Ein regnerischer Morgen empfängt die Parabelflieger. Aber immerhin hat der starke Wind nachgelassen, und das kann für die Flüge nur von Vorteil sein. Der Airbus A300 ZERO-G hebt dann auch pünktlich um 9.30 Uhr vom Köln Bonn Airport ab.
Der Flug beginnt gut, bis plötzlich im Steigflug bei etwa 30 Grad die dritte Parabel abgebrochen wird. Der Kapitän gibt durch: "We got a technical problem." Was war passiert? Ein System zur horizontalen Stabilisierung der Fluglage hatte sich ausgeschaltet. Bei Passagierflügen ist dies kein Problem.
Bei dem präzisen Manöver eines Parabelfluges kann der Ausfall des Systems jedoch dazu führen, dass die Parabel nicht "sauber" geflogen wird.
Dann aber erhalten die Wissenschaftler keine gute Schwerelosigkeit. Aus diesem Grund lenken die Piloten den A300 ZERO-G sofort in eine flache Parabel über, um wieder in die Ausgangsposition zu kommen. Während etwa zehn Sekunden herrscht hierbei 0,3 g - Gravitation wie auf dem Mars.
In den acht DLR-Parabelflugkampagnen seit 1999 ist es noch nie zuvor zu diesem besonderen Manöver gekommen. Die Behebung des Problems ist denkbar einfach: Das ausgefallene System wird wieder eingeschaltet, und der Flug kann normal fortgeführt werden.
Dann beginnen auch schon wieder die Forschungsarbeiten. Prof. Felsenberg und sein Team von der Charité Berlin entwickeln ein Vibrations- und Unterdruck-Muskeltraining, das bei einem Aufenthalt in Schwerelosigkeit eingesetzt werden soll. Denn nicht nur alte oder bettlägerige Menschen auf der Erde leiden unter Muskelschwund und Osteoporose. Auch bei Astronauten bauen sich Muskeln und Knochen nach einem längeren Aufenthalt in Schwerelosigkeit ab.
Die Wissenschaftler suchen nach einer Trainingsmethode, die sowohl vorbeugend als auch zur Behandlung dieser Erkrankung eingesetzt werden kann. Dabei soll das Vibrationsgerät "Galileo Space" helfen.
Es wurde bei Langzeit-Bett-Liege-Studien an der Charité unter normalen Schwerkraftbedingungen bereits sehr erfolgreich eingesetzt. Beim Parabelflug testen die Forscher seine Tauglichkeit in der Schwerelosigkeit.
Zusätzlich soll die Vibrationsplatte mit einer so genannten "Unterdrucktonne", einer Lower Body Negative Pressure Device (LBNP), verbunden werden. Dieses zylinderförmige Gerät umschließt den Unterkörper der Versuchsperson und regt deren Herz-Kreislauf-System an.
Wenn die Tests auf den Parabelflügen positiv ausfallen, könnten die Trainingsgeräte einzeln oder zusammen auf der Internationalen Raumstation (ISS) oder bei Langzeit-Missionen im Weltraum eingesetzt werden. Aber auch auf der Erde könnten die von Osteoporose betroffenen Menschen davon profitieren.
Bevor die Apparatur im Weltraum ihren Dienst aufnehmen kann, haben die Wissenschaftler noch ein technisches Problem zu lösen: Durch das Rütteln des Vibrationsgeräts würde möglicherweise die empfindliche Technik in Raumtransporter oder -station gestört. Es muss also sichergestellt sein, dass sich die Bewegungen des Geräts nicht auf die Umgebung übertragen.
Daher ermitteln die Forscher auf diesem Flug die optimalen Vibrations-Frequenzen und prüfen, ob sich die Schwingungen auf Gerät und Kabine auswirken. Zunächst lassen die Forscher "Galileo Space" mit 24 Schwingungen pro Sekunde (24 Hertz) vibrieren.
