit zufriedenen Gesichtern. Im Angesicht harter Arbeit, die in den nächsten Monaten folgen wird, bei der der Testbetrieb der umfangreichen Außenlasten für HALO auf dem Programm steht.
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