Das DLR, Europa und die internationale Kooperation
Es ist von ausreichender Trivialität, dass die Existenz nationalstaatlicher Strukturen in der Welt, aber auch innerhalb Europas, zu nationalstaatlicher Politik führt. Allerdings ist es für das DLR ebenso trivial, dass Kooperation in Forschung und Technologieentwicklung über nationale Grenzen reichen muss, um erfolgreich zu sein. In diesem Verständnis können eine Reihe von guten, aktuellen Beispielen angeführt werden:
Das Thema Energie stand im Mittelpunkt unseres traditionellen Neujahrsempfangs in Brüssel, diesmal in der dortigen Repräsentanz des Landes Baden-Württemberg. Zuvor hatte mein Vorstandskollege Ulrich Wagner Gespräche auf EU-Ebene zu den von ihm verantworteten Themen Energie und Verkehr durchgeführt.
In der Luftfahrt wird gerade in diesen Wochen an einer neuen europäischen Zieldefinition für die nächsten Jahrzehnte gearbeitet. Mein Vorstandskollege Rolf Henke und Uwe Möller vom DLR-Büro Brüssel haben mit Kollegen europäischer Einrichtungen aus Industrie und Wissenschaft verschiedene Aspekte diskutiert, die nun in einem „High-Level-Abschlusstreffen“ gemeinsam festgelegt werden sollen.
Die Raumfahrt kann auf den erfolgreichen Start von ATV-2 "Johannes Kepler" verweisen, der am 16. Februar 2011 vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou erfolgte. Die Tatsache, dass der zweihundertste Start einer Ariane erst im zweiten Anlauf gelang, sollte nicht zur Geringschätzung der europäischen Leistungsfähigkeit, sondern im Gegenteil zur Hochachtung der gemeinsam erbrachten Leistung führen, denn die eingesetzten Überwachungssysteme haben ihren Zweck, nämlich der Warnung vor Anomalien, perfekt erfüllt. Nun ist "Johannes Kepler" auf dem Weg zur Internationalen Raumstation, um als moderner Raumtransporter und Ausdruck europäischer Ingenieurleistung Versorgungsgüter für die Astronauten und Kosmonauten abzuliefern. Die Person Johannes Kepler ist sowohl hinsichtlich ihrer disziplinübergreifenden Qualifikation (Theologe, Astronom, Mathematiker) als auch hinsichtlich seiner Arbeitsorte (Graz, Linz, Prag) und seiner fachlichen Kontakte (Tycho Brahe, Galileo Galilei) ein perfekter Namensgeber im Sinne der europäischen Dimension von Vielfalt und Zusammenarbeit.
Die Zeit zwischen dem ersten Startversuch am 15. Februar und dem erfolgreichen Start am 16. Februar 2011 konnte ich nutzen, um die europäische Kooperation mit Russland in Form der Vorbereitungen für den Start der Sojus-Raketen von Kourou zu besichtigen. Im September soll die erste Sojus-Trägerrakete den Aufbau des europäischen Navigationssystems Galileo vom europäischen Weltraumbahnhof aus beginnen.
Alle Erfolge auf europäischer Ebene basieren auf Kooperationen, die wiederum auf nationalen fachlichen Kompetenzen und gemeinsamen (finanziellen) Anstrengungen aufbauen. Diese Logik bedarf der alltäglichen Balance zwischen Interessen und Aktivitäten der einzelnen Staaten und der gemeinsamen Ziele. Nicht immer sind diese Aspekte schon im ersten Moment leicht zusammenzuführen. Es ist deshalb unsere permanente Aufgabe, neben der unmittelbaren Forschung und Entwicklung auch die politische grenzüberschreitende Dimension zu beachten und im Gesamtbild eine angemessene Berücksichtigung verschiedener Interessen anzustreben. Die aktuelle Diskussion über die weitere Entwicklung und Finanzierung der ISS und der europäischen Trägerraketen ist ein gutes Beispiel für diese europäische Kooperationsherausforderung.
Bild oben: Start der Ariane 5ES mit ATV-2 an Bord. Bild: Arianespace.
Bild unten: Sojus-Trägerrakete in der Integrationshalle des europäischen Weltraumbahnhofs Kourou in Französisch-Guayana. Bild: DLR, CC-BY-ND 3.0.
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