Pünktlich um viertel vor vier Uhr am 2. September 2010 betritt der neue Astronautenanwärter Alexander Gerst den Wernher von Braun Saal der DLR Raumfahrt-Agentur in Bonn. Er wirkt fit - auf keinen Fall gehetzt. Man sieht ihm nicht an, dass er direkt vom Astronautentraining kommt. Der neue deutsche Hoffnungsträger lässt es sich - allen Strapazen des Trainings zum Trotz - nicht nehmen, der Agentur einen Besuch abzustatten.
Begrüßt wurde Gerst vom Programmdirektor Raumfahrt Dr. Rolf Densing und den Mitarbeitern. Rolf Densing beschrieb die Aufgaben der Raumfahrtagentur. Dazu gehören die Gestaltung des deutschen Raumfahrtengagements und die Vertretung der deutschen Raumfahrtinteressen gegenüber internationalen Partnern. Wichtig für Gerst ist die Wahrnehmung deutscher Raumfahrtinteressen, insbesondere gegenüber der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA. Die ESA schlägt der amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA die europäischen Astronauten für einen Flug zur Internationalen Raumstation ISS vor.
Im Gegenzug berichtete Alexander Gerst über seine Motive Astronaut zu werden, über sein bisheriges Training und sein Ziel, möglichst bald an einer bemannten Mission teilzunehmen. Die nächste Flugperspektive für einen europäischen Astronauten ist im Jahr 2014. "Wir werden alles dafür tun, dass Alexander Gerst für diesen Flug nominiert wird", versicherte Dr. Rolf Densing. Bis dahin bleibt für den Astronautenanwärter genügend Zeit, nach der Grundausbildung und dem fortgeschrittenen Training das spezielle Missionstraining zu durchlaufen.
Gerade hatten Gerst und seine Anwärterkollegen das Training für den Weltraum unter Wasser im Tauchbecken des Europäischen Astronautenzentrums (EAC) in Köln absolviert. Den Mitarbeitern der DLR Raumfahrt-Agentur erklärte er die Einzelheiten des harten Trainings anhand einer Videopräsentation. In der "gefühlten" Schwerelosigkeit des Wassers simulierte die Gruppe einen Raumspaziergang.
Diese Übung gehört zur 18-monatigen Grundausbildung zum Astronauten, die Gerst seit September 2009 im Europäischen Astronautenzentrum in Köln zusammen mit seinen fünf Teamkollegen, der Italienerin Samantha Cristoforetti, dem Dänen Andreas Mogensen, dem Italiener Luca Parmitano, dem Briten Timothy Peake und dem Franzosen Thomas Pesquet absolviert. Neben dem wissenschaftlichen Arbeiten ist auch Russischunterricht Bestandteil seiner Ausbildung. Der promovierte Geo-Physiker wurde als 14. deutscher Astronaut im Mai 2009 in das ESA-Astronautenkorps berufen. Zusammen mit fünf weiteren Kandidaten konnte Gerst sich gegen mehr als 8.000 Mitbewerber durchsetzen.