Dann schalten sie auf 26 und schließlich auf 28 Hertz hoch. Doch hier beginnt ein Teil der Apparatur mitzuschwingen. Es wird sofort entschieden, dieses Teilexperiment abzubrechen und stattdessen eine Frequenz von 22 Hertz zu testen. Dies funktioniert problemlos. Das positive Ergebnis des Versuchs: Die Schwingungen übertragen sich bei keiner der Frequenzen auf Kabine oder Umgebung der Anlage.
Für die Versuchsperson ist das Training mit "Galileo Space" und der LBNP trotz körperlicher Fitness so anstrengend, dass der Versuch nach der 23. Parabel abgebrochen wird.
Sowohl das Rütteln der Platte als auch die Anregung des Kreislaufs in der Unterdrucktonne beanspruchen den Körper der Probanden außerordentlich. Der Abbruch stellt aber kein Problem dar, da bis zu diesem Zeitpunkt bereits genügend Daten ermittelt werden konnten.
Prof. Gunga, ebenfalls von der Charité Berlin, und Prof. Blazek von der Technischen Hochschule Aachen untersuchen mit ihrer Gruppe schnelle Flüssigkeitsverschiebungen entlang der Körperachse des Menschen beim Parabelflug. Denn in der Schwerelosigkeit kommt es zu einer raschen Umverteilung von Flüssigkeiten wie Blut und Lymphe in die obere Körperhälfte.
Beim Parabelflug kann man dies bereits innerhalb von Sekunden beobachten. Erstmalig werden für die Untersuchungen gleichzeitig Ultraschallmethoden und Methoden zur Bestimmung des Gewebevolumens eingesetzt.
Auch der Einsatz einer Thermo-Kamera ist neu. Damit sollen schnelle Blutverschiebungen, beispielsweise in den Kopf, dokumentiert werden. Das Ziel dieser Anstrengungen ist es, die Anpassung des Herz-Kreislaufsystems unter Schwerelosigkeit zu verstehen und die genauen Mechanismen dieser Flüssigkeitsverschiebungen zu ergründen.
Das Ergebnis der Untersuchungen ist noch ungewiss, aber ein Erfolg ist jetzt schon sicher: die gute interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen der medizinischen Fakultät in Berlin und der Technischen Universität Aachen.
Das Team um Prof. Blum beschäftigt sich mit einem himmlischen Thema: der Physik der Planetenentstehung. Als wichtige Voraussetzung für das Wachstum von Planeten, die sich in Aggregationsscheiben um neugeborene Sterne herum bilden, gilt heute die Bildung von Staubklümpchen (Staubagglomeration) durch Zusammenstöße kleinster Teilchen.
Einen der dabei beteiligten Vorgänge ahmen die Forscher nach, indem sie Staubpartikel durch die Bestrahlung mit intensivem Licht in einem Gas gezielt bewegen und zusammenstoßen lassen. Dies wird mit zwei Kameras aufgenommen. Beim 8. DLR-Parabelflug erforscht das Wissenschaftsteam, wie die Geschwindigkeit der Teilchen von Gasdruck, Lichtintensität und Größe der Staubklümpchen abhängt. Dafür vermessen die Forscher etwa zehn verschiedene Partikelsorten systematisch.
Dies ist der letzte der drei Flugtage für die Gruppe. Nachdem ein kleines technisches Problem in Form eines lockeren Steckers beim ersten Flug fachmännisch beseitigt werden konnte, sind die Wissenschaftler mit dem Verlauf der Kampagne zufrieden.
"Die Ausbeute liegt bei zwei Dritteln der Parabeln. Diese Daten können wir für unsere Untersuchungen verwenden", sagt Ingo von Borstel. Insgesamt sind dies etwa 20 Gigabyte pro Tag. Diese gilt es in den nächsten Wochen auszuwerten.
Kaum in Köln angekommen, eilen die Wissenschaftler auch schon zur gewohnten Nachbesprechung. Im Anschluss daran gibt es noch eine Urkunde für alle Parabelflieger, die heute wieder abreisen.
Dann werden die ersten Experimentanlagen wieder aus dem Airbus geladen und ins Terminal West gebracht. Am späten Nachmittag verlassen die ersten Wissenschaftler Köln - neun Teams jedoch freuen sich auf weitere Flüge am Wochenende.