Dienstag, 10. März 2009
Der Tag beginnt früh, sehr früh. Um 3.30 Uhr in dunkler Nacht machen sich die ersten Interessierten auf zum Ballonfeld, um den Start von TWIN und die Vorbereitungen hautnah mitzuerleben. Der Himmel ist bedeckt und so wird die Szenerie vor der Ballonhalle, der Kathedrale, nur spärlich durch den weißen Schnee erhellt.
In sicherer Entfernung steht der gigantische Schwertransporter Herklules, der die Nutzlast vom Gebäude zum Startpunkt gebracht hat. Sie hängt mit Seilen an einem Haken des Gefährts und pendelt gelegentlich ein wenig, denn über das Feld weht ein schneidend kalter Wind. Ein Testballon tanzt hektisch auf und ab. Ob TWIN bei diesen Bedingungen starten kann? Die Windgeschwindigkeit darf nicht über 14 Metern pro Sekunde liegen. Ansonsten können Gondel und Ballon leicht außer Kontrolle geraten.
Während das Grüppchen der frierend wartenden Schaulustigen langsam aber stetig anwächst, gehen auf dem Startplatz die Arbeiten voran. Techniker legen den Ballon aus, der über Schnüre mit der Gondel verbunden ist. Auf den Monitoren in der Kathedrale läuft der Countdown weiter herunter. Hier kommunizieren die Wissenschaftler via Sprechfunk mit dem Rest des Teams auf dem Ballonfeld. Gegen 4:45 Uhr werden die Gesichter ernst: Es gibt ein Problem mit der Stromversorgung. Die Batterien scheinen ihren Dienst versagen zu wollen. Eine Weile herrscht Ratlosigkeit, dann bekommen die Techniker das Problem in den Griff.
Noch 30 Minuten bis zum Start. Jetzt wird der Ballon befüllt. Jeder, der eine Kamera dabei hat, steht nun vor der Halle und hält drauf - mögen ihm auch noch so die Finger abfrieren. Container, Anhänger, Pylonen: Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, wird als Stativ missbraucht. Gespenstisch erhebt sich die milchig-transparente Hülle am Horizont. Zunächst wabert der feine Stoff wie Nebelschwaden über dem Boden. Doch innerhalb weniger Minuten richtet sich der Ballon zu einer Kuppel auf und gewinnt zusehends an Volumen. Über zwei dünne Schläuche füllen die Techniker Kubikmeter um Kubikmeter Helium in seinen Bauch.
Im Morgengrauen steigt der Ballon in die Höhe
Um 5.20 Uhr kommt die Durchsage: "Noch eine Minute bis zum Start." Die letzten Sekunden werden heruntergezählt und tatsächlich: Um 5.21 Uhr hebt sich der Ballon blitzgeschwind in die Höhe. Dabei verliert er seine runde Form und verwandelt sich in ein schlauchförmiges Gebilde. Das kommt daher, weil am Boden nur ein Teil der Hülle mit Gas gefüllt wird. Erst in den oberen Atmosphärenschichten, wo der Luftdruck niedriger ist, dehnt sich das Helium aus und füllt das gesamte Innere des Ballons.
Dieser steht nun über der Nutzlast und zerrt an seinen Schnüren, bis das "Bodenpersonal" die Gondel freigibt. Schnell gewinnt TWIN an Höhe, fliegt Richtung Norden über den Startplatz. Eine Weile können die Zuschauer ihn noch am Nachthimmel ausmachen, dann entschwindet er durch den Hochnebel den Blicken. Ein großartiges Erlebnis für alle Beteiligten.
In den höheren Atmosphärenschichten untersucht TWIN die Luft auf jene Spurengase, die zum Ozonabbau beitragen. Dies tut er über in-situ-Messungen. Das heißt er nimmt vor Ort Luftproben, die er in einen großen Metallbehälter, den Cryosammler, saugt. Nach seiner Reise wird die Nutzlast geborgen und die Wissenschaftler können diese Proben im Labor auswerten. TWIN ist ein Projekt vom Forschungszentrum Jülich und der Universität Frankfurt.
Im Team arbeitet auch Olga Suminska. Sie war als Studentin der Universität Rostock Teilnehmerin an der BEXUS-Kampagne (Ballon-Experimente für Universitätsstudenten), die vom 3. bis zum 12. Oktober 2008 in Kiruna stattfand. Dort war sie am Experiment TURAWIND (Turbulence in the stratopspheric wind field) beteiligt, mit dem die Studenten Turbulenzen in der Stratosphäre gemessen hatten. Inzwischen promoviert sie am Forschungszentrum Jülich, genauer gesagt am Institut für Chemie und Dynamik der Geosphäre (ICG). Sie hatte sich vier Monate nach dem BEXUS-Projekt dorthin beworben, weil sie "unbedingt weiter diese Ballonmessungen machen" wollte. Eine schöner Beweis dafür, dass das REXUS/BEXUS-Programm, an dem das DLR maßgeblich beteiligt ist, Studenten auf ihrem Weg unterstützt und ihre Begeisterung wecken kann.