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Energie-Frage der Woche: Können Windräder auch auf dem offenen Meer schwimmen?

Obwohl die technischen Herausforderungen schon bei fest im Meeresboden verankerten Windkraftanlagen groß sind, arbeiten Windradhersteller und Energieunternehmen bereits an schwimmenden Windrädern. Wichtige Erfahrungen sammeln derzeit der norwegische Versorger StatoilHydro und Siemens zwölf Kilometer südöstlich der Insel Karmøy in Norwegen. Hier setzten sie 2009 eine 2,3 Megawatt-Anlage mit einem Rotordurchmesser von 82 Metern auf einen mit Ballast gefüllten, stählernen Schwimmkörper. Dieser reicht bis 100 Meter unter die Wasseroberfläche und ist mit drei Ankerdrahtseilen am Meeresboden in 220 Meter Tiefe verankert. Wie gut diese Anlage Stürmen trotzen kann und ob die Schwankungen den Betrieb des Windrads nicht zu sehr stören, soll dieser Praxistest in den kommenden Jahre zeigen.

floating wind turbine - Pilotprojekt von Siemens-Division Renewable Energy und des norwegischen Energiekonzerns StatoilHydro (Grafik), alle Bilder: Siemens.
floating wind turbine - Pilotprojekt von Siemens-Division Renewable Energy und des norwegischen Energiekonzerns StatoilHydro (Grafik), alle Bilder: Siemens.

"floating wind turbine" - Pilotprojekt von Siemens-Division Renewable Energy und des norwegischen Energiekonzerns StatoilHydro (Grafik), alle Bilder: Siemens.

Schwimmende Windräder mit fünf Megawatt Leistung

Die Vorteile solch schwimmender Anlagen liegen auf der Hand. Sie könnten vor nahezu jeder Küste in windreichen Gebieten abseits von Schifffahrtsrouten verankert werden. Bis in Wassertiefen von rund 700 Metern böten die Stahltrassen genug Halt.  Eine jüngst im Fachblatt "Journal of Renewable and Sustainable Energy" veröffentlichte  Machbarkeitsstudie amerikanischer Forscher bestätigt, dass schwimmende Windkraftanlagen auf dem hohen Meer tatsächlich stabil sein können. Mit Modellrechnungen und einem Modell im Wassertank zeigte das Team um den Schifffahrtsarchitekten Dominique Roddier von der kalifornischen Firma Marine Innovation & Technology, dass dreibeinige Turbinentürme auf einer schwimmenden Plattform genug Stabilität sogar für wuchtige Fünf-Megawatt-Anlagen bieten sollten.

Auf der Grundlage dieser Simulationen plant Roddier derzeit einen Prototyp in Normalgröße. Bis zum Herbst 2012 soll das schwimmende Windrad in Zusammenarbeit mit dem Stromkonzern Energías de Portugal vor der portugiesischen Atlantikküste aufgebaut werden. Obwohl die Kosten nach heutigen Schätzungen nicht höher als bei fest gegründeten Offshore-Windparks liegen sollen, werden die schwimmenden Kraftwerke kaum weiter als 100 Kilometer vor der Küste installiert werden. Denn mit jedem Kilometer steigen die Kosten für die Seekabel, durch die der erzeugte Strom auf 110.000 Volt Hochspannung in das Stromnetz an Land fließen soll. Zudem müssen auch die robustesten Windräder regelmäßig gewartet werden. Die Techniker können für kleinere Aufgaben mit dem Hubschrauber einfliegen, für aufwendigere Arbeiten wären allerdings aufwendigere Anreisen per Schiff nötig.

Gewaltiges Potenzial für alle Küstenstaaten

Doch der Aufwand könnte sich lohnen. Denn das Potenzial für Strom aus Offshore-Windanlagen ist gewaltig. So schätzt die Europäische Umweltagentur EEA, dass bis zum Jahr 2030 allein vor den Küsten der EU-Staaten 3400 Terawattstunden Windstrom erzeugt werden könnten, um etwa 80 Prozent des geschätzten Bedarfs zu decken. Das Potenzial liegt mit 30.000 Terawattstunden sogar weit darüber. Auch China, die Staaten Südamerikas und die USA könnten mit einem Ausbau der - teilweise schwimmenden - Offshore-Kapazitäten einen Großteil ihres Stroms auf dem offenen Meer gewinnen.

Weitere Informationen:

Die DLR-Energiefrage der Woche im Wissenschaftsjahr "Die Zukunft der Energie"

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat das Wissenschaftsjahr 2010 unter das Motto "Die Zukunft der Energie" gestellt. Aus diesem Anlass beantwortet der Wissenschaftsjournalist Jan Oliver Löfken in diesem Jahr jede Woche eine Frage zum Thema Energie in diesem Blog. Haben Sie Fragen, wie unsere Energieversorgung in Zukunft aussehen könnte? Oder wollen Sie wissen, wie beispielsweise ein Wellenkraftwerk funktioniert und wie effizient damit Strom erzeugt werden kann? Dann schicken Sie uns Ihre Fragen. Wissenschaftsjournalist Jan Oliver Löfken recherchiert die Antworten und veröffentlicht sie jede Woche in diesem Blog.