Am 21. Dezember 2011 sind die ersten Messungen des bisher größten Windkanalmodells, benannt F15LS, des DLR erfolgreich durchgeführt worden. Damit endete für das Systemhaus Technik (SHT) ein drei jähriges Technologieprojekt erfolgreich.
Das Modell hat eine Gesamtlänge von 8,4 m, so lang wie manches Einfamilienhaus, fünf Mal so groß wie ein Mensch. Diese enormen Abmessungen lassen nicht vermuten, dass es sich hierbei eigentlich um ein feinmechanisches Produkt handelt.
Das SHT verantwortete im Auftrag des Instituts für Aerodynamik und Strömungstechnik den kompletten Modellbau, vom Konzept bis zur Auslieferung des Modells, inklusive Montagehilfen. Zur Realisierung wurden die Ansätze des Projektmanagements herangezogen.
Beim F15LS handelt es sich um ein weltweit einzigartiges großskaliges 2D Tragflächenmodell mit einer Profillänge von 7,2 m und einer Tiefe von 1,2 m (bei eingefahrenen Klappen). Das Modell dient als Versuchsträger für aeroakustische und aerodynamische Messungen und ist speziell für den Einsatz im Windkanal DNW-LLF (Large Low-Speed Facility, Niederlande) ausgelegt.
Der Vorteil des über sieben Meter langen Modells mit einem Maßstab von 1:3: Aufgrund seiner Größe wird das Windkanalmodell im Vergleich zu kleineren Vorgängermodellen besonders repräsentative aeroakustische Daten liefern. Sie dienen dem Vergleichen und Verifizieren von Messergebnissen der kleinskaligeren Modelle und von Rechenmodellen. Weiterhin werden Lärmminderungstechnologien an den Klappensystemen unter realitätsnahen Bedingungen erprobt.
Das Modell besteht aus verschiedenen Baugruppen, siehe Bild 2: Einem Hauptflügel (Flügel-Vorderkante, Mittelteil, Flügel-Hinterkante), Vorflügel (Slat), Klappen (Flap) sowie Montagerahmen und Einstellhilfen. Die Auftriebshilfen, Vorflügel und Klappen, wurden aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff gefertigt. Es bestanden sehr hohe Anforderungen an die Genauigkeit. Die Hinterkanten des Vorflügels (slat) laufen auf eine Dicke von ca. 0,7 mm aus und dies bei einer Länge von insgesamt 7,2 m. Zur Befestigung der Halter wurden partiell Aluminium Einsätze in die Auftriebshilfen integriert. Die CFK-Bauweise gewährleistet aufgrund der Gewichtsvorteile (Ersparnis ca. 65%) gegenüber Vollmetall ein gutes Handling beim Auf- und Umbau im Windkanal. Die Instrumentierung der Faserverbundteile ist einfacher als die eines Vollmetall-Modells, da die laminierten Halbschalen vor dem Verkleben von innen instrumentiert werden können. Die CFK-Bauteile wurden in Kunststoffformen im sogenannten Infiltrationverfahren gefertigt (Laminatdicke ca. 3mm). Bei diesem Verfahren wird der gesamte Aufbau einer Halbschale mit Hilfe von Vakuumtechniken mit Harz ausreichend durchdrängt. Es bietet gegenüber herkömmlichen Herstellungsmethoden eine schnellere Fertigung, ein besseres Einstellen des Faservolumengehaltes und reduziert dabei die Mitarbeiterbelastung, da diese nicht mit dem Harz in direkte Berührung kommen.
Die Vorflügel- und Klappenhalter wurden 5-achsig aus hochfestem korrosionsbeständigem Stahl gefertigt (Rm= ca. 1150 N/mm²). Alle Teile mussten höchsten Genauigkeitsansprüchen gerecht werden. Als Beispiel lag die vorgegebene Abstandstoleranz der beiden Halterflansche bei ±0,02 mm. Relevante Maße wurden bei jedem Halter zur Qualitätssicherung auf einer Messmaschine geprüft. Mittels dieser vom SHT gefertigten Halter wurde der Spalt (gap) zwischen den Auftriebshilfen und dem Hauptflügel in einem Toleranzbereich von ±0,05 mm eingestellt. Dieser Toleranzbereich ist kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Die spezielle Form der Halter und die Anbringung auf der Saugseite des Flügels (Oberseite) sind auf eine möglichst geringe Geräuschentwicklung ausgerichtet. Die Geometrie der Halter wurde in mehrfachen Iterationen gemeinsam mit dem Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik optimiert. Die Wirkung der optimierten Form wurde im Versuch nachgewiesen. In einem Folgeprojekt wurden solche Halter mit einer ähnlichen Geometrie verwendet.
Das gesamte Modell besitzt 560 statische Druckmessstellen (0,3 mm Durchmesser), wobei allein 347 auf die Auftriebshilfen fallen. Der mittlere Messschnitt weißt mit 182 Bohrungen die engste Anordnung von Druckmessbohrungen, was teilweise zu Abständen von weniger als 2 mm zueinander bedeutet. Zum Verbinden dieser Messstellen mit den externen Messmodulen wurden im gesamten Flügel ca. 3,6 km Röhrchen und Schläuche verlegt. Außerdem wurde der Vorflügel mit 12 dynamischen Drucksensoren (Kulites) ausgestattet. Hierfür mussten zusätzlich speziell abgeschirmte elektrische Leitungen im Modell verlegt werden.
Für die dynamischen Drucksensoren wurde auf Kundenwunsch ein separates Segment („Kulite-Panel“) konstruiert, welches demontiert werden kann und dadurch den kostengünstigen Austausch fehlerhafter Sensoren ermöglicht. Außerdem können hierdurch ggf. Sensoren hinzugefügt, versetzt oder zerstörungsfrei demontiert werden (Kosten pro Sensor ca. 1000€). Das Panel wurde aus nichtleitendem GFK gefertigt, um elektrische Störungen der Sensoren auszuschließen.
Der ca. 2,2 t schwere und insgesamt 8,4 m lange Hauptflügel wurde nach Vorgaben der Konstruktion des SHT von einer externen Firma gefertigt. Als Material wurde eine hochfeste Aluminiumlegierung verwendet (Rm= ca. 500 N/mm²). Bei der Fertigung wurde die vorgegebene Profilgenauigkeit von ±0,05 mm eingehalten. Die Oberflächenrauhigkeit beträgt ≤Ra0,6. Durch ein Finish in zusammengebautem Zustand ist gewährleistet, dass keine störenden Stufen an den Übergängen der einzelnen Segmente bestehen. Die Hinterkantendicke am Hauptflügel beträgt 0,7 mm mit einer Dickentoleranz von ±0,02 mm. Die Kontur- und Formtreue wurde vom externen Fertiger anhand von Messprotokollen nachgewiesen.
Das Systemhaus Technik hat zudem konstruktive Konzeptauslegung und technische Beratung dem Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik zur Verfügung gestellt, damit andere Firmen die Windkanalhalterung (und –positionierung) und sogenannte Seitenscheiben (für gleichmäßigere Auftriebsverteilung) auslegen und fertigen konnten.
Zu den Unterstützungsleistungen für das Institut gehörte auch die Aufarbeitung von CFD (Computational Fluid Dynamics) konformen Flächenmodellen. Sie dienten als Grundlage der wissenschaftlichen Lastabschätzung und –Druckverteilung, die sowohl für das Versuchsprogramm als auch für die FEM-Auslegung benötigt wurden. In der Hochauftriebskonfiguration lasten ca. 45000 N (ca. 4,5 t) auf dem Flügel, was etwa dem Gewicht einer ausgewachsenen afrikanischen Elefantenkuh entspricht. Bei der externen FEM-Berechnung wurde nicht nur auf eine Festigkeitsauslegung Rücksicht genommen, sondern auch auf die Verformung des gesamten Modells unter Last, um jederzeit die geforderte Spalttoleranz von ±0,3 mm einzuhalten.
Der festigkeitsmäßig kritische Fall liegt vor, wenn das Modell als Kragflügel (nur einseitig gehalten) in der geschlossenen oder offenen Messstrecke des DNW-LLF gemessen werden soll. Hierbei treten extreme Spannungen im Wurzelbereich des Flügels auf, die das Design der betroffenen Bauteile wesentlich beeinflussten.
Für den Kragflügel wurde eine spezielle Flügelspitze konstruiert, welche aus Faserverbundwerkstoff gefertigt wurde.
Da ein Modell in einer solchen Größenordnung und Gewicht nicht mehr durch Manneskraft allein gehandhabt werden kann, mussten hierfür spezielle Hilfsmittel vom SHT entwickelt werden: ein Transportgestell und Handhabungswerkzeug zum Montieren und Einstellen der Auftriebshilfen. Die optisch an Schwermaschinenbau erinnernden Geräte ermöglichen ein sehr genaues Einstellen der aerodynamisch relevanten Maße und ermöglichen einen Umgang des Modells mit nur wenig Personal. Das Modell kann mit diesen Hilfsmitteln für den Transport so zerlegt werden, dass es in einem 20-Fuß-Container untergebracht werden kann.
Projekt Modellbau F15LS in Stichpunkten:
Maße (im Projekt FTEG):
8,4 m x 1,2 m x 0,17 m (eingefahrene Auftriebshilfen); 8,4 m x ca. 1,5 m x ca. 0,35 m (ausgefahrene Auftriebshilfen)
Modellgewicht:
ca. 2,64 t
Aufbau:
Modularer Aufbau mit Erweiterungsmöglichkeiten entsprechend anderer Modelle innerhalb einer Modellfamilie (F15 und F16 sind weitere Modelle der Familie)
Kosten:
ca. 1,8 Mio. €
Projektlaufzeit:
ca. 3 Jahre
Geplante Nutzungszeit:
20 Jahre
Zusammenarbeit und Kooperationen:
Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik (DLR), AIRBUS Deutschland GmbH, EADS IW, Deharde Maschinenbau H. Hoffmann GmbH, Leichtwerk AG, AMAS Engineering GmbH, Bertrandt Technikum GmbH, Modell- und Formenbau PAPE GmbH, Deutsch-Niederländische Windkanäle (DNW), TU Braunschweig, DASSAULT Aviation
Mit dem Modell F15LS wurden folgende Projekte realisiert:
Alle Versuche zielten auf die Validierung von aeroakustischen CFD-Berechnungsverfahren ab.
Versuche im Projekt FTEG:
Versuche im Projekt OPENAIR: